„OZ Graffiti DSCF5689“ von Martina Nolte – Eigenes Werk. Quelle: Wikimedia Commons.*
Vor vielen Jahren habe ich mal eine Zeitlang in Hamburg gelebt, und ein bisschen hängt mein Herz immer noch an der Hansestadt mit ihrem rauen, nordischen Charme. Ein Teil „meines“ Hamburgs waren immer die Tags von OZ, einem der bekanntesten Sprayer, der sich kreuz und quer über die ganze Stadt verteilt verewigt hat. Wenn ich mit der S-Bahn oder mit dem Rad durch die Stadt fuhr, winkte mir das kleine, einfache und doch irgendwie schöne, unverwechselbare Kürzel von Hauswänden, Mauern oder Stromkästen zu. Manchmal war es eine ganze, beinahe dadaistisch anmutende Reihe. OZ OZ OZ OZ OZ OZ … Es war immer wie ein kleines, fröhliches Augenzwinkern, das mir sagte: Nimm alles nicht so ernst. Die Welt ist trotzdem bunt. Der Tag ist für mich und für viele andere untrennbar mit der Stadt Hamburg verwurzelt. Einfach nur ein Tag – was soll daran jetzt besonders sein? Nun, das Kürzel ist eben ein bisschen oder sogar viel mehr als das. Es ist ein Markenzeichen, das einfach überall ist, nicht wegzubekommen, und damit auch ziemlich viele Leute ziemlich geärgert hat. Irgendjemand will das gezählt haben und kommt auf mehr als 120.000 Wiederholungen in der ganzen Stadt.
OZ ist tot. Gestern habe ich davon gelesen. Und wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man fast meinen, dass er so gestorben ist, wie er in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten ist, wie er gesehen werden wollte. Er wurde am Donnerstag, 25. September, beim Sprayen von einer S-Bahn erfasst. Das ist kein Heldentot und ich hoffe, dass es niemand jemals zu einem Denkmal machen wird.
Über den Menschen Walter Josef Fischer, wie OZ mit bürgerlichem Namen hieß, weiß man dabei eigentlich recht wenig. 64 Jahre alt geworden ist er, und damit ein echter Veteran der Sprayer-Szene, seit 1977 war er aktiv, zunächst in Stuttgart, später in Hamburg. 1950 in Heidelberg geboren, brach er mehrere Lehren ab, tingelte durch die Welt und landete schließlich in Hamburg. Seit 1992 markierte er die Stadt, mit seinem Tag, aber auch mit unzähligen, charakteristischen Smileys und Spiralen, manchmal auch mit großflächigen, bunten Graffitis, die an das Werk von Keith Haring erinnern mögen. Eine graue Betonwüste mit unzähligen Smileys zu überziehen, das ist so simpel wie wirkungsvoll. OZ nannte sich selbst, besonders gerne seinen Gegnern gegenüber, „Schmierfink“ – und sah sich doch zugleich als Künstler. Der Bildband „Es lebe der Sprühling“ (Hamburg 2009) dokumentiert seine Werke, und er nahm an diversen Ausstellungen teil. Seit 2009 vertauschte er wohl auch verstärkt die Betonmauer gegen die Leinwand.
OZ hatte viele Fans und Freunde. Christoph Twickel erzählte 2001 auf Spiegel online die Geschichte, wie er den Hochbunker auf St. Pauli selbst per Hand vom Gestrüpp befreite, bevor er den Beton mit einem großen Graffiti verzierte. Anwohner sollen sich erfreut gezeigt haben, dass das Grau nun endlich bunt bemalt sei. (Hamburger Sprayer-Mythos: Der Zauber von OZ, in: Spiegel online 3.2.2011) Für viele Hamburger gehörte OZ einfach zur Lokalprominenz wie Udo Lindenberg oder Lotto King Karl. Er hatte aber auch viele Feinde, die ihn tatsächlich als den „Schmierfinken“ sahen, der aus dem Verkehr gezogen werden sollte. Es gab diverse Verfahren gegen ihn und er wurde mehrfach wegen Sachbeschädigung verurteilt, zum Teil zu Gefängnisstrafen – das letzte Mal 2012 (da allerdings „nur“ zu einer Geldstrafe) wegen zwei (!) Tags, die er an einer Hauswand hinterlassen hatte. Viele rügten die Unverhältnismäßigkeit, mit der man hier gegen einen prominenten „Täter“ vorging. OZ ist vermutlich der bekannteste Präzendenzfall für die Entscheidung der Frage, was Graffiti denn nun ist – Kunst oder Sachbeschädigung. Bisher war er juristisch zumindest unterlegen, und eine weitere Runde wird es nicht geben, jedenfalls nicht für OZ.
Jasmin Siddiqui von Herakut hat einmal sinngemäß erklärt: Wer Kunst macht, wer sprayt, der macht erst mal nichts anderes, als zu sagen: „Ich war hier.“ Wenn das stimmt, dann hat OZ das ziemlich laut gerufen. Sein Markenzeichen jedenfalls ist aus dem Stadtbild und dem kulturellen Gedächtnis Hamburgs wohl kaum noch zu löschen. An der Unglücksstelle am S-Bahngleis fand man eine Spraydose und seinen letzten, noch frischen Tag. OZ – Ich war hier.
„Tag-oz“ von Emma7stern – Eigenes Werk. Quelle: Wikimedia Commons.*
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