Schahlas Mutter nach der Hinrichtung ihrer Tochter
KÖLN. (icae/hpd) Heute ist Donnerstag der 2. Dezember. Ich sitze an meinem Computer und in Köln ist Weihnachtsstimmung. Es schneit und ich sehe Schneeflocken und ich bin sehr traurig… Von Mina Ahadi
Genau vor zwei Tagen saß ich hier und wollte einen Brief an das Europäische Parlament schicken, weil ich um 6 Uhr in der Früh Nachricht bekommen habe, dass Schahla Jahed heute Abend, also am 1. Dezember, hingerichtet wird. Wir haben alle auf Hochtouren gearbeitet, als mein Handy klingelte…
Ich antworte „Ja?…”, und am anderen Ende sagte ein bekannte Stimme: „Hallo, liebe Mina…“
Ich laufe in meine Küche, um mit Schahla in Ruhe zu reden: „Hallo Schahla, was ist los? Haben sie mit dir gesprochen? Weißt du, heute ist etwas passiert.“
Und sie redet mit lauter und sehr kräftiger Stimme: „Liebe Mina, ich möchte dir danken. Ich rufe dich an, weil du allen Menschen, die mir geholfen haben und die für mich gekämpft haben, danken musst. Ich bitte um Begnadigung, weil ihr sehr viel gearbeitet habt.“
Und ich frage noch einmal: „Haben sie im Gefängnis mit dir gesprochen? Was haben sie dir gesagt…“
Und sie antwortet: „Ich habe gehört….“, und ich kann nicht mehr reden, ich weine sehr laut und gebe mein Handy an eine Freundin und Schahla redet weiter und ich höre ihre Stimme. Sie sagt: „Mina, du brauchst nicht weinen, Mina, rede mit mir…“
Ich höre, wie meine Bekannte mit Schahla redet und sagt: „Wir machen alles, was wir können, bleib stark Schahla!“
Nur noch acht Stunden
Wir haben nur acht Stunden Zeit, also versuche ich mich zu beruhigen, rufe das Europaparlament und die Außenministerien in verschiedenen europäischen Städten an und Organisationen und… Die Sekunden laufen weiter, es wird langsam dunkel. Ich versuche mit Shahlas Angehörigen zu sprechen und die erklären: „Wir haben unser letztes Treffen mit Schahla gehabt.“ Schahlas Mutter weint und weint…
In Deutschland ist der 30. November, 23 Uhr. Ich rede mit Schahlas Familie, die sich darauf vorbereiten, zum Evin-Gefängnis zu fahren, es sind die letzten Minuten und alle verlangen von mir: „Mina, du musst alles versuchen! Mach weiter, wir haben noch drei Stunden Zeit…“
Ich mache ein Interview mit dem Iranischen Satelliten-Fernsehen NEUER Kanal und sage: „Bitte gehen Sie jetzt zum Evin-Gefängnis und versuchen Sie dort zu helfen, dass Schahla nicht hingerichtet wird!“
In Deutschland ist es 2 Uhr, nach Mitternacht und ich bin live dabei. 120 Menschen sind dort. Schahlas Familie, auch Schahlas Mutter ist dabei… Ich höre drei Frauen sehr laut weinen und ich höre die Stimme von Schahlas Schwester, sie sagt: „Gott hilft uns, bitte alle beten…“
“Lasst mich leben!”
Ich schaue die Nachrichten in Internet und auf Facebook, rede mit Schahlas Angehörigen. Es ist 3 Uhr 35 Minuten deutsche Zeit und ich sehe im Internet eine Nachricht auf persisch: Schahla wurde hingerichtet… Ich frage die Angehörigen und sie sagen: „Nein… noch nicht. Gerade sind Schahlas Anwalt und Angehörige der ermordeten Lala Saharkhizan ins Evin-Gefängnis gegangen.“
Nach einige Minuten sagt jemand: „Alles ist vorbei… Ja, Schahla wurde hingerichtet…“
Sie hat bis zum Ende nicht geglaubt, dass es so weit gehen kann. Am Ende, als sie den Hinrichtungsplatz gesehen hat, hat sie angefangen, laut zu schreien. Sie hat geweint und gesagt: „Lasst mich leben! Bitte ermorden Sie mich nicht!“
Das war ein staatlicher Mord. Das war ein organisierter Mord. Das islamische Regime hatte es nicht geschafft, Schahla zu töten, weil wir neun Jahre lang gegen diesen Mord gekämpft haben. Shahla war sehr bekannt..
Weil das islamische Regime wegen der weltweiten Proteste Sakine Aschtiani nicht töten kann, hat die Regierung Schahla umgebracht und sagt damit: „Ich kann noch töten und alle müssen still bleiben!“ Staatlicher Mord hat diese Funktion: Menschen zu erschrecken.
Shahla war eine der Nebenfrauen von Nasser Mohammadkhani, einem iranischen Fußballspieler. Nach elf Monaten Gefängnis hatte sie gestanden, die Hauptfrau des Fußballspielers aus Eifersucht getötet zu haben. Shahlas Familie sagt, sie hatte Narben und ihr Körper war an sehr viel Stellen mit Zigaretten verbrannt. Erst nach der Folter hatte sie gestanden, später jedoch das Geständnis widerufen. Das Regime hat eine Frau ermordet.
Die Justiz ist im Iran ein mörderischer Apparat.