Ein Tag auf Westerhever

Westerhever riecht nach Schafen, Kühen und Pferden, gemischt mit Dung und einer salzigen Prise Meeresluft. Nach gut fünf Stunden Autofahrt komme ich völlig durchgeschwitzt auf der Halbinsel Eiderstedt im Nordwesten Schleswig-Holsteins an und werde sofort mit diesem durchdringenden Geruch aus Vieh- und Landwirtschaft empfangen. Ruhe umgibt mich. Hin und wieder zwitschert ein einsamer Vogel, der Wind rauscht leicht durch die wenigen Bäume, die den Straßenrand säumen. Genauso habe ich mir meine Tage an der Nordsee vorgestellt…

Westerhever ist durchzogen mit kleinen Bauernhöfen und Kammenaten.

Westerhever ist durchzogen mit kleinen Bauernhöfen und Kammenaten.

Da es noch früher Nachmittag ist und ich unbedingt zur Abkühlung ins Wasser gehen möchte, parke ich das Auto direkt am Straßenende. Der grüne Wall verhindert zwar die Sicht, nimmt mir aber nicht die Vorfreude. Die 30 Grad fühlen sich gut an in Aussicht auf kaltes, klares Wasser mit leichtem Wellengang. Zuversichtlich schlüpfe ich in meine Badehose, schnappe mir ein Handtuch und steige die Wiesen zum Deich empor. Oben angekommen empfängt mich eine grandiose Weitsicht, da das Land flach wie die sprichwörtliche Flunder ist. Nur … das Wasser! … Wo ist es? Irgendwo am Horizont flimmert etwas in der Sonne, ansonsten nur Gras, Sand, Sand und … ähem … Sand. Ahja, kein Wasser also. Nun steh ich ja ganz schön blöd da mit meiner Badehose und dem Handtuch.

Der Zugang zum Watt ist mit Wackersteinen gepflastert und sehr leicht möglich.

Der Zugang zum Watt ist mit Wackersteinen gepflastert und sehr leicht möglich.

Wattwanderung

Auch in Flip Flops lässt sich’s laufen und irgendwo da hinten muss das Wasser ja schließlich sein. Wer was erreichen will muss nur eisernen Willen beweisen und den habe ich.
Ich. Will. Wasser!

Auch zwei Kilometer später liegt das Meer noch in weiter Ferne.

Auch zwei Kilometer später liegt das Meer noch in weiter Ferne.

Also mache ich mich auf den Weg und beginne in Richtung Fata Morgana zu laufen. Immer wieder kommen mir ältere Herrschaften entgegen. Mal mit Hund, mal mit Fahrrad – weiter hinten befindet sich eine Gruppe, die sich um eine einzelne Person schart. Diese bückt sich, hebt etwas auf und zeigt es den anderen. Etwas längliches ist es, schlank und dünn. Ich bin zwar zu stolz, um nach einer Bademöglichkeit zu fragen, aber auch zu neugierig, um mir das Schauspiel dieser Gruppe entgehen zu lassen. Aha! Eine geführte Wattwanderung. Und das, was der werte Herr dort aufhebt sind keine Schnürsenkel sondern Wattwürmer. Irgendwie eklig anzusehen sind sie allerdings für das Ökosystems der Nordsee immens wichtig. Einmal im Jahr fressen sich die geschätzten 40 Exemplare pro Quadratmeter nämlich durch rund 20 cm tiefen Sand und filtern diesen somit allein durch ihre Verdauung. Bei einer Länge von bis zu 40 Zentimetern macht das für einen einzelnen Wurm knapp 25 Kilogramm Sand im Jahr. Nicht schlecht bei soviel Hässlichkeit…

Nicht schön aber wichtig: der Wattwurm

Nicht schön aber wichtig: der Wattwurm

Und hier erfahre ich auch einen entscheidenden Punkt, den ich nur flüchtig in Erwägung gezogen und irgendwie verdrängt habe: zur Zeit herrscht Ebbe. Was für mich zum Einen bedeutet, mich gerade zum Gespött der Gruppe gemacht zu haben, zum anderen aber auch, dass ich gut und gern noch drei bis vier Kilometer vor mir habe, um endlich meine Füße in die Nordsee stecken zu können. Tja, was soll ich sagen: ich habe meinen Stolz. Und eine Badehose an. Und genügend Zeit, diese heute auch noch einzuweihen. Ich. Will. Wasser!

Eine erste Pfütze mit Freunden des Watts macht noch lange keine Bademöglichkeit

Eine erste Pfütze mit Freunden des Watts macht noch lange keine Bademöglichkeit

Ich kürze die Geschichte hier einfach mal ab: ich habe das Wasser nicht erreicht. Es hat mich erreicht. Denn auch das habe ich scheinbar erfolgreich verdrängt: nach der Ebbe kommt die Flut. Und die spült geschätzt jeden zweiten Wurm aus seinem Loch und raubt mir bei aller Liebe zum kühlen Nass die Lust in selbiges zu tauchen. Mittenmang all der Würmer zu baden stimmt mich einfach nicht besonders zuversichtlich. Also halte ich mich an die anderen und kehre enttäuscht um. Ach, was soll’s. Ich habe was gelernt, bin insgesamt dann doch sechs Kilometer gewandert und morgen ist ja schließlich auch noch ein Tag…

Noch nie habe ich so viel Nahrung direkt neben dem Endprodukt der Verdauung gesehen – Schafe beim Grasen in der eigenen Schei...

Noch nie habe ich so viel Nahrung direkt neben dem Endprodukt der Verdauung gesehen – Schafe beim Grasen in der eigenen Schei…

Ein Ferienidyll lädt zum Verweilen ein

Ein Ferienidyll lädt zum Verweilen ein

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