Ein Tag auf heißen Kohlen – Gegen Phönix aus der Asche!

Eigentlich hat man es als Student sehr gut. Man muss zwar einiges lernen und das Bachelorsystem ist auch stark verbesserungswürdig, aber im Grunde sind die Vorlesungszeiten sehr Fußball-freundlich. Leider nicht dieses Wochenende. Ein Kompaktkurs zerstörte mein allwöchendliches Ritual, mir mit dem Rumgegurke der Alemannia das Wochenende zu versauen. Ein Liveticker meines Spieltages.

++ 6:00 ++ Aufstehen, Schlafmütze. Uni ruft, du musst gehorchen. Wecker grinst mich schelmisch mit seinen roten Lettern an. Das muss die Hölle sein.

++ 7:02 ++ Bus rumpelt der Hansestadt entgegen. Wozu mache ich das heute? Achja, dem schnöden Bestehen wegen.

++ 8:17 ++ Ankunft am Rostocker Hbf. Auf Anzeige steht ein IC nach Karlsruhe. Zeichen? Omen? Interessehalber schaue ich auf die Ankunftszeit des Zuges…nach 15 Uhr… hmm, würde ich das Spiel wohl nicht mehr sehen. Also böses Omen.

++ 9:12 ++ Kurs beginnt mit einem doofen „Wachwerdspiel“. Eigentlich ist es ja eine tolle Veranstaltung, aber davon werd ich nicht wach, sondern peinlich berührt. Aber es ging um Drachen. Cool.

++ 12:30 ++ Mittagspause? Och nöö! Eine Stunde, in der ich an nichts anderes denken werde, als an den Anpfiff der Partie. Und so kommt es auch. Ich versuche eine Kurzgeschichte zu verfassen, aber mein Blick geht immer auf die Uhr…und fertig ist die Geschichte bis jetzt noch nicht!

++ 13:02 ++ Mein vertrauen ist wohl wirklich gesunken. Mein Bauch sagt mir, dass es bereits 0:3 steht. Nach zwei Minuten… jaja, die Fantasie…

++ 13:38 ++ Zu dem Zeitpunkt weiß ich es noch nicht, aber es fällt das Tor von Radu zum 1:0. Hier im Seminarraum laufen nun Vorträge. Toll, aber ich kann mich nicht recht konzentrieren. Das meiste wissen wir eigentlich doch eh schon…

++14:35 ++ Unsere Gruppe trägt gerade vor. Ich bin erstaunlich ruhig. eigentlich bin ich eher der nervöse Typ Präsentator, meine Nerven flattern, das Herz pocht bis zum Hals. Ich hab auch einen kleinen Verhaspler drin, aber an sich null Problem. Entweder habe ich eine emotionale Bindung zu meinem Verein und spüre unterbewusst, dass es gut läuft, oder der Vermittlungskompetenzkurs trägt erste Früchte. Ich rufe die Tage Mulder an, sich diesem Phänomen mal anzunehmen.

++ 15:00 ++ Ich weiß es nicht, aber das Spiel ist aus. Wir haben gewonnen! Yeah, Party Party Party, Ramba Zamba. Aber irgendwie denke ich nur an tolle Farben für Flipcharts. Meine Gruppe war wirklich der Überflieger dieser Vorträge!! :-)

++ 15:35 ++ Ich fliehe aus dem Kurs. Meiner Rückfahrt steht nichts mehr im Wege. Ich will Sportschau erreichen und wissen, wie meine Aachen gespielt hat. Ich glaub, zu dem Zeitpunkt müssen die 500 nach Karlsruhe gereisten Öcher  ebenfalls die Heimreise antreten. Brüder und Schwestern im Geiste!

++ 16:40 ++ Die Fahrt verläuft schleppend. Es ist übermäßig voll und neben mir sitzt eine Dame, die nach meinem Großvater riecht. Zigarillos und pfeifen sollten verboten werden. Da fällt es mir verdammt schwer, nicht an meine Heimat zu denken.

++ 16:41 ++ Oh Gott! Der Kerl vor mir hat ein Smartphone und er schaut Bundesligaergebnisse. Bitte, lieber Herr, lass ihn nicht das Aachenspiel betrachten, sonst erfahre ich auf solch doofem Wege vom Ergebnis. Nein, das darf nicht sein.

++ 16:42 ++ Verdammt, ich sehe ein schwarz-gelbes Logo im Augenwinkel. Ich wende den Blick ab und sehe die Spiegelung des Smartphones frontal in der Fensterscheibe des Busses. Verdammt!

++16:43 ++ Die Frau die nach Opa und Glühwein stinkt, scheint meine Erleichterung zu bemerken und schaut ungeniert in meine Richtung. Darf ich sie wegen sexueller Belästigung anklagen?

++ 16:44 ++ Ich weiß allerdings immer noch nicht, wie das Aachenspiel steht. Die Dortmunder führen also 2:0 gegen Schalke. Die Info war mir zu dem Zeitpunkt doch recht egal.

++ 17:18 ++ Nur noch wenige Meter bis zu meiner Wohnung. Es läuft “You’ll never walk alleng“ von Jupp Ebert in meinem MP3-Player. Ich lasse jetzt Gott entscheiden. Wenn danach die drei Atömchen trällern, glaube ich an ihn. Er mag mich wohl nicht, kommt nur höhnisch Musik aus Final Destination.

++ 18:05 ++ Tut mir wirklich leid für Rafati, Depressionen sind eine schlimme Sache. Aber ich will das Alemanniaspiel sehen! Jetzt, sofort!

++ 18:28 ++ Ja nee, 1860 gegen Eintracht kommt zuerst. Ist klar. Ich will keine Löwen und Adler sehen, sondern die Phönixe von den Kartoffelkäfer überrannt erblicken. Oder das Übliche, eine weitere Niederlage. Würde mich zu dem zeitpunkt nicht wundern. Gott war ja heute auch nicht auf meiner Seite, warum dann die Alemannia?

++ 18:32 ++ Aachen schwimmt im Offensivfeuer der Karlsruher, aber verbrennt nicht. Der Kurzbericht beginnt, wie das Spiel gegen die Eintracht. Ich warte jetzt auf irgendeinen Lapsus. Wie wär es mit Feisthammel, der auch lang kein Tor mehr erzielt hat? Hinter Waterman  wär noch Platz.

++18:34 ++ TOOOOOR! Und, au hur, es ist der Radu! Ehrlich, mit seiner Leistungsexplosion hätte ich nie gerechnet. Unter Funkel steigert er sich mehr und mehr. Jetzt steht er richtig, Ball, Schuss, Tor. 1:0. Ich schlage mein Sofa vor Freude.

++ 18:35 ++ Schon etwas schizophren, sich so über Vergangenes zu freuen, oder?

++ 18:36 ++ „Die letzten Minuten und Karlsruhe wird wieder stärker“ – der Kommentator weiß, wie er mich fertig machen kann.

++ 18:37 ++ TOOOOOOOOOR! Benni!!!!!!!!!!!!!! Runter vom Abstiegsplatz! Zwei neue Toptorschützen! Gegentorlos! Ein nahezu perfekter Nachmittag.  Danke Alemannia, dass ihr doch noch gewinnen könnt. Wochenende gerettet.

++ 18:39 ++ Soll ich vielleicht demnächst allen Aachenspielen fernbleiben? Wenn sie dafür immer gewinnen? Verlockend. Aber das würde ich nicht aushalten. Meine Stadt, mein Verein, er gehört einfach dazu. Und jetzt die letzten 18 Spiele nur Siege wäre auch irgendwann langweilig, oder?


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