Ein spannender Abenteuerroman nicht nur für Jugendliche

Von Nicsbloghaus @_nbh
24. Januar 2015 / SRK / 0 Comments

Peter Erfurt lädt die Leser sei­nes Jugendbuches “Der Reiter des Königs” auf eine Zeitreise in Richtung Hindukusch ein, wo im 21.Jahrhundert nach den Worten eines gewe­se­nen Bundesministers “Deutschlands Sicherheit ver­tei­digt wird” und wo NATO-Soldaten vor­geb­lich dafür sor­gen, daß in ent­le­ge­nen afgha­ni­schen Dörfern Brunnen gebohrt wer­den und Mädchen zur Schule gehen dür­fen… Dieser Minister, wie auch andere Politiker und Medien erzäh­len, ohne vor Scham zu erster­ben, mit Vorliebe sol­che und ähn­li­che Märchen, wenn es um Kriege gegen andere Völker geht, um Völker im isla­mi­schen Kulturkreis. Das ist Peter Erfurts Sache nicht, zumal er Afghanistam aus eige­nem Erleben kennt.

Nein, Peter Erfurts span­nungs­ge­la­de­ner Abenteuerroman führt zurück in das Afghanistan der 1920er Jahre, als König Amanullah mit behut­sa­men Reformen ver­suchte, sein Land vom Mittelalter und gerade erst über­wun­de­ner bri­ti­scher Kolonialherrschaft in die Gegenwart sei­ner Zeit zu füh­ren. Für viele Afghanen gilt übri­gens heute die Königszeit zwi­schen 1919 bis 1974 als glück­li­che Zeit, trotz auch damals vor­han­de­ner Zwiste. Solch ein Zwist zwi­schen könig­li­chen Reformen und reak­tio­nä­rem Mullah-Widerstand bil­det den Hintergrund der erzähl­ten fik­ti­ven Geschichte.

Die Helden sind zwi­schen 16 und 18 Jahre jung: Mohammed Durrani, Paschtune und Sohn eines nicht begü­ter­ten Dorfoberhauptes aus könig­li­chem Geschlecht, und Afzal Younus, Sohn eines zu Reichtum gekom­me­nen turk­me­ni­schen Pferdehändlers. Beide Jungen betrach­ten sich trotz unter­schied­li­cher Herkunft als Freunde. Beide eint ein Wunsch, sich als Reiter für das tra­di­tio­nelle Reiterspiel Buzkashi aus­bil­den zu las­sen, um danach beim natio­na­len Wettkampf vor dem König Ruhm und Ehre zu gewin­nen. Beide wer­den des­halb von ihren Vätern nach Masar-i-Scharif geschickt, um dort die ent­spre­chende rund zwei­jäh­rige Ausbildung zu durch­lau­fen. Doch in die­ser Zeit geht eher unmerk­lich die Freundschaft der bei­den Jungen in die Brüche, denn Afzal ist von Ehrgeiz zer­fres­sen und will den ihm über­le­ge­nen Mohammed aus­ste­chen. Vor der Prüfung für die Aufstellung der Provinzmannschaft durch­trennt Afzal unbe­merkt Mohammeds Sattelgurt, so daß die­ser - obwohl bis dahin bes­ter Kandidat - schließ­lich stürzt und aus­schei­det. Nicht nur Mohammed und sein Vater ver­mu­ten einen Sabotageakt, doch kei­ner kann die­sen bewei­sen. Afzal wird anstelle von Mohammed nomi­niert. Doch der Besitzer des Reitstalls trifft eine weise Entscheidung; Mohammed darf den­noch und zwar als Ersatzreiter mit auf die Reise in die Hauptstadt gehen.

Die Reise führt über die schrof­fen Gipfel des Hindukusch und soll sich bald als über­aus gefähr­lich erwei­sen. Die Karawane wird von auf­rü­he­ri­schen, königs­feind­li­chen Banditen über­fal­len. Während Mohammed tap­fer kämpft, hat sich der groß­mäu­lige Afzal vor lau­ter Feigheit ver­kro­chen. Als das offen­bar wird, sto­ßen die Reiter den Feigling aus ihren Reihen und Mohammed wird nun doch voll­wer­ti­ges Mannschaftsmitglied. Afzal gerät zunächst aus ihrem Blickfeld.

In Kabul wird dann die Mannschaft aus Masar-i-Scharif zwar nicht Sieger, wohl aber bril­liert der junge Mohammed als bes­ter Einzelkämpfer und wird vom König mit einer Standarte und dem Ehrentitel Khan aus­ge­zeich­net. Nach eini­gen Tagen geht es zurück in die hei­mat­li­che Provinz, aber dies­mal auf einem schein­bar unge­fähr­li­che­ren Weg. Auf ihrer Reise wer­den die Reiter erneut von den Banditen über­fal­len. Groß ist die Über­ra­schung, als sie in einem der Anführer den ver­rä­te­ri­schen Afzal erken­nen müs­sen. Dieser raubt nicht nur Mohammeds Standarte, son­dern tötet dar­über hin­aus auch noch den Mannschaftsführer, sei­nen eige­nen Onkel.

Nach der Rückkehr ins Heimatdorf berat­schlagt Mohammed sich mit sei­nem Vater, wie er am bes­ten den Verräter bestra­fen kann. Zu Mohammeds Über­ra­schung erscheint eines Tages auch Afzals Vater, bit­tet um Entschuldigung für des­sen Untaten und bestärkt Mohammed in sei­nen Plänen. Denn Afzal habe doch auch die Ehre der eige­nen Familie töd­lich ver­letzt und müsse daher sei­ner Strafe zuge­führt wer­den.

Nun beginnt Mohammeds Suche nach Afzal, die ihn bis nach Nuristan führt. Über­all auf sei­nem Wege stößt er auf Afzals Spuren: Mord, Raub, auf­rüh­re­ri­sche und prah­le­ri­sche Lügenreden, sogar Vergewaltigungen. Und als Afzal gewahr wird, daß Mohammed ihm dicht auf den Fersen ist, läßt er es an ver­leum­de­ri­scher Hetze gegen der frü­he­ren Freund nicht feh­len… Und immer wie­der gelingt es Afzal, sich mit Heimtücke und Hinterlist aus der Schlinge zu zie­hen. Doch Mohammed gibt nicht auf. Zumal er sich in Nuristan in eine junge Frau ver­liebt hat, die eben­falls ein Opfer des ver­lo­ge­nen und bru­ta­len Afzal gewor­den ist. Auch sie will Rache… Was auf die­ser Spurensuche im ein­zel­nen geschieht, das soll aber hier nicht wei­ter aus­ge­führt wer­den.

Wird es Mohammed gelin­gen, Afzal zu stel­len und ihn sei­ner Strafe zuzu­füh­ren? Das bleibt zunächst offen. Und dem für das Jahr 2015 ange­kün­dig­ten Folgeband “Die Rose von Nuristan” vor­be­hal­ten.

Dieses Buch ist für­wahr ein ech­ter Abenteuerroman, span­nend erzählt und vol­ler über­ra­schen­der Wendungen und Entwicklungen. Und es ist kei­nes­wegs nur für jugend­li­che Leser geeig­net, son­dern eigent­lich für jedes Alter.

Dieses Buch ist aber mehr als nur ein Abenteuerroman, denn es macht den Leser auch mit der Geschichte, den ein­zel­nen Ethnien, ihren Sitten und Gebräuchen, den gel­ten­den Moralgesetzen der ein­zel­nen Stammesgesellschaften ver­traut. Die Nationenbildung hatte damals erst begon­nen und ist heute immer noch nicht abge­schlos­sen. Und so hilft das Buch auch, heu­ti­ges Geschehen in die­sem Lande etwas bes­ser zu ver­ste­hen, das seit 35 Jahre unter einem blu­ti­gem Bürgerkrieg und aus­län­di­scher Invasion und Besatzung lei­det. Damals wie heute geht es um gesell­schaft­li­chen Fortschritt, um den Kampf zwi­schen Modernisierern aus den städ­ti­schen Oberschichten und reak­tio­nä­ren Stammesführern und ebenso reak­tio­nä­ren kle­ri­ka­len Hetzern, den Mullahs. Leidtragende einst wie heute waren und sind die ein­fa­chen Leute. Damals im Bürgerkrieg von 1928/29 tru­gen dazu noch riva­li­sie­rende Prinzen zum Scheitern des Königs bei.

Und noch eines soll unbe­dingt erwähnt wer­den. Peter Erfurt ver­steht es nicht nur, mensch­li­che Leidenschaften, wie Haß und Neid, son­dern auch sons­ti­ges zwi­schen­mensch­li­ches Verhalten lebens­echt zu beschrei­ben. Hier sol­len nur die ori­ent­ty­pi­sche blu­men­rei­che Sprache unter­ein­an­der und gegen­über Respektpersonen oder das Feilschen auf dem Markt erwähnt sein, oder aber Inhalte pries­ter­li­cher Haßpredigten. Gleiches gilt für über­aus anschau­li­che Beschreibungen der Landschaften und des alten Kabul, der Königlichen Familie oder der Turnierkämpfe.

Löblich ist nicht zuletzt das beige­fügte Sachwortverzeichnis.

Dieses sehr gut und vol­ler Empathie geschrie­bene zweite Buch des Buntstein-Verlages (Buntstein - das ist wirk­lich Understatment!) ist rundum gelun­gen und darf des­halb durch­aus als Edelstein bezeich­net wer­den. Der Rezensent emp­fiehlt es gerne wei­ter und ist selbst über­aus gespannt auf die Fortsetzung.

Siegfried R. Krebs


Peter Erfurt: Der Reiter des Königs. Roman. 156 S. Klappenbroschur. Buntstein-Verlag. München 2014. 9,99 Euro. ISBN 978–3–95669–023–5

Erstveröffentlichung Freigeist Weimar