AB 1. SEPTEMBER IM KINO! ©Paramount
Es ist die alte Leier. Hollywood fallen keine neuen Ideen ein, sie recyceln, rebooten, drehen sich im Kreise. In etwa so, wie es die Kritiken tun, die beinahe wöchentlich über neue Remakes und Reboots berichten und darüber herziehen. Glaubt uns Kritikern, wenn wir sagen: Wir hätten es gerne anders. Es ist nicht in unserem Sinne, Filme zu verreißen – egal ob Superheldenfilm oder der neueste Adam Sandler. Wir lieben Filme. Uneingeschränkt. Unsere Liebe für das Medium geht sogar so weit, dass wir unsere Freizeit damit verbringen und für wenig bis gar kein Geld sogar noch drüber schreiben. Dementsprechend geht unsere Zuneigung noch um einiges tiefer als es mancher Filmfan wahrhaben will. Wir wollen gute Film sehen, Filme, die ihre Geschichte rund erzählen, deren Figuren Tiefe haben. Film ist mehr als bloß Unterhaltungsprodukt, auch wenn das im Multiplexzeitalter kein Kinogänger mehr versteht.Doch warum diese Einleitung? Der Grund ist – wie könnte es anders sein – ein Remake. „Ben Hur“, einer der stilprägendsten Filme aller Zeiten, hat es getroffen. Das Epos (hier trifft die Bezeichnung tatsächlich zu!) scheint sein Verfallsdatum überschritten, die Gier der Produzenten jedoch geweckt zu haben. Unter dem Deckmantel der Modernisierung klopft der russische Krawall-Regisseur Timur Bekmambetov ein Werk aus CGI-Pixelmasse, das es zu (fast) keiner Zeit mit dem Original aufnehmen kann. Zwar hangelt sich auch die Neuauflage an der Buchvorlage entlang, von der inneren Zerrissenheit seiner Charaktere kann sie doch nur träumen.
Haben die schon damals die rechte Hand gehoben?!! ©Paramount
Der Konflikt zwischen den ungleichen Brüdern Judah und Messala ist zwar nachvollziehbar, kann aber keine emotionale Bindung hervorrufen. Dafür bleiben Jack Huston (großartig in „Boardwalk Empire“) und Tobby Kebbell (Ork Durotan in „Warcraft“) viel zu blass, deren Beziehung nicht interessant genug. Nebenbei hüpft Morgan Freeman mit „Battlefield Earth“-Gedächtnisfrisur im Erklärbärmodus durch den Film. Die größte und wichtigste Fehlbesetzung findet sich allerdings hinter der Kamera. Wer auf die Idee gekommen ist, Timur Bekmambetov wäre der richtige Mann für „Ben Hur“, sollte seinen Job an den Nagel hängen. Bekmambetovs Welt ist die des Style over Substance, des kurzweiligen Spaßes, der geleckten und pfeilschnellen Actionszenen. Das hat in „Wanted“ und „Wächter der Nacht“ noch funktioniert – hier nur selten. Nur weil ein Regisseur mit „Abraham Lincoln Vampire Killer“ bereits historische Gefilde plünderte, empfiehlt er sich nicht für ernsthafte Historienepik.Doch gibt es hier und da Momente, die überzeugen. Der Marsch der Römer durch Jerusalem etwa, der dank angespannter Stadtbewohner und Marschmusik hochatmosphärisch ist. Oder die Sequenz auf der römischen Galeone, die Bekmambetovs visuelles Talent mit packendem Storytelling verbindet. Das sind Momente, die sich in Sachen CGI auf das Nötigste beschränken und gerade deshalb vor Intensität strotzen. „Ben Hur“ wäre natürlich nicht „Ben Hur“ ohne sein Wagenrennen, das zu weiten Teilen ordentlich inszeniert ist. Lediglich die schlecht animierten CGI-Schnitzer irritieren – wie auch im Rest des Films.
Fazit
Insgesamt ist „Ben Hur“ also nicht völlig misslungen. Die Sinnhaftigkeit des Unterfangens sowie die Besetzung lassen allerdings erhebliche Zweifel am Sachverstand der Produzenten aufkommen. Ist es heutzutage denn so schwer Blockbuster auf die Beine zu stellen, die sich um ihre Figuren scheren? Im Vergleich zum Original ist die Neuauflage nämlich so chancenlos wie ein Wagenrennen zwischen einem Pferde- und einem Schildkrötengespann. Bitte, liebes Hollywood, mach uns Kritiker und Filmfans wieder glücklich. Wir wollen es doch auch.©Paramount
BEWERTUNG: 4,5/10Titel: Ben HurFSK: ab 12 freigegebenLaufzeit: 123 MinutenErscheinungsjahr: 2016Autoren; Keith R. Clarke, John RidleyRegisseur: Timur BekmambetovDarsteller: Jack Huston, Toby Kebbell, Morgan Freeman, James Cosmo, Rodrigo Santoro, Nazanin Boniadi, Ayelet Zurer