Letzte Woche ist etwas passiert, womit ich nicht so ganz klar komme und ich viele Fragen in meinem Kopf habe, die mir aber wohl kaum jemand beantworten kann. Ich habe schon angedeutet, was ich erlebt habe aber ich denke, dass ich Euch noch die ganze Story schuldig bin. Vor allem warum ich wirklich so extrem schockiert war und auch noch bin. Alles fing damit an, dass ich spazieren gegangen bin. Eine schöne Runde, da es mal etwas trockener und wärmer war. Gummistiefel hatte ich zwar an aber ich trug keine Jacke. Habe auch vergessen, mir eine um die Hüfte zu binden. Ich habe ja nicht gewusst, was alles auf mich zukommen wird.
Der Spaziergang war sehr schön. Wie immer sehr entspannend und ich habe meinen Kopf frei bekommen. Dann habe ich ein Reh gesehen. Das ist nicht gerade untypisch, da wir hier sehr ländlich leben. Hier sagen sich Fuchs und Hase wirklich noch gute Nacht. Ich ging weiter und dachte, dass das Reh sich bestimmt gleich vom Acker macht. Es hat aber nicht einmal wirklich wahr genommen, dass ich kam, Als ich auf meinen Weg weiter wollte, bemerkte es mich und wollte weg. Es versuchte zu rennen aber während es lief, schleuderte das rechte Hinterbein einfach so in der Luft rum als würde nur noch die Haut und das Fell das Bein am Körper halten.
Plötzlich sah ich das Reh nicht mehr und ich schaute genauer hin denn es konnte ja nicht weg sein. Es lag auf einer Wiese und streckte ein Vorderbein in die Luft. Ich ging näher ran und sah das Häufchen Elend da liegen. Es war verletzt. Nicht nur das Bein war betroffen. Es hatte auch eine ältere Wunde am Bauch, die schon von Fliegen befallen war.
Da ich Tiere liebe und helfen wollte, rief ich bei unserer Tierärztin an. Diese teilte mir mit, dass sie nicht zuständig wäre und ich Förster, Jäger oder Polizei informieren sollte. Wie gut, dass ich immer ein Handy dabei habe und eine Flatrate habe. Somit konnte ich nach einem Jäger googeln. Doch ich fand keinen bei mir in der Nähe. Woher sollte ich auch wissen, wer für mich zuständig ist? Ich rief also bei der Polizei an. Diese sagte, dass unser Ort nicht in ihrem Bereich liegt, sie es aber an die Leitstelle weiterleiten würde, die für uns zuständig wäre. Also stand ich da bei dem Reh, was ein Rehbock war und rief meinen Mann an, damit ich nicht alleine in der Pampa stehen musste. Er kam auch recht fix und wir dachten auch, dass es jetzt schnell gehen würde.
Die Polizei rief mich an, dass diese den zuständigen Jäger erreicht hätten und dieser gleich kommen würde. es kam und kam und kam keiner. Dann sahen wir ein Auto welches in unsere Richtung kam, dann aber wieder verschwunden ist. Mein Handy klingelte – es war der Jäger. “Waren sie das da unten im Feld?” Öhm ja – das war ich. Seine Antwort “Das ist nicht mein Bezirk. da darf ich nicht hin. Vor allem nicht mit einer Waffe. Ich rufe meinen Kollegen an. Warten Sie bitte noch 5-10 Minuten bei dem Tier.”
Moment – was sagte er da? Waffe? Bezirk? Warum Waffe? Er soll dem Tier helfen. Zum Arzt bringen, dem Bein eine Schiene verpassen und die Wunde säubern. Wozu benötigt er eine Waffe?
Zwei Stunden vergingen und wir standen noch mitten im Feld. Es wurde spät und ich dachte, ich würde erfrieren. Meinem Mann ging es nicht besser, da ich ihn aus der Dusche geklingelt habe und er in Shirt und Short mitten auf dem Feld stand. Ich rief den Jäger nochmal an (mein Akku war fast leer) und fragte, wann denn nun der Kollege kommen würde. “Wie? Ist der noch nicht da? Stehen sie etwa noch da?” Ähm ja – ich sollte doch warten. “Ich melde mich gleich nochmal” und weg war er.
Ungefähr zwanzig Minuten später kam ein Polizeiwagen auf uns zu. Vorne zwei Polizisten und hinten entweder Azubis oder Praktikantinnen. Es waren auf jeden Fall zwei sehr junge Mädchen, die ebenfalls ausgestiegen sind.
“Gehen Sie da mal weg” sagte die Polizistin. Der Polizist erklärte uns, dass es jetzt laut werden würde und wir uns die Ohren zuhalten müssten. Ich fragte ihn, ob das denn überhaupt sein muss. Er sagte ja und erklärte mir dann, dass das Gleichgewicht gehalten werden müsse und somit ein gesunder Rehbock oder ein gesundes Reh weiter leben dürfe. Und schon knallte es. Der Rehbock sprang auf und rannte weg. Das Bein wie vorher in der Luft, die Polizistin geschockt und sagte “Ich habe ihn aber getroffen”.
Einige Meter weiter fiel der Rehbock ins Gras und der Polizist erklärte uns noch einiges aber ich sah den Bock und die Polizistin und genau in dem Moment drückte sie ab und erschoss das arme Tier. Ich wollte nur noch weg – wollte ich vorher schon aber da der Polizist erzählte ja noch und ich bin nicht unhöflich. So habe ich gesehen, wie das Tier hingerichtet wurde. Dann kamen die zwei jungen Hühner und fragten den Polizisten, ob sie gucken gehen dürfen. Habe ich mich verhört? was wollen die? Es wurde gerade ein Tier getötet…
Auf dem Heimweg wurde mir bewusst, dass der kleine Rehbock wegen mir sterben musste. Nur, weil ich ihm helfen wollte. Ich wollte, dass er eine gute Behandlung bekommt und er dann wieder laufen kann. Nein – er wurde getötet, weil ich ihm helfen wollte.
Meine Familie hat mir gesagt, dass er eh nicht lange überlebt hätte und so qualvoll hätte sterben müssen oder er wäre von den Füchsen gefressen worden. Das stimmt zwar, hilft mir aber nicht wirklich, da ich dem Böcklein helfen wollte. es sollte nicht sterben… Zwei Stunden stand ich bei ihm, redete mit ihm und er blieb liegen. Er vertraute mir und merkte, dass ich ihm nichts tun werde. Doch ich habe ihm was getan. Ich habe seine Mörder angerufen. Egal wer es gewesen wäre. Jäger oder Polizei – wegen meinem Anruf musste das Tier sterben.
Ich weiß, dass er auch so gestorben wäre
Aber das, was ich eben beschrieben habe, geht die ganze Zeit in meinem Kopf rum. Ich liebe Tiere und will, dass es ihnen gut tut. Ich bin nicht umsonst bei Peta und dem “Deutschen Tierschutzbund”. Das war ein sehr grässliches Erlebnis und das nagt jetzt noch an mir. Ich habe beschlossen, meine Einstellung radikal zu ändern. Ich möchte nicht, dass ein Tier sterben muss. Weder so, noch um auf dem Teller zu landen oder was auch immer. Tiere haben genau das Recht zu leben, wie wir Menschen. Tiere sind keine Gegenstände, die man einfach “entsorgen” kann und der Mensch sollte aufhören, Gott zu spielen und über Leben und Tod zu entscheiden.
Manche Menschen sind die größten Monster oder Raubtiere – nicht die Tiere… Tiere sind die treusten Lebewesen, die es gibt. Sie verzeihen alles und kommen immer wieder und der Mensch (zum Glück sind nicht alle Menschen so) nutzt das schamlos aus.
Eure sehr nachdenkliche Frozen