Dieser Schneemann hat mir über die Jahre schon einige fragende Blicke eingebracht. Denn er wohnt in meiner Kühlschranktüre. Wo sonst sollen Schneemänner auch leben, die schmelzen doch sonst. Heute als ich mir die Milch für meinen nachmittäglichen Kaffee aus dem Kühlschrank holen wollte, hab ich ihn wieder einmal entdeckt.
Es muss damals gleich zu Studienbeginn gewesen sein, glaube ich mich zu erinnern. Aus einem Überraschungsei kann er nicht stammen, dazu ist er zu groß. Ich weiß nur noch, dass es im ersten Studentenwohnheim gewesen sein muss, in der geräumigen Wohnküche mit dem großen Röhrenfernseher auf den zwei hölzernen Teekisten. Was für eine schräge zusammengewürfelte Truppe wir waren, 7 Studenten, alle unterschiedlich alt, mit unterschiedlichen Geschichten im Gepäck. Der BWL-Student, der damals schon einen Audi fuhr, immer das neuste Handy besaß und mit Wertpapieren handelte, die Soziologie-Studentin, die sich die schrägsten Typen anlachte und für ihren Professor schwärmte. Der ewige Student, der immer zuhause war und ein kleines Alkohol-Problem hatte. Oder der Erstsemestler, der erschrak, wenn man ihn ansprach.
Diese Eindrücke sind mir geblieben, manchmal frage ich mich, was aus all diesen Menschen geworden ist, mit denen ich einen kleinen Teil meines Lebens geteilt habe. Der Schneemann in meinem Kühlschrank hilft mir mich ab und zu daran zu erinnern, dass das Leben aus vielen solchen kleinen Begegnungen besteht.
Mittlerweile begleitet mich der Schneemann seit etwa 15 Jahren und hat schon in einigen Wohnungen gelebt. Und heute da berührte er mich und holte mich kurz aus meinem Alltag. Immer, wenn ich ihn sehe, muss ich schmunzeln, denn ein klitzekleines bißchen Verrücktheit hat noch keinem geschadet.