Der Straßenverkehr
Jamaikaner und Autofahren – das ist tatsächlich ein wichtiger Aspekt, wenn man als Selbstfahrer auf der Insel unterwegs ist. Wir trafen auf ein Schweizer Pärchen, das uns ebenfalls bestätigte, was wir mehr als einmal erlebt haben: wenn sich ein normalerweise ausgeglichener und entspannter Jamaikaner hinter das Steuer setzt, unterzieht er sich jedes Mal einer Art kompletter geistiger Wandlung. Jamaikaner fahren, wenn ich es jetzt auf gepflegt Fränkisch formulieren würde, „wie die Gsenngtn“. Zu Deutsch: sie fahren wir die Irren. Nichts ist mehr übrig von dem sympathischen Volk, sobald es ein Lenkrad in der Hand hält. Es wird pausenlos gehupt, links wie rechts überholt, gedrängelt, geflucht und wild gestikuliert. Ampeln werden ignoriert und nachts wird auch ohne Licht oder wenn dann mit blendendem Fernlicht gefahren. Dazu kommen die vielen Schlaglöcher, die oftmals tiefe Krater sind, die vielen Ziegen auf der Straße (Ziegencurry ist eine nationale Leibspeise…), Bauern auf Eseln, Kinder auf Fahrrädern und in den Städten Fußgänger von allen Seiten. Und nicht zu vergessen, der Linksverkehr, an den man sich erst einmal gewöhnen muss, weil nicht nur links gefahren wird, nein, auch im Auto ist tatsächlich alles spiegelverkehrt – der Fahrer sitzt rechts!!!
Ich steige zum ersten Mal in unseren Mietwagen, einen Toyota Corolla ein. Eigentlich ein Mietwagentyp, mit dem ich gut klarkomme und den ich sehr gerne fahre. Doch was ist das, ach du Schreck – ich muss auf der rechten Seite einsteigen??? „Yes Ma’am“ antwortet der Herr von der Mietwagenfirma auf dem Parkplatz vor dem Flughafen. Ach herrje denke ich mir und setze mich ins Auto. Dann der nächste Schock – ein Automatik Auto! Wie in aller Welt soll ich die nächsten neun Tage unfallfrei überstehen? Andererseits, mit der linken Hand ein Schaltgetriebe betätigen wäre ja noch dümmer… okay, ich freunde mich damit an, dass wir in den kommenden Tagen bestimmt öfter einmal ungewollt heftig mit dem Kopf nicken werden. Und dann geht’s richtig los: alles ist verkehrt herum, Blinker, Scheibenwischer (ja es beginnt gerade in diesem Augenblick zu tröpfeln), Anzeige, Geschwindigkeit ist in Meilen angegeben, und das alles nach einem 10stündigen Langstreckenflug. Leicht verzweifelt schaue ich in den Rückspiegel und sehe meine Tante auf der Rückbank mit ebenfalls besorgtem Blick und dem Satz „Also ich werde sicherlich NICHT fahren“. Toll. Irgendwie schaffen wir es vom Flughafenparkplatz und die knapp 1,5 Kilometer bis zu unserem Hotel in Montego Bay. Dort wird das Gefährt erst einmal abgestellt. Puuuh. Aber am nächsten Morgen muss ich mich wieder der Aufgabe stellen – Berg anfahren, Linksverkehr, überall viele Autos und Menschen auf der Straße und ein nicht ganz aktuelles Navi an Bord. Prima! Wir bewegen uns langsam stadtauswärts auf dem Weg zu unserem ersten Termin – Hotelbesichtigung des Roundhill Hotels & Villas, ca. 30 Fahrtminuten von Montego Bay entfernt. Und schon an der ersten großen Ampelkreuzung passiert er mir, der typische Fehler im Linksverkehr: Ich biege auf der zweispurigen Straße nach rechts ab – auf die rechte Spur, wo mir zwei Reihen hupender Jamaikaner entgegenblicken. Mir bleibt nichts anders übrig als zu Lachen, auf der Kreuzung rückwärts zu fahren und auf die linke Spur zu wechseln. Das werde ich mir aber für die kommenden Tage merken.
Und tatsächlich, war das das einzige Mal, dass mir das passiert ist… am dritten Tag habe ich mich an Straßen und Fahrstil gewöhnt. An Tag 4 kommen wir sogar im Riesengewitter mit Straßenüberschwemmungen sicher im Hotel an. Und an Tag 5 sagt meine Tante doch glatt zu mir, dass ich selbst schon fast wie die Jamaikaner fahre… :-)
Also, wer wirklich vorhat auf Jamaika mit dem Auto zu fahren – wir haben es auch geschafft. Wirklich, man sollte keine Angst haben. Man sollte nur wissen, worauf man sich einlässt und dass es wirklich anstrengender ist, zwei Stunden auf Jamaika zu fahren als 8 Stunden auf deutschen Autobahnen. Jeder, der die rush hour in deutschen Großstädten kennt und meistert, kann auch im jamaikanischen Straßenverkehr bestehen.
Drei goldene Regeln für Ausländer:
1. Fahre defensiv - Der Jamaikaner hat im Zweifel IMMER Recht.
2. Fahre IMMER konzentriert und erlaube Dir keine Ablenkung – oder das nächste Schlagloch zahlt es Dir heim.
3. Rechne mit allem – es gibt nichts, was es nicht gibt.
Ich empfehle außerdem jedem die Anmietung eines Navigationsgeräts. Eine lohnenden Investition, auch wenn es nicht immer up to date war und uns im Landesinnern auch einmal falsch gelotst hat.