Ein Reise-Experiment mit den Kindern

Ich habe mich getraut und ein Experiment gewagt, das lange Zeit sowohl logistisch, aber vor allem nervlich und kräftemäßig meinerseits nicht möglich gewesen wäre: ich habe mit den Kindern und meinen Eltern einen Kurzurlaub in unserem Lieblingsferienpark, den die Kinder kennen und mögen, verbracht. Bisher war ich erst ein Mal, im September letzten Jahres, mit beiden Kindern bei meinen Eltern gewesen, da die Fahrtstrecke einfach zu lang ist. Das war für mich schon eine recht aufregende Herausforderung gewesen und ein Stein fiel mir vom Herzen, als wir wohlbehalten und ohne Katastrophen wieder zuhause waren. Nun wollte ich mir gern einen weiteren Schritt zutrauen und einen Kurzurlaub zusammen verbringen. Ganz allein mit den Kindern würde ich definitiv noch nicht und erst recht nicht im Moment, wo wir gesundheitlich alle so instabil waren/sind, verreisen. Deshalb holte ich meine Eltern ins Boot. Da ich noch Resturlaub hatte, schlug ich unseren bekannten Ferienpark vor und wir buchten zwei Appartments für 3 Nächte. Zusätzlich musste ich die An- und Abfahrt organisieren, da ich trotz Führerscheins leider seit Jahren nicht mehr Auto fahre, was meine Flexibilität zumindest außerhalb Berlins ziemlich einschränkt.
Was hinzukam, waren die Überlegungen, ob sich Aufwand und Nutzen die Waage halten würden. Aus Erfahrung weiß ich mittlerweile, dass ich erstens immer zuviel Entlastung von solchen Aktionen erwarte und zweitens die potentiell entlastenden Personen oft sogar noch eine zusätzliche BElastung sein können, weil sie Unruhe, Unkenntnis der Kinder, ungeliebte Erziehungsvorstellungen und -praktiken und ihrerseits eine Erwartungshaltung, die ich nicht zu erfüllen gewillt bin, mitbringen, was sich schon oft zu einer explosiven Mischung hochschaukelte. Insofern ist eine solche Unternehmung ein Risiko und mit viel Aufregung und Nervosität verbunden. Da ich immer alle Möglichkeiten vorher durchdenke, wäre das schwierigste Problem gewesen, wenn ich akut ausgefallen wäre, z.B. durch Magen-Darm, und meine Eltern allein verantwortlich für die Kinder gewesen wären. In der vertrauten Umgebung hätte dies aber sicherlich auch funktioniert.
Ein Reise-Experiment mit den Kindern
Wir fuhren am Mittwoch, 9. März, mittags mit dem Fernbus ab, nachdem uns mein Mann zum Abfahrtsort gebracht hatte, da dies mit Koffer, Buggy, Autokindersitz (den die Kleine im Bus noch braucht), Rucksäcken und 2 Kindern für mich allein schlicht nicht möglich gewesen wäre. Das ist auch ein Faktor, der solche Aktionen sehr umständlich macht. Mit dem Zug fahren möchte ich aber nicht, da die Kleine zur Zeit gern und oft wegläuft und keine Scheu hätte, durch den gesamten Zug zu entwischen. Das wäre definitiv zu stressig. Die Fahrt verlief bis auf ein fast durchgehend quengelndes Baby gut, meine Eltern holten uns ab und wir fuhren zusammen in den Ferienpark, bezogen unsere Appartments und machten danach noch einen sonnigen Spaziergang inkl. Spielplatzbesuch. Ich hatte vorher klar kommuniziert, dass ich mich nicht um Nahrung und Essenmachen kümmern und an den Vormittagen gern Freizeit haben möchte. Meine Eltern verbrachten also die Vormittage mit den Kindern im Kinderhaus bzw. auf dem Spielplatz und meine Mutter kümmerte sich um jede Mahlzeit, so dass ich gar nichts im Kühlschrank unseres Appartments hatte. An den Nachmittagen unternahmen wir etwas gemeinsam. Das finde ich erstmal grundsätzlich einen fairen Deal und er wurde auch eingehalten, auch wenn ich morgens Druck machen musste, damit die Meute tatsächlich verschwindet.
Ein Reise-Experiment mit den KindernAusflug in den Wildpark
Was ich mir insgeheim versprochen hatte, war, dass der Große sich komplett bei meinen Eltern im Appartment einquartiert und ich mich somit generell nur um ein Kind zu kümmern hätte. Das wollten meine Eltern aus Ansteckungsgründen nicht (sie waren erkältet, wir aber auch). So hatte ich täglich beide Kinder allein morgens und abends fertigzumachen und zum Mittagsschlaf sowie abends ins Bett zu bringen, was zwar kein Problem ist, was ich aber zuhause zum Glück nicht oft habe. Tatsächlich war es das erste Mal, dass ich drei Tage am Stück beide Kinder allein ins Bett gebracht habe. Das war also "Mehrarbeit" für mich. Ebenso war mein Feierabend kürzer als zuhause, weil ich vorsorglich früher ins Bett gegangen bin. Man weiß ja nie, wann die Kinder wach werden; zuhause beschäftigen sie sich meist morgens noch allein im Kinderzimmer, aber im Urlaub ist das was anderes. Dafür hatte ich etwas früher als zuhause Feierabend, weil ich das Programm gestrafft habe und die Kinder wegen ausgefallenem bzw. kurzem Mittagsschlaf müde waren. Rechnet man nun die mit den Kindern verbrachten Stunden gegeneinander, so ergibt sich ein Verhältnis von 21 h bei mir vs 9-10 h pro Tag bei meinen Eltern. Also irgendwie nicht so befriedigend. Klar hatte ich in der gemeinsamen Zeit Entlastung und die Kinder liefen gern hinüber ins Appartment, aber generell habe ich, wenn ich anwesend bin, ja schon die Verantwortung für die Kinder. Außerdem blieben damit die "unangenehmen" Aufgaben an mir allein hängen. Das hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt, auch wenn es natürlich funktionierte. Ich hoffte, dass wenigstens der Große ganztags und auch nachts in ihre Verantwortung übergeht. Dafür war keine Bereitschaft da und das finde ich traurig, wenn man schon zum ersten Mal mit den Enkeln Urlaub macht. Ebenso werden die Kinder nicht aus eigenem Antrieb mal auf einen Ganztagesausflug mitgenommen, um mich etwas länger zu entlasten.
Ein Reise-Experiment mit den KindernFußball mit Opa
Die Kinder verhielten sich in der ganzen Zeit sehr verträglich, es gab kaum Streit, Zickereien, Querelen und Kämpfe. Es wurde so gut wie gar nicht gebockt, gemotzt, gequengelt und sabotiert, sie waren so pflegeleicht, wie wir sie zuhause nie erleben. Der Große hatte fast durchgehend gute Laune, eine erstaunliche Leistung im Vergleich zu sonst. Er genoss die volle Aufmerksamkeit des Opas und musste sich nicht an seiner Schwester oder mir abarbeiten. Auch auf Bitten und Anweisungen reagierten sie schneller und kooperativer als zuhause. Schon lustig. Davon profitierte ich natürlich auch. Im Laufe der Tage ließ diese Wirkung allerdings nach und sie wurden wieder "normaler". Das war interessant zu sehen. Sie krochen dann wieder während der Mahlzeiten unter den Tisch, mussten beim Essen dringend auf die Toilette, meckerten beim Anziehen und wurden fordernder, was am Anfang nicht der Fall war. Ich denke also, würden sie mehr Zeit als alle paar Monate mal mit den Großeltern verbringen, würden sie sich fast wie zuhause verhalten. Leider hatte die Kleine ab dem 3. Tag erhöhte Temperatur und auch ich war ja etwas erkältet. An den Nachmittagen machten wir kleinere Ausflüge zu fünft. Ansonsten blieb der Rhythmus so wie zuhause. Das Wetter war außer am ersten Sonnenscheintag neblig und kalt, aber trocken.
Ein Reise-Experiment mit den KindernNeblig und rau war es
Am Samstag, 12. März, fuhren wir mittags mit dem Fernbus wieder nach Hause. Das war wieder total entspannend und bequem. Mein Mann holte uns ab und die Kinder fremdelten weniger als beim letzten Mal. Am Nachmittag wurde gespielt, der Große hatte sich sehr auf seine erst frischen Geburtstagsgeschenke gefreut und ich war am Abend ziemlich müde und kaputt. Die Anspannung fiel ab...
Insgesamt würde ich sagen, war es zwar eine nette Abwechslung für mich, die ab und zu Ortsveränderungen mag und braucht, und auch nicht besonders stressig, aber der Nutzen, sprich Entlastungseffekt (2 x 2,5 h Freizeit + Essenszubereitung) wiegt den Aufwand bzw. die Aufregung irgendwie nicht auf. Das wäre erst der Fall, wenn ich ganze Tage entlastet oder auch vom Morgen- und Abendprogramm befreit wäre. Dann würde man sicherlich einen deutlicheren Entspannungseffekt merken. In 2,5 h MeTime schaffe ich es nicht annähernd, mich runterzufahren vom Dauerstress der letzten 5 Jahre. Das ist zuhause genauso.
Ich bin trotzdem stolz und zufrieden, dass alles so gut geklappt hat. Ich war die Ruhe in Person mit den Kindern, hatte alles gut im Griff und wir waren ein super Team. Die Kinder hatten Abwechslung durch die Großeltern und mich als sichere Bank im Hintergrund. Das ist für sie bestimmt schon beruhigender, als wenn sie ganz allein mit den Großeltern sind. Ich konnte auf vieles achten, was die Großeltern vernachlässigen, einerseits, weil sie die Kinder nicht so gut kennen, andererseits, weil sie es selbst anders gehandhabt haben. Das betrifft solche Dinge wie zu heißes Essen servieren, als auch das gleichberechtigte Einbeziehen und Befragen der Kinder. Da konnte ich einige Defizite auffangen. Der Große war beispielsweise auch danach viel ausgeglichener als sonst, wenn er ganz allein 3 Tage bei den Großeltern ist. Da merkt man dann nämlich zuhause schon, dass er einiges kompensieren muss.
Ein Reise-Experiment mit den Kindern
Natürlich verspürte ich auch ein wenig Neid (vor allem im Vorfeld) auf meinen Mann, der nun die zweite Auszeit ohne uns genießen konnte. Zwar ist das, was er in 5 Jahren Papasein bisher an mehrtägigen Pausen (bzw. über Nacht) hatte, auch verschwindend gering, aber es ist eben trotzdem das Vielfache von dem, was ich habe. Und es ist genau das, was ich mir auch mal wünschen würde, was aber im Moment (bzw. seit 5 Jahren) einfach nicht machbar ist. Die einzige Zeitspanne, in der dies möglich gewesen wäre, habe ich nicht genutzt. Das waren die wenigen Monate vor der Geburt der Kleinen, als der Papa es schaffte, den Großen allein nachts zu betreuen. Ich habe ja nicht damit gerechnet, dass die Kleine sich jahrelang so vehement gegen jeden anderen Schlafpartner außer Mama wehrt. So lange sie selbst niemand anderes außer Mama im Buggy schieben darf, wird sie mich auch nachts einfordern:-). Aber auch dies wird kommen.
Die Zeit mit den Kindern war schön, ruhig und wir sind noch mehr, als ohnehin schon, zusammengewachsen. Ich war ausgeglichen und nicht gestresst, worüber ich mich selbst gewundert habe. Trotzdem hätte ich mir noch ein wenig mehr MeTime gewünscht. Aber dafür war die Zeit einfach auch zu kurz. Es war richtig, für dieses Experiment einen vertrauten Urlaubsort zu wählen, wo alle sich wohlfühlen. Wenn ich nun noch motorisiert wäre und die Ungewissheit von Gesund-/Krankheit weniger einschneidend wäre, würde ich das öfter machen. Schritt für Schritt realistische Herausforderungen annehmen halte ich für sehr wichtig. So etwas hätte ich mir noch vor einem Jahr nicht zugetraut. Jetzt klappt es problemlos. Das ist toll und macht Mut.

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