Ein rassistischer Rentnern kämpft im Regen für ein rauchfreies Deutschland

Vorurteile gegenüber Zugewanderten stimmen meist nicht. Vorurteile gegenüber deutschen Rentnern aber schon. Das wurde mir vorgestern beim Warten auf die Bahn bewiesen, als ich miterlebte, wie ein rüstiger Opi gegen einen Raucher mit vermeintlich ausländischer Abstammung aufrüstete. Ob der arme Herr nun aus Köln oder einem fernen „Außerhalb“ (noch ferner als Düsseldorf womöglich) kam, weiß ich nicht. Wir standen ja alle nur an der Bahn und nicht an der Passkontrolle. Darum beschreibe ich ihn über das offensichtliche, er war Raucher, dunkelhaarig und trug einen schicken schwarzen Mantel. Der Rentner war weißhaarig, kleiner als der Raucher und trug eine hellgrüne, lasch hängende Jacke, die allseits als Anorak bekannt ist und seit den 90er Jahren eigentlich nicht mehr in Umlauf sein sollte.

Damit wären Ort und Personen des folgenden Dramas klar. Auf in die Handlung:

Es regnet. Ein grauer Freitagmorgen und Menschen warten auf die Straßenbahn. Es ist nicht sehr voll, aber die wenigen Menschen am Bahnsteig kauern mit hochgezogenen Schultern, um sich vor dem Ekelwetter abzuschirmen, unter der Überdachung. Ein Mann mit schwarzen Haaren und schwarzem Mantel stellt sich an die Seite der Haltestelle unter das Dach. Er sieht auf die Anzeige: 7 Minuten bis die Bahn kommt. Er nimmt eine Packung Zigaretten aus seiner Manteltasche und zündet sich kurz danach einen Glimmstängel an. Circa eine Minute später trifft ein weißhaariger, kleiner Mann in einem hellgrünen Anorak ein. Er stellt sich direkt neben den Raucher an den äußeren Rand der Überdachung. Nach knappen 30 Sekunden begrüßt er den Raucher mit den Worten: „Machen sie das aus!“ Der Mantelträger schaut verdutzt. „Machen sie das aus!“ Wiederholt der andere Mann und wippt dabei nicht nur mit der Stimme hoch, sondern auch leicht auf die Zehen, um den offensichtlichen Größenunterschied zu kontern.

„Aber ich stehe extra am Rand.“ Erklärt der Raucher ruhig. „Oder gehen sie woanders hin!“, keift der grüne Anorak.

„Aber ich stand zuerst hier.“ Er bleibt noch ruhig. Das macht womöglich das Nikotin, dachte ich.

„Bei uns geht das so nicht!“ Inzwischen keifte der Rentner laut genug, um die Frauen auf der Bank einen guten Meter weiter aufzuschrecken.

„Bei Ihnen? Ich wohne nicht bei Ihnen.“ Gute Antwort, finde ich. Punkt für den Raucher.

„Bei euch ist das vielleicht okay! Aber hier bei uns nicht!“ Die Zigarette ist nun ausgeraucht und damit das ruhespendende Nikotin aus dem Spiel. Langsam wird es dem Mantelträger zu doof. Der Anorak wettert weiter: „Hier geht das so nicht! Wir sind hier schließlich in Deutschland.“ „Jetzt wird’s mir langsam zu blöd!“, lässt sich der Mantel auf die Provokation ein. „Na, komm doch! Was willst du denn? So seid ihr drauf nicht wahr? Vermutlich ziehst du gleich dein Messer, oder? So läuft das doch bei euch?“ Der Anorak kommt in Fahrt. Ich stehe daneben und frage mich, ob ich mich zurückhalten könnte, wenn ich ein Messer zur Hand hätte. Der Mantel geht kopfschüttelnd und leise in seinen Kragen fluchend ein paar Schritte zur Seite. Scheinbar ist er nicht bewaffnet. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Denn das heißt, der Anorak kann weiterpöbeln und wir, die wir auf die Bahn warten, müssen es uns alle anhören. „So seid ihr drauf, jawohl! Aber hier in Deutschland gibt es Gesetze! So läuft das hier bei uns nicht.“

Dann kommt die Bahn und ich denke, das Stück ist vorüber. Ist es auch, zumindest fast. Der mit den weißen Haaren drängt sich, obwohl sonst niemand an dieser Tür einsteigt, eng neben dem schwarzhaarigen, um bloß keine Stufe nach ihm an der selben Tür in die Bahn zu kommen. Immerhin drinnen gelingt es dem Mantel sich weit vom Anorak wegzusetzen. Sein Kopfschütteln hält noch bis zur übernächsten Bahnstation an; meins noch für drei weitere…



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