Von Christian Sickendieck
Seit Google die Adblocker aus dem Play Store entfernt hat, ist eine
neue Diskussion entfacht worden. Die Einen argumentieren, meist
Entwickler, sie seien auf Werbung angewiesen um weiter Apps entwickeln
zu können, außerdem würde Google nur die Nutzungsbedingungen
durchsetzen. Die Anderen kritisieren Google, die EFF spricht gar von
Zensur (http://lallus.net/9qp).
Liebe
Entwickler, Ihr erinnert mich immer mehr an die notleidenden Verlage,
die für ein Leistungsschutzrecht kämpfen und an die Hinterwäldler der
Union, die für Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung und andere
netzpolitische Vorhaben kämpfen.
Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen?
Schon
das Argument, Google würde nur seine Nutzungsbedingungen durchsetzen,
steht auf wackeligen Beinen. Mal völlig davon abgesehen, ob Adblocker
andere Apps beeinträchtigen (der Datenverkehr des Smartphones wird im
Regelfall lediglich über einen Proxy geleitet, Werbung nicht
durchgelassen), gibt es in Deutschland das Gewohnheitsrecht: Jahrelang
hat Google Adblocker geduldet, der Erfolg von Android war immer auch der
Freiheit, die Anpassungsfähigkeit geschuldet (Open Source!), nun wird
auf einmal die Tür geschlossen? Rechtlich ist das mit Sicherheit nicht
eindeutig. Die Frage der Moral, das nicht gehaltene Versprechen von
Google, lassen wir mal ganz außen vor.
Mit dieser Entscheidung
Googles wird zudem manifestiert, was seit längerer Zeit auch auf
anderen Plattformen offenbar wird: Das offene Internet ist Geschichte.
In der Zukunft gibt es viele, geschlossene Ökosysteme.
Doch
darum soll es nur am Rande gehen. Es ist eigentlich ganz einfach: Ich
entscheide, was wie auf meinem Smartphone erscheint. Ich entscheide, ob
ich Werbung zulasse oder nicht. Das ist meine persönliche Freiheit. Ihr
wollt mir diese Freiheit nehmen? Was glaubt Ihr, wer Ihr seid? Der
Computer, das Smartphone zählt mittlerweile als ausgelagertes Gehirn.
Einzig und allein ich entscheide, was wie damit passiert. Wer mir aus
niederen, monetären Beweggründen vorschreiben möchte, wie ich dieses
nutze, den kann ich nicht mehr ernst nehmen.
Es gibt wahrlich
gute Gründe gegen Werbung, gerade wenn es sich um Android geht. Die
bisherige Offenheit ist zugleich die größte Schwäche. Im Play Store gibt
es unzählige Malware und andere halbseidene Angebote. Ihr merkt was:
Adblocker werden verbannt, andere Angebote mit halber Kraft angegangen.
Selbstverständlich schütze ich mich dagegen, auch mit einem Adblocker.
Google hätte an diesem Punkt ansetzen müssen, nicht aber bei den
Adblockern. Wer seid Ihr, dass Ihr mir verbieten wollt, mich selbst zu
schützen? So ganz nebenbei sei auch erwähnt, dass Java oder Flash nicht
die sichersten Technologien sind.
Die meisten Nutzer dürften
zudem eine Volumenflat gebucht haben. Das heißt, jedes kleine Megabyte
an Datenübertragung, welches gespart wird, ist wichtig. Das Blocken von
Werbung ist in diesem Fall schon fast Notwehr. Ihr wollt allen Ernstes
argumentieren, dass es okay ist, wenn Volumenflats durch Werbung
zwangsweise eher aufgebraucht werden? Und sich dann wieder auf Twitter
über das schlechte Netz der Telekommunikationsanbieter aufregen.
Aber Werbung ist notwendig, um Apps zu entwickeln und die Kosten zu tragen.
Wie oft habe ich dieses Argument in den letzten Monaten gehört. Dieses
Argument ist nicht anderes, als eine andere Form des Jammerns für ein
Leistungsschutzrecht der Verlage. Wenn Ihr kein anderes Geschäftsmodell
habt, ist das nicht mein Problem. Gute Apps werden auch bezahlt. Wenn
Ihr Eure Apps nur kostenlos anbieten könnt, weil kein Mensch sie
bezahlen möchte, dann sind sie einfach Mist. Oder Ihr solltet Eure
Außendarstellung überarbeiten.
Ein Adblocker blockt zudem nicht
nur Werbung, er blockt auch das Tracking. Ein Adblocker ist neben der
App Brain 1.0 eine der wichtigsten Apps für einen besseren Datenschutz.
Das wollt Ihr aus monetären Gründen verhindern? Das ist genauso
infantil, wie Unions-Abgeordnete, die im deutschen Bundestag pro
Netzsperren, pro Vorratsdatenspeicherung, für mehr Überwachung
argumentieren. Meine Daten gehören mir. Da gibt es keine Diskussionen.
Niemanden geht etwas an, ob ich YouPorn aufrufe oder nach einem Mittel
gegen Hämorrhoiden suche. Wer dagegen argumentiert, der soll sich doch
bitte nackt vor den Bahnhof stellen und "La Paloma" singen.
Merkt Ihr gar nicht, auf welchem Glatteis Ihr Euch bewegt?
Ich
war und bin immer bereit, für gute Software zu zahlen. Wenn ich heute
im Play Store stöbern gehe, schaue ich mir die kostenlosen Angebote
schon gar nicht mehr an, sondern immer nur die kostenpflichtigen. Wenn
Ihr es nicht schafft, ein Geschäftsmodell abseits der Werbung
aufzubauen, dann ist das nicht mein Problem.Gegen Werbung sprechen viele
sachliche Gründe, für Werbung nicht ein einziges. Im Gegenteil. Ihr
wollt mir die Freiheit nehmen, mein Smartphone zu nutzen, wie ich es
wünsche. Sind wir hier in China?