Ein paar Bremer haben gewählt

Obwohl noch nie so wenige Bremer Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, wird man länger auf ein vorläufiges amtliches Endergebnis warten müssen als jemals zuvor. Laut dem Wahlblog von Jörg Schönenborn auf tagesschau.de dauerte es allein eine Stunde, bis man nach der Schließung der Wahllokale mit dem Auszählen begann. Durch das neue Wahlrecht gestaltet sich diese Auszählung kompliziert, ändert aber nicht daran, dass das Ergebnis letztlich schon lange vor der Wahl feststand – nur Detailfragen waren noch zu klären: Werden die Grünen tatsächlich stärker als die CDU? Wird Sigmar Gabriel oder Andrea Nahles das Abschneiden der Genossen feiern – werden es also mehr oder weniger als 35 Prozent?

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Die Grünen wurden stärker als die CDU – erstmals bei einer Landtagswahl, und ebenfalls zum ersten Mal bedeutete das in einem westdeutschen Landtag nur den dritten Platz für die Christdemokraten. Und Sigmar Gabriel konnte einmal mehr verkünden, die SPD wäre auf einem guten Weg – zumindest in Bremen mag das zutreffen.

Weder von den Grünen noch von der SPD war denn auch sonderlich viel über die Wahlbeteiligung zu hören, dem eigentlichen großen Wahlgewinnerverlierer. Um die 46 Prozent der Wahlberechtigten haben sich dafür entschieden, zu Hause zu bleiben, abermals so viele wie noch nie zuvor. Des weiteren hat ein Zehntel der Wähler sich für Parteien entschieden, die nicht im Bundestag vertreten sind, auch das ein durchaus erwähnenswerter Wert; für die BiW – die „Bürger in Wut“ reichte es sogar dank übersprungener 5-Prozent-Hürde in Bremerhaven für den Einzug in die Bürgerschaft. Es hat gar nicht mal soviel gefehlt, und die Jünger des Jan Timke wären in Fraktionsstärke dort aufgelaufen; die FDP haben sie auf jeden Fall schon mal überholt.

Es gibt Anzeichen dafür, dass auch die Welle der Sympathie für die Grünen ihren Höhepunkt überschritten hat. Zum Beispiel ist es diesmal nicht gelungen, viele Nichtwähler an die Urnen zu bringen, was bei den Landtagswahlen seit Fukushima durchweg der Fall war. Das ist nicht zu unterschätzen; zwischenzeitig sah es nämlich kurzfristig so aus, als könnten die Grünen – auch Protest- und Nichtwähler an sich binden, die schon seit geraumer Zeit wie ein Damoklesschwert über der politischen Landschaft hängen, eine gewaltige Masse und zugleich ein gewaltiges Potential aus Leuten, die faktisch nichts verbindet außer ihrem Unmut auf die Politik selbst.

Dieses diffuse Gemisch wabert nun auch weiterhin dicht unter der Oberfläche und wartet auf einen, der es entzündet. Einen kleinen Teil davon hat sich die Linkspartei einverleibt, doch durch die merkwürdige Entscheidung, sich nur noch mit sich selbst zu beschäftigen, hat sie den Zugriff auf dieses Potential verloren.

Vor allem fehlen ihr mit dem neuen Führungsduo Figuren, die patriarchalische Fürsorge mit grimmigem Populismus kreuzen, und das im Kampf gegen einen veritablen Bösewicht – die Banken, den Kapitalismus. Das Erfolgskonzept geht auch mit anderen Inhalten auf – einer hysterischen Mutterfigur wie Claudia Roth und bösen Stromkonzernen, oder einem Yuppie-Verschnitt, der uns alle reich und schön macht , gegen den bösen Staat. Das zeigt, wie austauschbar - wie unwichtig! - die eigentlichen Inhalte sind. Gleichzeitig wird die Halbwertzeit dieser Erfolgsgeschichten immer kürzer, und zugleich wird die Gruppe der Enttäuschten und Desillusionierten jedes Mal größer, rastloser und risikobereiter. Für die Linke reichte es zum Sprung in westdeutsche Landtage, für die FDP waren 18 Prozent zumindest in Reichweite, für die Grünen sind sogar schon Ministerpräsidenten möglich.

Wenn wir dann aber mit den Grünen durch sind, haben  alle "etablierten" Parteien ihre 15 Minuten gehabt – und die Frage, die mich nicht erst seit gestern beschäftigt, ist: Wer kommt dann? Was kommt dann? Und wie schlimm kommt es?

Sie haben recht, da wollen Sie bei dem Wetter nicht drüber nachdenken.

 


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