Ein Organ des ewigen Lebens

Ein Organ des ewigen Lebens

Quelle: Bild.de

Letzte Woche war im Hause Springer großer Organspende-Tag. Selten hat man so viele Menschen erlebt, die so voller Entzücken und auch Freude dem eigenen Ableben entgegenfieberten. Fast alle lächelten sie, fast alle trugen sie ihre Überzeugung in ihren Lachfältchen herum. Mancher Philosoph, nicht zuletzt mancher Theologe, mokierte schon vorher, dass wir in einer Kultur des Todes lebten. Eine Kulturleistung mag wohl sein, den eigenen Tod galant zu überspielen, Thanatos in die Gesellschaft einzuführen. Die Pop-Kultur hat schon lange auch von sensiblen Aspekten des Lebens Besitz ergriffen; das war und ist gar nicht immer negativ, dies hat auch vormals tabuisierte Themen entweiht und zugänglich gemacht, Einsichten geschaffen. Nur so poppig, so bunt und verzerrt, haben sich bislang selten Menschen dem eigenen Ableben gestellt. Dem Fatalismus, dem sich jedes menschliche Leben, endlich in seiner Konzeption, gegenüber sieht, trotzig die Stirn zu bieten, nicht zu verzagen, sondern die Begrenztheit, die Flüchtigkeit der eigenen Körperlichkeit wegzulächeln, gleicht beinahe schon jener metaphysischen Revolte, die Camus in seiner Essay-Sammlung "L’homme révolté" benennt.

Eigentlich ist diese Revolte noch viel fundamentaler, denn sie lächelt nicht nur über den Tod hinweg, sondern auch über den persönlichen Sterbensweg. Der potenzielle Organspender muß im Schoße einer Intensivstation sterben, was voraussetzt, eine sehr schwere Krankheit erlitten zu haben, um dort betreut worden zu sein. Nur so tritt der Tod bei lebendigem Leibe ein, wie Vera Kalitzkus dies in ihrem Buch nennt. Dieses im Springer-Medium postulierte Selbstbewusstsein gerät somit zur mutigsten metaphysischen Revolte, die man sich denken kann. Hier rebelliert man gegen die Unumgänglichkeit jeden Erdenlebens, erhebt sich gegen die Sterbenskrankheit, macht man sich zum Organ des ewigen Lebens der Menschheit, nicht des Menschen. Es ist nicht nur der eigene Tod, den man weglächelt, den man sich zivilcouragiert wegengagiert - man schmunzelt sich über einen "Leidensweg hin zum Tode" hinweg. Der fehlende offene Umgang mit der Transplantationsrealität legt vermutlich den Verdacht nahe, dass viele der lächelnden Rebellen gegen das Unabwendbare, gar nicht ahnen, wie ihr Sterben gestaltet sein muß, um als Organ in einem Fremden Dienst tun zu können. Aus dem Mut, sich in dieses aussichtslose Gefecht zu stürzen, wird so Naivität, unaufgeklärter Aktionismus, lachhaft in Pop-Art geschwungene Einfalt.
Die Komplikationen, die eine Kultur der routinierten Organspende aufwerfen, finden kaum Gehör. Die Debatte ist radikal, in ihr ist die Spende das Gute; die Weigerung, seinen Körper posthum als Biomaterial zur Verfügung zu stellen, versteht sie als Anzeichen von Boshaftigkeit. Wir sprechen wenig über das Leid nach dem Empfang eines Organes, über die dauerhafte Angst vor der Abstoßung, die beeinträchtigende Medikation, darüber, wie man sich fühlt, etwas Fremdes in sich zu tragen; etwas, das einem in Fleisch und Blut übergeht, das aber dennoch fremd und undefinierbar bleibt. Es ist ein Unterschied, ob einem eine Herzklappe eingesetzt wird, die in einem Unternehmen für Hospitalbedarf gefertigt wurde, oder ob das einzusetzende Objekt etwas ist, das in einem anderen menschlichen Körper gereift und gewachsen ist.

Ein Organ des ewigen Lebens

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Es ist dieser fehlenden Auseinandersetzung geschuldet, dass sich hierbei fast schon witzige, weil in ihrer Einfalt tragische Sequenzen ergeben. Da werben Männer an der Schwelle zum Greisenalter mit Slogans wie "Jetzt erst recht!" - er will doch sicherlich noch ein, vielleicht zwei Jahrzehnte leben, er will dann doch sicherlich friedlich einschlafen, schnell sterben, im Kreise seiner Familie, zuhause vielleicht sogar. Was sind die verwelkten Organe eines Greises denn wert? Außer für ihn selbst, er liebt sie ja, denn es sind seine, sie haben ihn begleitet, mit ihm erlebt und gelitten. Solche Motivationen sind entweder schrecklich lachhaft und satirisch oder sie sind von Unwissenheit gezeichnet. Vielleicht ist es aber auch mehr, vielleicht ist diese seltsame metaphysische Revolte nicht nur dafür geschaffen, der Menschheit ein längeres Leben leerzuversprechen, sondern dem jeweiligen Organspender auch. Vielleicht ist die greisenhafte Bereitschaft, seine ausgemergelten Organe wenigstens theoretisch zur Verfügung zu stellen, so zu erklären: Um einen Teil des eigenen Lebens zu übertragen, um weiterzuleben, obgleich man eben nicht mehr lebt, gerade jetzt, wo der eigene Tod immer denkbarer wird, das ist der Strohhalm weiterhin nützlich, weiterhin lebendig zu sein. Das ist natürlich rational betrachtet blanker Unsinn. Aber welche irrationalen Impulse treiben den Menschen nicht alle dazu, sich dem Unausweichlichen nicht stellen zu müssen.
Ob nun richtig, ob nun falsch, das wird eine persönliche Frage bleiben. Der gesellschaftliche Umgang damit, die popularisierte Aufklärung, die den Menschen zum Biomaterial macht, die alle anderen Aspekte ausblendet, das ist aber zweifellos falsch. Die Verteufelung derer, die nicht spenden wollen, auch derer, die sich keine Gedanken dazu machen möchten, ist falsch. Es gibt, so hart das für Organbedürftige klingen mag, keinen Anspruch auf eine medizinische Hilfe, die sich auf den Tod anderer Menschen stützt - es gibt wohl die Möglichkeit, nicht aber den Anspruch. Aus dieser falschen Anspruchshaltung heraus treten Beißreflexe, die demjenigen, der nicht spenden möchte, zusetzen. Und diese Anspruchshaltung und die hieraus resultierende Belehrungsmoral sind ebenso falsch.
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