Michaela Preiner
Feride Buyukdenktas (Johannes der Täufer, ein Astronom) • © Werner Kmetitsch Die selten gespielte Kurzoper „Die Enthauptung von Johannes dem Täufer“ im Originaltitel „La decollatione di San Giovanni Battista“ von Antonia Maria Bononcini (1677 – 1726?) schlummert zu Unrecht meist in Archiven, denn sie weist nicht nur wunderbare Arien, sondern auch Duette, Terzette und sogar ein üppiges Quartett auf. Vieles davon kann mit dem Prädikat „ohrenschmeichelnd“ versehen werden. Die Schwierigkeit der Aufführung besteht jedoch darin, dass dem Orchester eine Leitung vorstehen sollte, die sich im barocken Repertoire zuhause fühlt und darüber hinaus Stimmen benötigt werden, welche anspruchsvolle Koloraturen makellos bewerkstelligen. Salomé (Saba Hasanoğlu), Marija-Katarina Jukić (Herodias) – © Werner Kmetitsch Dank einer Zusammenarbeit der Oper Graz mit der Kunstuniversität Graz (KUG) war es möglich, dieses Oratorium in der Unterkirche von Herz Jesu auf eine dreigeteilte Bühne zu bringen. Über den Kirchenbänken angeordnet, wurde Herodes, seiner Frau und Salomé je ein eigenes Podest zugeordnet. Juana Ines Cano Restrepo überraschte mit einer neuen, schlüssigen Interpretation des biblischen Stoffes. Sie verfrachtete das biblische Setting in die Barockzeit und deutete Johannes zu einem suchenden Astronomen um.Dieser, beeindruckend gesungen von Feride Buyukdenktas, erweckte unschwer Assoziationen zu Johannes Kepler, der auch in Graz lehrte. In dieser Inszenierung erhält Johannes durch die Konstellation von Herodes, seiner Frau und Salomé jene Inspiration, die ihn zum Verfassen seiner „Planetengesetze“ veranlasst. Ausgestattet mit einem standesgemäßen Mühlsteinkragen, schwarzer Kappe und einfacher, schwarzer Robe, hört er den Gesprächen und dem Gezank von Herodes und den beiden Frauen zu und leitet dadurch die Erkenntnis des heliozentrischen Weltbildes ein.
Dass ihm dies schließlich zum Verhängnis wird, erklärt sich aus der kirchlich-politischen Logik der Zeit vor der Aufklärung. Mit der Erkenntnis, dass die Erde nicht mehr den Mittelpunkt des Weltalls darstellt, hatte auch Kepler zu kämpfen, wenngleich ihm eine Verurteilung erspart blieb.
Feride Buyukdenktas (Johannes der Täufer, ein Astronom) • © Werner Kmetitsch Justina Vaitkute (Engel/Gehilfe des Johannes’) • © Werner Kmetitsch Justina Vaitkute mutiert vom anfänglichen Helfer und Freund „Angelo“ zum kirchlichen Würdenträger, der jenem Gericht vorsitzt, welches den Wissenschaftler schließlich zum Tod verurteilen wird. Ihr Mezzosopran stellt ein wunderbares Äquivalent zu Buyukdenktas‘ Sopran dar. Es ist eine Freude, diese beiden schönen Stimmen im direkten Vergleich erleben zu können und ihre jeweiligen Charakteristiken zu entdecken.Herausragend war die Besetzung von Herodes (Sonnenkönig), Herodias (Mutter Erde) und Salomé (Mondfrau). Wilfried Zelinka beeindruckte nicht nur mit seinem kräftigen Bass, sondern auch der Fähigkeit, schwere Koloraturen in halb-liegender Position zu singen. Marija-Katarina Jukić ist, genauso wie Saba Hasanoğlu eine Entdeckung für sich. Die klare und zugleich unglaublich transparente Stimme von Jukić stand in einem reizvollen Kontrast zur ätherisch-zarten Intonation von Saba Hasanoğlu. Die beiden Sängerinnen sollten nach diesem Auftritt – so ist zu hoffen – vom Fleck weg schöne Engagements angeboten bekommen. Auf alle Fälle darf man sich diese Namen getrost merken und die weitere, künstlerische Laufbahn von Jukić und Hasanoğlu verfolgen. Die ausdrucksstarken Kostüme und das Bühnenbild stammen von Devin McDonough. Susanne Scholz stand dem Barockorchester gamma.ut, das von Studierenden des Instituts für Alte Musik und Aufführungspraxis der KUG ergänzt wurde, vor. Die disparate Aufstellung links und rechts entlang der Bühne stellte sicher eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Umso mehr darf das musikalische Ergebnis geschätzt werden, das nichts zu wünschen übrig ließ. Die Enthauptung, die letztlich metaphorisch stattfindet, wird durch eine Schüssel voll Blut eingeleitet, das Johannes, der seiner Robe brutal entledigt wird, auf sein weißes Hemd geschüttet wird. Und auch die Pein, die er erleben musste, wird, nicht wie erwartet, aber dennoch, coram publico visualisiert.
Marija-Katarina Jukić (Herodias), Wilfried Zelinka (Herodes) • © Werner Kmetitsch Wilfried Zelinka (Herodes) • © Werner Kmetitsch „Die Enthauptung von Johannes dem Täufer“ aus der Reihe „OpernKurzgenuss“ kann uneingeschränkt empfohlen werden. Eine interessante Regie, ein herausragendes Ensemble und ein junges, aber dennoch professionelles Orchester bilden eine absolut empfehlenswerte Mischung. Sie machen uns eine Freude, wenn Sie den Artikel mit Ihren Bekannten, Freundinnen und Freunden teilen.