Ein Männlein steht im Walde

Die letzten, die Gesellschaft nach »den Wald« organisieren wollten, das waren die Nazis. Neulich verwies mich jemand auf einen schon einige Wochen alten Mitschnitt von einer der langatmigen Reden Jebsens. Und siehe da, er will den Wald als Vorbild nehmen. Auch weil im Wald diese lästige Demokratie nicht so ausgeprägt ist.
Ein Männlein steht im WaldeEin Ausschnitt aus dem nationalsozialistischen Propagandafilm »Das Erbe«: Eine junge Frau sagt, dass es eigentlich grausam sei, Tiere zu fangen um sie auf Leben und Tod kämpfen zu lassen. »Im Walde hätten beide so ruhig weiterleben können.« Ein »Gelehrter« tritt auf: »Aber liebes Fräulein Volkmann, ein ruhiges Leben ist da nirgends in der Natur zu finden.« Und dann erklärt er lang und breit, dass das auch gut so ist, denn so würde das Schwache ausgemerzt. Jetzt hört euch mal an, was dieser Jebsen so über den Wald und seine Organisation des Zusammenlebens sagt. Bei etwa einer Stunde zweiundzwanzig Minuten geht es los.

Ich gebe zu, von der Schwäche, die vergeht, sagt er wenig. Er nennt nur die Demokratie schwach. Aber er sieht den Menschen wie die Sozialdarwinisten von damals: Als entartetes Tier, das dringend wieder »natürlicher« leben müsste. Zurück in den Wald, dann klappt es auch wieder mit der Gesellschaft. In etwa so haben die Nationalsozialisten es auch betrachtet und stützten sich auf allerlei Romantizismen vom Wald, die der Mensch in seiner kulturellen Evolution konstruiert hat.
Spontan denke ich bei »Renaturisierung« an Thoreau, der auch so ein naturergriffener Charakter war. Lange glaubte er, das authentische Leben des Menschen könne nur der Wald hervorbringen. Eines seiner Werke heißt dann eben auch »Walden« und gehört noch heute zu den klassischen Werken der amerikanischen Literatur. Aber eines Tages stieg er naturbeseelt den Mount Ktaadn hoch. Dort traf er auf Kargheit und Ödnis und kam körperlich an seine Grenzen. Er merkte, dass er als Mensch in der Natur fremd ist, auf sich alleine gestellt. Von wundersamer Einheit zwischen Mensch und Natur keine Spur mehr. Ihm wurde klar, dass er eben kein Stück stinknormaler Natur in der Natur ist, sondern von ihr isoliert. Der Soziologe Helmuth Plessner sprach später von der »natürlichen Künstlichkeit« des Menschen, die ein »anthropologisches Gesetz« sei. Ebenso wie die »vermittelte Unmittelbarkeit«, die wohl die Abstraktion des menschlichen Daseins am besten beschreibt. Der Existenzialismus orientierte sich in etwa in dieselbe Richtung und verlieh dem Menschen einen besonderen Status als Wesen, das sein könne, was immer es sein wolle. Die Natur gibt dem Menschen keinen festen Platz vor.
Warum ich jetzt abschweife? Weil ich damit ausdrücken will, wie reaktionär und gestrig Jebsen sich gibt. Wir waren als Menschheit ja schon mal weiter. Jebsen sagt, dass wir abstrakt lebten. Ja, das stimmt. Aber das tun wir nicht, weil die Welt heute so kompliziert ist, sondern weil dieser abstrakte Zustand immer schon menschlich war. Und genau deswegen ist der Wald kein geeignetes Beispiel für eine menschliche Gesellschaft. Der Mensch hat eigene Spielregeln, vereinfacht gesagt, weil er sich selbst im Spiegel erkennen kann. Aber er legt davon unbeeindruckt einfach los. Dies »Männlein steht im Walde«, hat aber leider verpasst, »ganz still und stumm« zu sein.
Der Soziologe Peter Ullrich sagte neulich in einem Interview, dass es vielen Leuten, die zur Montagsdemo laufen, mehr so um den »Ausdruck eines massiven Unbehagens« gehe. Und ich nehme an, Jebsen fühlt sich auch selbst unbehaglich. Daher schweift er so ab, geht in den Wald, wo es doch notwendig wäre, in medias res zu gehen. Daher seine Demokratieverdrossenheit, die er mit wäldlicher Idylle wegwischt, als habe das Führerprinzip mehr für die Menschheit geleistet, als es das Prinzip politischer Partizipation jemals könnte.
Ich kann gut nachvollziehen, dass Unbehagen über unser aller Köpfe schwebt. Selbst geht es mir oft ganz genauso und ich kann dann manchmal nicht mal genau sagen, warum ich so besorgt bin. Das System? Klar. Das auch. Aber was genau am System? Und will ich einen Systemwechsel mit Typen, die die Demokratie für überbewertet halten?
Für mich ist dieses Phänomen des Zeitgeists kaum zu fassen. Ja, ich glaube, ich stehe im Wald. Wie können gerade Menschen, die sich jahrelang als links erachteten und für »Die Linke« eintraten, einem solchen Sozialdarwinismus erliegen? Klar, die Friedensbewegung ist nicht Jebsen und andersherum. Aber es gibt ja ausdrücklich viele Leute, die nur dorthin marschieren, weil sie wissen, wer dort seiert. Wie kann man sich intellektuell nur so gehenlassen?
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