Wenn der Mann mit seiner Gibson-Gitarre, die mindestens so alt ist, wie er selbst, die Bühne betritt, zu spielen beginnt, mit dunkler, rauer Stimme singt und dabei mit dem Fuß den Takt auf seinem Gitarrenkoffer schlägt, fühlt man sich sofort per Zeitmaschine in ein „Juke Joint“ im Missippi-Delta irgendwann zu Beginn der 30er Jahre versetzt. Aber halt! Hier singt einer von seinem eigenen Leben im 21. Jahrhundert! Die Songs von Tim Lothars aktueller CD „Stories“ sind alle von ihm selbst geschrieben und erzählen ganz persönliche Geschichten. Da sich nun das Leben eines dänischen Bluesgitarristen gar nicht so sehr von dem unterscheidet, was wir alle jeden Tag so erleben, konnte sich eigentlich jeder im Publikum mit den Songs identifizieren. Tim Lothar singt von seinem Vater, von endlosen Bahnfahrten, betrunkenen Frauen im Lokal oder der der Bankenkrise, seinen Umzugskartons mit überflüssigem Zeug und der verflossenen Liebe. Kennen wir!
Musikalisch erinnern die Songs von Tim Lothar an seine großen Vorbilder aus dem Mississippi Delta wie Robert Johnson, Charlie Patton und Fred McDowell, manchmal meint man auch, etwas Tom Waits herauszuhören, besonders, wenn Titel im Walzerrhythmus gespielt werden.
Besonders in der zweiten Hälfte des Konzert gab Tim Lothar dann auch einige alte Delta-Nummern von Charlie Patton, Furry Lewis und Fred McDowell zum Besten und besonders da zeigte sich seine Meisterschaft, diese rhythmisch sehr komplexen Arrangements, die heute kaum noch jemand beherrscht, nicht nur zu kopieren, sondern sie mit neuem Leben und eigenen Ideen zu füllen. Der aufmerksame Zuhörer merkte dabei, dass Tim Lothar, bevor er zur Gitarre wechselte, jahrelang als Schlagzeuger der dänischen Bluesband „Lightnin Moe“ unterwegs war. Der Mann hat den Groove in den Fingerspitzen!
An keiner Stelle des Konzerts vermisste man eine Begleitband, denn in Lothars Gitarrenspiel war der treibende Rhythmus immer präsent, die Dynamik reichte von leisen Slide-Tönen bis zum donnernden Groove und so war es kein Wunder, dass gegen Ende des Konzerts neben der Bühne getanzt und gerockt wurde, obwohl der Ostwestfale als solcher nicht gerade als Stimmungskanone berüchtigt ist! So war der Blues ursprünglich mal gemeint und dieser Funke ist zum Publikum übergesprungen, so dass der Künstler erst nach mehren Zugaben von der Bühne entlassen wurde.
Leider gibt es auf dieser Seite des Atlantiks nicht allzu viele meisterhafte Bluesmusiker dieses Schlages. Es gehört viel dazu, die Musik zu SEIN und nicht nur etwas zu spielen. Tim Lothar IST seine Musik. Daher freue ich mich schon, wenn er das nächste Mal in der Gegend ist!
Die Fotografien in diesem Artikel stammen von Jürgen Achten (www.blueslover.de) und entstanden bei Konzerten in Hamburg und Eutin.