Ein Mann denkt nach - Mit Leid und Seele


Wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert ist, wusste Twitter schon vorher Bescheid.
So scheint es.
Nie war man besser informiert, nie haben sich Nachrichten schneller verbreitet. Und nie war es einfacher, sich vor einem Millionennutzerpublikum öffentlich dazu zu äußern. Doch der Grad zwischen tatsächlicher Anteilnahme und dem Surfen auf einer kurzfristigen Hashtagwelle ist schmal. So schmal, dass die monatliche Gastkolumne des Wortfechters heute einen etwas ernsteren Ton anschlägt. Weil er nicht #4U9525 ist, sondern einfach nur ehrlich entsetzt.
Ein Mann denkt nach - Mit Leid und Seele
Mir bleibt nicht viel zu sagen. Nutzt eure Zeit, verbringt sie mit Menschen, die ihr liebt.
Es kann unfassbar schnell vorbei sein.
In diesem Sinne wünsche ich dir ein Wochenende voller Liebe,
Ein Mann denkt nach - Mit Leid und Seele Eigentlich wollte ich hier einen hübsch friedlichen Text über irgendein freudiges Allerweltsthema schreiben, das Ganze hie und da mit ein wenig Sarkasmus und Wortspitzereien würzen und in meiner eigenen blumenverzierten Welt weiterleben. Aber hinter meiner rosa tapezierten Fassade eines liebevollen gutgelaunten Wortverdrehers steckt leider ein wahrer, urbayerischer Grantler – und eben diesen muss ich jetzt mal eben zu Wort lassen. Er will raus, ihm reicht´s. Lasst mich zuerst etwas feststellen: Katastrophen, Gewalttaten und Unfälle sind schrecklich. Ich kann mir bei Leibe nichts Schlimmeres vorstellen, als einen nahestehenden, geliebten Menschen in einer Tragödie zu verlieren und wünsche das wirklich niemandem. Leider ist der Mensch als biologisches Konzept ein - gegen Gewalteinwirkung von außen - eher spärlich bewaffnetes Wesen. Knautschzonen und natürliche Polsterungen sind zwar optional verfügbar, liegen aber nicht im Trend, weswegen Unglücksfälle, Verletzungen und Tod tragischer Weise zu unserer Natur gehören wie Stoffwechseln oder Liebhaben.
„Leben ist lebensgefährlich“, wie Erich Kästner bereits verlauten ließ. Dies ist zu bedauern, aber leider – bis dato - auch nicht zu ändern. Wenn jemand unserer Lieben von uns geht, so zeigen wir unsere Trauer. Wir können auch Trauer für jemand anderen empfinden, dazu benötigt es in erster Linie Einfühlungsvermögen – Empathie. Der Grad der Empathie ist davon abhängig, wie nahe wir den Opfern einer Tragödie stehen. Mitgefühl drücken Menschen auf verschiedene Weise aus: Eine Umarmung, einen Kuss, manche werden aggressiv und wieder andere übernehmen Arbeiten für die Betroffenen, um diese zu entlasten. Aber nicht im 21. Jahrhundert. Da wurde diese Palette farbenfröhlich erweitert. Und zwar um Twittermeldungen, Schwarz-Weiß-Instagram-Bilder, Facebookposts und ganz besonders: Politiker, die irgendwo zusammen Händchen haltend langlatschen.
Bin ich der einzige, dem das tierisch auf die Nerven geht? Wenn Jaqueline K. aus Kreuzberg „Woah ey voll traurisch #Germanwings #Trauer“ bei Twitter absondert, was zum Teufel hat das mit echter Anteilnahme zu tun? Sitzt Jaqueline am Laptop und weint sich das Makeup fusselig? Nein.
Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Tragödien und Katastrophen als willkommene Anlässe missbraucht werden, unsere eigene, moralisch natürlich einwandfreie Integrität mal wieder so richtig schön an den Pranger zu hängen. Von der orgasmischen Berichterstattung in den Medien mal abgesehen. Mittlerweile hat beinahe jeder Mensch, der bei einer Volkszählung als relevant eingestuft werden will, ein selbstkreiertes, virtuelles Ich. Eine Version von uns, die wir im Internet präsentieren. Zugegeben – wie ich hier, genau jetzt, an dieser Stelle hier, natürlich auch. Aber ich sage es jetzt mal ganz offen: Ich bin NICHT Charlie und ich bin ganz besonders NICHT #4U9525. Ich bin ein Mensch, kein Hashtag - und bestürzt über das, was anderen wiederfahren ist – aber in der Realität, in ECHT - und nicht im Internet. Seid ihr charakterlich so unsicher, dass ihr den Menschen in aller Welt zeigen müsst, dassihr Mitgefühl empfinden könnt? Dass ihr Gefühle habt? Was sogar Elefanten in freier Wildbahn tun? Oder wollt ihr demonstrieren, wie toll ihr über das aktuelle „politische“ Geschehen Bescheid wisst, welches eh gerade in aller Munde ist?Und ganz besonders: Welche Reaktion wünscht ihr euch auf eure Mitleidsbekundungen?
Regina H: „So traurig, was alles so passieren kann" #ichbinfrankfurt #EZB
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Ich möchte hier keinen zur Zurückhaltung auffordern, wenn es um echtes Mitleid und Trauer geht. Nur leider fürchte ich mich inzwischen bereits beim Autofahren, dass mir die Peinlichkeit in den „sozialen“ Netzwerken nicht erspart bleibt, dass ich als #ichwardertypmitdemunfall, #ichwardabei im Gedächtnis meiner Angehörigen bleibe und gestresste, übergewichtige Politiker meinetwegen durch München pumpeln, da aus jedem Unfall mittlerweile ein politischer Bündnisfall wird. Bitte nicht. Wirklich nicht.
Wie wäre es beim nächsten Unglück – und ich garantiere euch, da kommt schon noch das ein oder andere – mal mit einem klärenden, liebevollen Gespräch mit euren Liebsten bei einer gemeinsamen Tasse Tee? Freut euch, dass ihr euch habt und hofft gemeinsam, dass es so bleibt. Dabei erfahrt ihr vielleicht, was andere, für euch relevante Menschen wirklich beschäftigt und könnt dann auch mal echtes Mitgefühl zeigen.

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