Aber nun zum Anfang: Marcel Reich wurde am 2.Juni 1920 als Sohn eines polnischen Juden und einer Deutschen geboren. Mit nur 13 Jahren wird er aufgrund der schlechten finanziellen Verhältnisse seiner Eltern zu seinem Onkel nach Berlin geschickt, um hier später das Abitur zu machen. Sein Traum Kritiker zu werden wird jedoch bereits nach dem Schulabschluss 1939 unweigerlich zerstört, als er mit vielen weiteren Juden nach Warschau deportiert wurde. Sein altes Leben hinter sich lassend, versucht Reich sich und seine Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten, bis er eine feste Anstellung als Übersetzer im Judenrat des Warschauer Gettos. Auch lernt er in dieser Zeit seine zukünftige Frau Teofila (Tosia) kennen, die er kurze Zeit später zur Frau nimmt, um sie vor der Deportation nach Treblinka und der Vergasung zu bewahren. Nach dem Abzug der Eltern in eben jenes Todesziel, gehen er und Tosia in den Warschauer Untergrund, um sich mit den Geldern des Judenrats die Flucht aus dem Getto zu ermöglichen.
Nach dem Krieg gelingt es Marcel Reich für den polnischen Geheimdienst in London zu arbeiten, hier erstmals unter dem Namen Ranicki. Zwei Jahre später kehrt er mit seiner Frau und seinem in London geborenen Sohn Andrew zurück nach Polen, bevor er zurück nach Deutschland flieht und die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen, um hier eine Karriere als Kritiker in Frankfurt am Main (bei der FAZ) und in Hamburg (bei der Zeit) aufzubauen, und erstmals den Doppelnamen Reich-Ranicki zu verwenden.
Es lässt sich einfach keine Zeile finden, die auf irgendeine Weise undurchdacht oder falsch wäre – nein, dieser Kritiker, der die deutsche Literaturwelt über 50 Jahre förmlich auf den Kopf gestellt hat, und medienpräsenter denn je gemacht hat, schaffte es 1999 auf vielleicht auch eine humoristische Art sich selbst in ein neues, vielleicht auch sympathischeres Licht zu Rücken. Dieser Mann hat gezeigt, dass man auch mit nichts als einem unbenutzen deutsch-polnischen Wörterbuch zu einem Ansehen gelangen kann, von dem manch ein Z-Promi heute träumen würde.