Ein krankes Land

Die Bilder, die der damalige Herr Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy in Kanada gekauft hat, zeigen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hannover “nackte Knaben, die toben, spielen, sich darstellen – alles mit Bezug zu den Genitalien”. Ich weiß ja nicht, wie Sie das finden. Aber ich finde das ekelig, widerwärtig und abartig. Ganz schlecht wird mir, wenn ich dann ein Zitat des mittlerweile Ex-Bundestagsabgeordneten Edathy lese, nach dem sich dieser im Herbst letzten Jahres erinnert hat, „… bei einer kanadischen Firma … vor etlichen Jahren Material bezogen zu haben, das ich für eindeutig legal halte“. Insofern hält Herr Edathy „das Agieren der Staatsanwaltschaft für ungeheuerlich“. Und das deshalb, weil die Staatsanwaltschaft „die Frage, ob es sich um Kinderpornos handelt“ für „eine schwierige Bewertungsfrage“ hält und gleichzeitig feststellt: „Auf jeden Fall befinden wir uns hier im Grenzbereich zu dem, was Justiz unter Kinderpornografie versteht.“ Was soll ich sagen? Seit einigen Tagen kann ich gar nicht so viel frühstücken, wie ich bei der Lektüre der Morgenpresse (bitte entschuldigen Sie die drastische Wortwahl) kotzen möchte. Da beschafft sich jemand, den ich jetzt nicht mehr als „Herrn“ bezeichnen möchte, sozusagen Bückware im fernen Kanada, verhält sich dabei laut Staatsanwaltschaft „konspirativ“ und lässt eben im letzten Herbst, als offensichtlich bereits Hunderte von Menschen von dem Fall Kenntnis haben, „präventiv“ von einem Anwalt bei diversen Justizstellen nachfragen, ob gegen seinen Mandanten ein Ermittlungsverfahren laufe, das „irgendwas mit Kinderpornografie“ zu tun habe. Als dann Monate später Hausdurchsuchungen bei dem aus meiner Sicht gar nicht feinen Herrn gemacht werden, findet die Staatsanwaltschaft außer dem Hinweis auf fehlende Computer und zerstörte Festplatten – nichts. Und nun stellt sich dieser Edathy plötzlich als Opfer hin. Abgesehen einmal von den politischen Implikationen, die mir an dieser Stelle im Moment völlig egal sind, und auch der Frage nach der Strafbarkeit der besagten Bilder- und Filmekäufe denke ich dieser Tage vor allem an die Kinder – die vielen misshandelten und missbrauchten Kinder. Denn besagte Fotos und Filme sind vermutlich nicht bei einem fröhlichen Kindergeburtstag, sondern unter schwerster Missachtung der Rechte dieser Kinder entstanden und haben ziemliche Blessuren zumindest in den Herzen und Köpfen der 9- bis 14-jährigen Jungen hinterlassen. Das Ganze ist ein zusätzlicher Faustschlag in das Gesicht eines jeden misshandelten und missbrauchten Kindes – nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt.

PS: Dass fast zeitgleich der renommierte Gerichtsmediziner Michael Tsokos mit einer Kollegin ein Buch mit dem gewiss provozierenden Titel Deutschland misshandelt seine Kinder herausbringt und sich dafür – vorsichtig formuliert – unangenehme Diskussionen einhandelt, zeigt nur, wie krank dieses Land mittlerweile offensichtlich ist.


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