(Fortsetzung der Besprechung dieses Buch von Vincent Donovan; 1. Eintrag hier)
Donovan musste erkennen, dass Kirche und Gemeinde („church“) nicht das ist, was bei seiner Arbeit im Zentrum oder als Ziel gelten konnte (und das muss für ihn als Katholiken eine besonders schwierige Einsicht gewesen sein). Er erkannte, dass es einzig um Christus ging.
Auf der anderen Seite war die traditionelle Gemeinschaft prägend für sein Vorgehen. Wichtige Entscheide wurden von der Gemeinschaft als Ganzes gefällt. So erkannte Donovan, dass „it is not possible or desirable to convert the Masai as individuals, but it is possible to evangelize them as groups.“ Dieser Ansatz stand dem traditionellen, auf das Individuum ausgerichteten, diametral gegenüber. (Donovan bezeichnet Individualismus und Liebe für die Organisation als die beiden grossen Idole der westlichen — und katholischen… — Kirche).
Donovan sah als Frucht seiner Arbeit, dass ganze Gemeinschaften nach einem Jahr Unterweisung sich entschieden, mit Jesus unterwegs sein zu wollen!
Etwas Derartiges ist bei uns unbekannt, ja, es sträuben sich unsere „inneren Haare“ dagegen, weil wir eine Hinwendung zu Gott in einer Gruppe als nicht echt, als nicht tiefgreifend genug anschauen. Es muss sich doch jeder einzelne, so denken wir, für Christus entscheiden; eine Gemeinde soll doch gerade nicht aus Mitläufern bestehen…! — Meine allererste Erfahrung in Afrika zeigte mir vor beinahe einem Viertel Jahrhundert, dass an anderen Orten anderes durchaus möglich ist: Ich lebte für ein paar Monate in einem kleinen Dorf in der Elfenbeinküste, das sich als ganzes Dorf zum christlichen Glauben bekehrte, nachdem der Dorfchef diese Entscheidung traf. Natürlich gab es auch einige Zeit danach oberflächliche Mitläufer. Aber es gab auch zahlreiche Gläubige, die ihren Glauben ernsthaft leben wollten.
Haben solche Geschichten auch uns im Westen etwas zu sagen…? Vielleicht gäbe es auch bei uns Subkulturen, die besser als Gruppe „angegangen“ werden, als sie in die Einzelteile „Individuum“ zu zerlegen? Vielleicht könnten wir unsere theoretische Latte, was eine „richtige Bekehrung“ ist, tiefer legen, denn ein umfassendes Verständnis davon, was Glaube wirklich ist, hat von uns sowieso niemand…
Und vielleicht gibt es noch andere Schlussfolgerungen, die mir nicht in den Sinn kommen…?
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