© Twentieth Century Fox of Germany GmbH / Bruce Willis und Jai Courtney in “Stirb Langsam: Ein guter Tag zum Sterben”
Der jugoslawische Schauspieler Radivoje Bukvic bemerkt es schon ganz richtig: „Es ist nicht mehr 1986“. Wäre dem so, könnten sich die Kinogänger noch der Vorfreude auf den ersten „Stirb Langsam“ Film ergeben, der zwei Jahre später aus Hauptdarsteller Bruce Willis eine Action-Ikone werden ließ: John McClane, ein einfacher Cop aus New York, der damals deutschen Geiselnehmern unter der Leitung von Hans Gruber (Alan Rickman) das Leben schwer machte. So viel ist heute von diesem Mythos nicht mehr übrig, die guten Spät-80er Jahre sind vorüber, an Hans Gruber erinnert im fünften Teil der „Stirb Langsam“-Reihe nur noch eine Szene, in der der Russe Komarov, gespielt von dem deutschen Sebastian Koch, einen ähnlichen Sturz hinlegt wie einst der tiefe Fall des Hans Grubers aus dem Nakatomi-Wolkenkratzer, natürlich durch John McClane verschuldet. Ein Spiel mit den Jahren ist auch die Location des Showdowns: Nach einem Hochhaus, einem Flughafen, New York und Washington verschlägt es John McClane in „Stirb Langsam: Ein guter Tag zum Sterben“ nach Moskau, mitsamt Kurztrip nach Tschernobyl, wo im besagten Jahr 1986 die allseits bekannte und verheerende Nuklearkatastrophe stattfand. In den Ruinen liefern sich die McClane-Männer – denn Sohnemann Jack ist inzwischen CIA-Agent – eine explosive Materialschlacht mit den Russen.
Das gebietet die Handlung, die John McClane nach Moskau führt, weil sein Sohn dort in Schwierigkeiten steckt. Im Gefängnis sitzend erwartet Jack McClane entweder eine lebenslange Haftstrafe oder aber Schlimmeres. Kurzerhand macht sich John auf den Weg, möchte seinem Sohn zu Hilfe eilen, obwohl die Stimmung zwischen den beiden seit ihrer letzten Begegnung eher angespannt ist. Aber die Not macht aus ihnen wieder eine Familie: der CIA-Agent und der New Yorker Polizist stellen sich gegen eine Übermacht von russischen Soldaten, um zu verhindern dass diese das wertvolle wie auch gefährliche Uran bekommen, das in den Tiefen von Tschernobyl verborgen liegt.
Bruce Willis mit Sebastian Koch
Das hat dann so überhaupt nichts mehr mit John McClane gemein. Dieser New Yorker Haudegen, der sich eher von seinen Gegenspielern treiben lies, als in der aktiven Rolle zu erscheinen. Man erinnere sich an „Stirb Langsam“, wo er durch die Lüftungsschächte kriechen musste um nicht den Handlangern Grubers in die Hände zu fallen. Ein ähnliches Vorgehen befolgte er in der Fortsetzung, hier waren es Söldner die den aus dem Hinterhalt agierenden McClane zur Strecke bringen wollten. Selbst in „Stirb Langsam: Jetzt erst recht“, nicht mehr auf einen einzigen Ort beschränkt, spielt Jeremy Irons als Hans Grubers Bruder ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Polizisten. Doch mit dem Alter kam bei Darsteller Bruce Willis offenbar die Laune auf, immer größere Waffen in den Händen zu halten, immer mehr auf Spezialeffekte zu setzen und John McClanes Charakter ordentlich durcheinander zu bringen. Aus dem Cop, der nur zufällig in unschöne Situationen geriet, wurde ein Mann, der als Action-Ikone die Konfrontation sucht. Aus dem Polizisten wurde ein Soldat. So auch hier. Bruce Willis nimmt es mit ganzen Helikoptern auf, folgt damit dem Beispiel von Sylvester Stallone, der bereits in „The Expendables 2“ ein solches Flugvehikel mit bloßen Händen zu Fall brachte. Nur Willis, er war nie diese Art von Actionheld, der mit Muskeln bepackt zu Werke geht. Er stand für den Durchschnittskerl, der zum Durchschnittshelden wird.
Dabei sind sie alle da, die kleinen Momente, in denen man merkt, dass es sich um einen „Stirb Langsam“ Film handelt. Ganz abgesehen vom markanten Ausspruch „Yippie-Ya-Yeah Schweinebacke“, bevor Willis einen Wagen halb aus einem Hubschrauber fährt, damit das Gewicht verlagert und dieser ins luftakrobatische Straucheln gerät, steht erneut die Familie im Mittelpunkt. Wo in den ersten Teilen noch die Ehe von John und Holly McClane gerettet werden musste, die Brüder Hans und Simon Gruber in „Stirb Langsam“ und „Stirb Langsam: Jetzt erst recht“ als Gegenspieler erscheinen und es in „Stirb Langsam 4.0“ um die Aussöhnung zwischen Vater und Tochter geht – Mary Elizabeth Winstead übernimmt auch im fünften Teil wieder die Rolle von Lucy McClane – wird nun Jai Courtney („Spartacus“, „Jack Reacher“) zum McClane Sohn ernannt, der eher dem Typus Actionheld á la Jason Statham ähnelt als dass er der Filmsohn seines Filmvaters ist. Und auch auf der Gegenseite wird ein solches Bild präsentiert: Der böse Russe Komarov arbeitet Hand in Hand mit seiner Tochter Irina (Yuliya Snigir). Wenn man nun aber bedenkt, dass der Film einen fast weltweiten Kinostart zum 14. Februar bekommen hat, am Valentinstag, wäre es doch eine viel schönere Geschichte geworden, hätte John McClane sich noch einmal um Holly bemüht. Darstellerin Bonnie Bedelia ist immerhin noch in der Fernsehserie „Parenthood“ aktiv, darf sich somit also auch gerne um ihre beiden McClane-Kinder sorgen. In ein weiteres “Stirb Langsam”-Motiv lässt sich Bösewicht Komarov, gemeinsam mit dem Schauplatz Tschernobyl ein Symbol für die wiederkehrende Angst vor einer nuklearen Bedrohung, einordnen. Er gliedert sich in die illustre Liste der McClane-Widersacher ein, die ihr wahres Vorhaben zuerst verschleiern. Hans Gruber wollte nie als Terrorist auftreten, Major Grant („Stirb Langsam 2“) war ein Verbündeter der Söldnergruppe von Colonel Stuart, Simon Gruber ging es weniger um Rache als um einen Goldraub. Und auch Komarov ist ein solcher Verschleierungstaktiker, nutzt Jack McClane wie auch einen alten Kameraden dazu aus, aus dem Gefängnis frei zu kommen, nach Tschernobyl zu gelangen und hier das große Geld zu machen.
Bruce Willis und Jai Courtney
Aber es ist nun einmal nicht mehr 1986, nicht einmal 1988. „Stirb Langsam: Ein guter Tag zum Sterben“ baut auf das alte Motto „Bigger is better“ und sollte hierfür Lügen gestraft werden. John McClane findet sich in bahnbrechenden Autoverfolgungen wieder, bei der die Karosserien nur so über die Straße fliegen. Wer das gegen einen Hubschrauber katapultierte Auto in „Stirb Langsam 4.0“ schon für zu viel des Guten befand, dessen Geduld wird hier wahrlich gefordert. Die Waffen reichen vom Maschinengewehr bis zur Panzerfaust, kaum kommen noch menschliche Fäuste zum Einsatz, ganz zu schweigen von einer – man muss sie hierfür fast schon harmlos nennen – Handfeuerwaffe, die ein jeder New Yorker Polizist in seinem Halfter trägt. Hier aber muss jede Waffe geschultert werden.
„Stirb Langsam: Ein guter Tag zum Sterben“ ist nicht umsonst der erste Film dieser Reihe, der mit 97 Minuten weit unter den zwei Stunden liegt, die alle vorherigen Ausflüge John McClanes locker hervorbrachten. Mit dem fünften Teil scheint sich auch „Stirb Langsam“ zu einer Milchkuh zu verwandeln, die keinen Wert mehr auf die Fortsetzung der Geschichte legt, sondern die Figur des John McClane nur möglichst schnell und oft zurück auf die Leinwand schicken möchte. Das ist für die Zuschauer dann tatsächlich ein äußerst qualvoller und langsamer Tod einer einstigen Action-Ikone.
“Stirb Langsam: Ein guter Tag zum Sterben“
Start: 14. Februar 2013 – Originaltitel: „A Good Day to Die Hard“ – USA 2012 – freigegeben ab 16 Jahren – 96 Minuten – Regie: John Moore – Drehbuch: Skip Woods – Darsteller: Bruce Willis, Jai Courtney, Sebastian Koch, Mary Elizabeth Winstead, Yuliya Snigir, Radivoje Bukvic – Homepage: fox.de/a_good_day_to_die_hard