Ein ganzes halbes Jahr

Von Pressplay Magazin @pressplayAT

Ein ganzes halbes Jahr

2Drama

Ein ganzes halbes Jahr (Originaltitel: Me Before You) erzählt die Geschichte eines ungewöhnlichen Liebespaares. Eigentlich ein sehr schöner Anfang, würde der Film am Ende nicht kläglich scheitern.

Louisa Clark (Emilia Clarke), kurz Lou genannt, ist mit ihrem einfachen Leben recht zufrieden. Sie wohnt in einer Kleinstadt bei ihren Eltern (Brendan Coyle, Samanthha Spiro), die sie finanziell mit ihrer Arbeit in einem Café unterstützt. Ihr Freund, der leidenschaftliche Läufer Patrick (Matthew Lewis), passt eigentlich so gar nicht zu ihr, doch daran stört sich die immer fröhliche Louisa nicht weiter. Alles ist perfekt, bis Lou, unverhofft ihren Job verliert. Sie macht sich sofort auf die Suche nach einer neuen Arbeit und wird zu der gut betuchten Familie Traynor geschickt. Dort soll sie den Sohn von Camila (Janet McTeer), William (Sam Claflin), helfen. Bereits beim ersten Treffen stellt sich heraus, dass die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten.

Während Lou mit einem Lächeln im Gesicht durch die Welt läuft, ist Will vom Schicksal gezeichnet und hat die Freude am Leben verloren. Der einst sehr erfolgreiche und draufgängerische Banker sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl und ist auf fremde Hilfe angewiesen. In Folge wird Lou die Pflegerin von Will und dass, obwohl diese gar keine Berufserfahrung vorweisen kann. Will, der sich völlig aufgegeben hat und seinem Leben ein Ende setzen möchte, soll nun wieder neuen Mut finden. Alle Hoffnungen liegen bei Louisa, die nicht nur eine emotionale Stütze für den Querschnittsgelähmte sein soll.

Der Film von Thea Sharrock, der auf dem gleichnamigen Bestellerroman Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes beruht, schreit eigentlich nach einem leichten Liebesfilm. Dass hier aber von Sterbehilfe die Rede ist, erahnt man erst im Laufe der Erzählung. Wer annimmt, Sharrock würde sich diesem hoch sensiblen Thema mit Gefühl nähern, wird enttäuscht. Die Thematik wird einem stattdessen nüchtern vor die Füße geklatscht und oberflächlich behandelt. Das ist umso erstaunlicher, weil Autorin Jojo Moyes selbst das Drehbuch verfasst hat. Die beiden Frauen konzentrieren sich aber großteils auf die Beziehung zwischen Lou und Will und dass auf ziemlich unkreative Weise – die beiden unterschiedlichen Figuren lernen sich kennen, stellen fest, dass sie sich anziehend finden und kommen sich mit platten Konversationen über Kleidungs- und Lebensstile langsam näher. Untermalt wird das von theatralischen, aufdringlichen Songs, die manchmal recht deplatziert eingesetzt werden. Das wäre an sich alles legitim, würde man eine romantische Komödie, bei der man sinnbefreit mitschluchzen kann, präsentiert bekommen. Thea Sharrock nimmt sich aber einem Thema an, bei dem die Emotionen durchaus hoch gehen können und so zeigt sich die Herangehensweise mehr als schwach.

Auch die beiden Protagonisten wollen so gar nicht funktionieren. Sam Claflin (Die Tribute von Panem) scheitert an der Darstellung eines Querschnittsgelähmten, der jede Hoffnung auf das Leben aufgegeben hat, denn die schwerwiegende Erkrankung Wills wird nur in einer Szene kurz angeschnitten. Somit ist sein Wunsch, seinem Leben aufgrund unerträglicher Schmerzen, ein Ende zu setzen, nicht weiter nachvollziehbar (wenn man die Romanvorlage nicht kennt). Einzig und allein die Spastik Wills gelingt Claflin im Ansatz, doch die Emotionen des gepeinigten Mannes bleiben völlig auf der Strecke. Auch Emilia Clarke (Game of Thrones, Terminator: Genisys) kann nicht überzeugen. Sie verliert im Laufe des Films nicht nur die Kontrolle über ihre Augenbrauen, sondern auch am Schauspiel an sich. Da hilft nicht mal ein stetiges Lächeln, durch welche sie ihre Dialoge und Monologe erzwungen presst. Bei stoischen Charakteren a la  Daenerys Targaryen (GoT) ist sie eindeutig besser aufgehoben.

Ein ganzes halbes Jahr ist, wie der Titel im Original eigentlich schon verrät, ein Film über Egoismus. Doch der Versuch eines Spagats zwischen Komödie und Drama ist Regisseurin Thea Sharrock völlig missglückt. Dem eigentlichen Thema der Erzählung (Sterbehilfe) wird zu wenig Zeit gewidmet und geht in der romantischen Darstellung eines ungleichen Paares komplett unter. Am Ende beißt sich nicht nur die Liebeskomödie an der ernsten Hintergrundgeschichte die Zähne aus, sondern auch die angeblich starke Frauenfigur, die schlussendlich doch nur mit der Hilfe des Mannes ihr eigenes Leben entdeckt und frei wird.

Regie: Thea Sharrock, Drehbuch: Jojo Moyes, Darsteller: Emilia Clarke, Sam Claflin, Vanessa Kirby, Pablo Raybould, Samantha Spiro, Filmlänge: 110 Minuten, Kinostart: 24.06.2016, mebeforeyoumovie.com


Autor

Nina Tatschl

Aufgabenbereich selbst definiert: Redakteurin mit Harmonie versprühenden (Frauenquoten-) Charme. Findet die Formulierung “Words and Music – My only Tools” (Wood) prägend.


 
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