Ein Fremder ohne Namen
Werte Liebhaber des verlorenen Filmes, willkommen zu Hause bei Wonne aus der Tonne. Nachdem es beim letzten Mal hier überdrehten Pop-Feminismus gab, richtet sich diese Ausgabe unserer Filmkolumne mal wieder an die dicken, hartgekochten Eier(-Stöcke) unter euch. Wir reiten gen Westen, wo uns ein ziemlich abgefuckter Westernheld namens Clint Eastwood zeigt, was seine Begriffe von Recht und Ordnung sind. Er macht uns somit mal wieder seine Paraderolle als Ein Fremder ohne Namen.
Ein ebensolcher reitet nämlich in den beschaulichen Ort Lago, der (nona) an einem netten kleinen See gelegen ist. Der Fremde wird von allen Dorfbewohnern mit Argusaugen beobachtet. Nach einem kurzen Abstecher in den Saloon entscheidet sich der Fremde (Clint Eastwood) für eine Rasur. Da wollen ihm drei Rowdys an den Kragen. Der Fremde schießt die drei über den Haufen. Als ihm darauf eine Dorfschönheit blöd kommt, zerrt er sie in den Heuschuppen und knallt sie dort mal ordentlich durch (was ihr nach anfänglichem Widerwillen selbstverständlich gefällt). Das schindet mächtig Eindruck bei der männlichen Dorfbevölkerung, weshalb man den Fremden sogleich für einen Job engagieren möchte. Ein Trio von Banditen wird nämlich demnächst aus dem Knast entlassen und die Befürchtung liegt nahe, dass der erste Weg in Freiheit die Bande nach Lago führen wird. Die Dorfbewohner haben nämlich einst die Gauner an die Behörden verraten. Nun fürchten sie sich vor der Rache der Bösewichte. Der Fremde sagt zu, räumt sich dafür aber freilich alle möglichen Privilegien ein. Doch je näher die Stunde der Abrechnung kommt, desto klarer wird, dass der Fremde sein ganz eigenes Süppchen mit Lago zu kochen hat …
Ein Fremder ohne Namen von 1973 ist Clint Eastwoods zweite Regiearbeit nach Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten. Er kehrte damit in seine Quasi-Prototyp-Rolle als namenloser Fremder zurück, die ihn durch Sergio Leones Dollar-Trilogie zu Weltruhm hat kommen lassen. Auf einem frühen Promo-Bild zu Ein Fremder ohne Namen, sieht man Eastwood auf einem Friedhof, wo auch die Herren Don Siegel und Sergio Leone begraben liegen. Diese Szene hat es nicht in den fertigen Film geschafft, erzählt aber dennoch sehr viel, weshalb sie hier erwähnt sein soll. Der Lehrbub Clint Eastwood löst sich mit diesem Film von seinen beiden Meistern, denen er seine Karriere verdankt – und huldigt sie gleichermaßen. Ihm ist ein geradezu apokalyptischer Western mit Horror-Einschlag gelungen, der nicht zuletzt an den unterschätzten Italo-Western Satan der Rache mit Klaus Kinski denken lässt. Ganz generell wird hier deutlich der Spaghetti-Western gehuldigt. Ende der 60er Jahre hatte dieser es geschafft, den romantisch-verklärten amerikanischen Western endgültig abzulösen – und damit sicher auch ein akkurateres Bild des wilden Westens zu zeichnen, als es die Amerikaner je geschafft haben. Filme der letzten Jahre natürlich ausgeschlossen. John Wayne hasste Ein Fremder ohne Namen übrigens über alle Maßen.
Der Film jedenfalls ist ein zynischer, wenn auch nicht unlustiger Streifen, der eine mustergültige Story von antiker Wucht erzählt. Das gezeichnete Frauenbild ist natürlich unter aller Sau, aber abgesehen davon ist der Film erstaunlich gut gealtert. Das Finale ist derart überhöht und stilisiert – die Stadt brennt, alle Häuser wurden rot gestrichen, kurz davor wurde der Ort vom Fremden in „Hell“ umbenannt – und schafft damit eine Gänsehautatmosphäre, die zu den besten Western-Momenten überhaupt zu zählen ist. Die deutsche Fassung schafft es dann in der letzten Minute Eastwoods Figur zu entmystifizieren, indem sie ihren Namen und damit Motivation des Handelns verrät. Das findet so in der Originalversion nicht statt. Im Gegenteil wird durch eine nicht zu erklärende Rückblende sogar eine Art geisterhafte Rachefigur suggeriert. Was dem Film zusätzlich eine unheimliche Note verleiht.
In Deutschland war der Film übrigens seit den 80ern für beinahe 30 Jahre indiziert. Ein letztes Mal wurde diese Indizierung sogar noch 2013 (!) bestätigt, bevor er 2017 auf Bestreben und insistieren des Labels Capelight endlich vom Index genommen wurde. Ein Vorgehen, das bei heutiger Ansicht natürlich fast ebenso mysteriös erscheint, wie die Rolle des Fremden. Klar gibt’s hier und da ein paar blutige Shootouts, aber nichts was man nicht in jedem Sonntags-Tatort zu sehen kriegt. Uns kann es Wurscht sein, denn heute gibt es den Film ungekürzt zu kaufen, zu streamen oder wie auch immer man sich Filme zuführen möchte.
In diesem Sinne: Howdy Folks und bleibt seltsam.
Ein Fremder ohne Namen
OT: High Plains Drifter, (USA, 1973), Regie: Clint Eastwood, Drehbuch: Ernest Tidyman, Mit: Clint Eastwood, Verna Bloom, Marianna Hill