Ein klarer, offener Blick. Dunkle Haare, mit einem kleinen Glitzerdiadem in Zaum gehalten. Ein ärmelloses weißes Kleid mit zarten Rüschen. Ein personifiziertes Schneewittchen. Und doch kommt Çiğdem Aslan nicht aus einer Traumwelt. Die junge Sängerin wuchs als Tochter alevitischer Kurden in Istanbul auf und zog vor wenigen Jahren nach London.
2013 debütierte sie dort mit der CD „Mortissa“, das vom britischen Magzin „songlines“ zum „Album des Jahres“ gekürt wurde. In Wien trat sie am 14. Oktober im Rahmen des Festivals Salam.Orient in der Sargfabrik auf. Begleitet wurde sie dabei von einem Männerquartett mit Violine, Kontrabass, Perkussion und Kanun. Jener altehrwürdigen orientalischen Kastenzither, die als Vorfahre unserer Zither angesehen wird. Nikolaos Baimpas war der virtuose Interpret dieses Instrumentes, der für seine Darbietungen mehrmals Zwischenapplaus erntete.
Eine Reise vom Peloponnes in die Türkei
Mit ihrer zarten und klaren Stimme sang Aslan Lieder in türkischer, griechischer und kurdischer Sprache. Dabei nahm sie das Publikum mit auf eine Reise vom sonnigen Peloponnes in die Türkei. Der Rembetiko ist nur ein Musikstil, dem sie sich verpflichtet fühlt. Mit feinen Ohren waren aber auch jüdische Melodieabfolgen oder typisch griechischer Volksgesang zu hören, der nicht dem Rembetiko zuzuordnen ist.
Ihre fröhliche Ausstrahlung und ihre knappen Einführungen und Übersetzungen der Liedtexte steckten das Publikum an und ermöglichten, zumindest ein wenig hinter die Musik zu fühlen. Abwechslungsreich sang Aslan von Hochzeitsvorbereitungen, verschmähter Liebe aber selbstverständlich auch von Sehnsucht, Trennungsschmerz und ewiger Treue. Energiegeladen hielt sie dabei humoristische Zwiesprachen mit der Geige von Michalis Kouloumes oder Paul Tkachenko am Kontrabass, der ihr um eine sängerische Antwort nicht verlegen war. Die peitschenden Rhythmen, von Vasilis Sarkis auf seiner Handtrommel mitreißend gespielt, verleiteten das Publikum des Öfteren zum Mitklatschen. Ein paar Hundert Kilometer südlicher und die Menschen hätten sicherlich zu tanzen begonnen.
Çiğdem Aslan berührte auch mit ihrer Erzählung, wie sie Lieder von ihrer Mutter auch heute noch tradiert bekommt. Per Telefon, ganz einfach vorgesungen. Auf ihre Bitte, die einzelnen Strophen doch aufzuschreiben und ihr den Text zu schicken antwortete ihre Mutter am anderen Ende der Leitung schlicht: „Wenn ich das könnte, dann wäre ich wie du als Sängerin auf den Bühnen der Welt unterwegs.“ So einfach und so kompliziert kann das Erlernen von altem Liedgut sein.
Die neue Stimme des Rembetiko
Dieser erste Österreichauftritt war weniger ein Aha-Erlebnis was eine neue Rembetiko-Stimme betrifft. Als solche wird die Sängerin in Großbritannien ja gefeiert. Dass ihr junges Timbre diese Kultur auffrischt und gewissermaßen auch wiederbelebt, steht außer Frage. Darüber hinaus war es ihre feinfühlige Art, die Lieder mit wenigen, aber umso eindrucksvolleren Gesten zu begleiten. Aber auch die stark ausgeprägten Klangfarben, die ihre Begleiter mit ihren Instrumenten zauberten. Eine hochprofessionelle Gruppe mit einer bezaubernden Sängerin, die sicherlich noch öfter in Österreich zu hören sein wird.