Wiedermal ist alles anders beim Halleschen FC, der seit dem Ende der Winterpause Laborwochen ausgerufen hat. In der Meisterschaft geht es allenfalls noch darum, Redbull Sachsen vom vierten Platz zu schieben. Warum also nicht probieren, mit wem ich nächstes Jahr rechnen kann, lautet die Grundregel, nach der Trainer Sven Köhler seine Elf aufstellt. Zuletzt förderte der Mann, der den HFC vor zwei Jahren aus dem Fußball-Koma küsste, dabei mit Angelo Hauk einen Stürmer aus den Tiefen der Ersatzbank zutage, dem kaum einer mehr als einen 100-Meter-Weltrekord für Viertligakicker zugetraut hatte. Doch im Verbund mit dem ebenfalls vom Einwechsel- zum Stammspieler aufgestiegenen Selim Aydemir entpuppte sich Hauk plötzlich als Torjäger - dreimal traf er in vier Spielen. Eine Quote, auf die der bis dahin gesetzte Fußballgott Thomas Neubert nur in seinen ganz, ganz guten Tagen kam.
Hauk und Aydemir sind auch im Nachholspiel gegen den VFC Plauen wieder dabei. Neubert nicht. Außerdem fehlt diesmal Abwehrspieler Telmo Texeira, zuletzt gesetzt. Dafür ist Jan Benes wieder da, zuletzt verletzt. Christian Kamalla verteidigt innen für Abwehrschef Christoph Klippel, ebenfalls verletzt.
Aber das wird wohl nicht viel Arbeit sein heute. Die ersten zehn Minuten spielt nur der HFC, Plauen, mit dem Ex-Hallenser Michel Petrick in Mittelstürmerposition, will nur ein frühes Gegentor vermeiden. Daran ändert auch eine zehnminütige Pause für Mittelfeldmann Marco Hartmann nichts: Halle stürmt in Unterzahl, Plauen haut die Bälle weg. Halle stürmt wieder, aber sowohl Lindenhahn als auch David und Boltze verpassen aus Nahdistanz.
Auf einmal sind die Gelben aus Plauen dann aber durch, fast jedenfalls. Ehe Petrick abziehen kann, spitzelt ihm Patrick Mouyaya zum Glück noch mit chirurgischer Eleganz den Ball vom Fuß. Petrick fällt trotzdem. Der Schiedsrichter pfeift sofort. Elfmeter. Mouaya sieht rot.
Tom Butzmann, der zuletzt im November gegen Redbull hatte verteidigen dürfen. Auch damals zusammen mit Kamalla, damals mit Erfolg.
Auch heute bleibt es dabei. Denn Plauen will oder kann nicht mehr als den Vorsprung verteidigen. Aus der Mannschaft, die noch vor zwei Jahren auf Augenhöhe mit den Gastgebern spielte, ist ein müder Haufen geworden, der Gelegenheiten nicht einmal erkennt, wenn der Gegner wie heute mit der etatmäßigen zweiten Reihe spielt.
Also haben die Hallenser Gelegenheit, den Schock des Gegentores wegzustecken. Und als Benjamin Boltze kurz vor der Halbzeit eine Ecke von rechts tritt, ist da ein Engel für Svenni, der auch noch Angelo heißt. Und der Ball im Tor. Tor vier in Spiel fünf. Wo wären Köhler und seine Männer, wenn das seit August so gehen würde?
Nach der Halbzeitpause ist die Unterzahl optisch nicht zu erkennen, nach einer Viertelstunde dann auch nicht mehr durch nachzählen nachzuweisen. Lindenhahn zieht zum Spurt an, wird kurz hinter der Mittellinie gelegt und nun darf auch Plauens Wendler dorthin gehen, wo Mouaya schon eine Weile sitzt.
Eine rote Karte, die dem Spiel gut tut. Während es immer dunkler wird im Ersatzstadion von Halle-Neustadt, das keine Beleuchtungsanlage besitzt,, stürmen die Hallenser, die Freistöße fliegen im Halbdutzend in den Strafraum und es fehlt drei-, viermal nur ein Hauch zum Führungstor und zum Jubel der 822 Zuschauer, die an einem schon wiedermal eiskalten Winternachmittag mitten in der Woche nichts Besseres zu tun haben als in der Vorstadt Viertligafußball zu gucken. Im Ohr die ganze Zeit einen Lautsprecherwagen der NPD, der vor dem Stadion paradiert und zur Wahl auffordert. Der Wind steht günstig: "Was sagen die, wen soll ich wählen", fragt ein Fan den anderen. "Ich glaube SPD", sagt der.
Der langsam heranreifende Ausgleich muss in einem solchen Spiel gerechterweise durch einen unberechtigten Strafstoß fallen. Hier ist er auch schon: In der 62. Minute trifft eine Flanke von Lindenhahn den am Körper anliegenden Arm des Vogtländers Boden. Der streitet wie zuvor Mouyaya gestritten hat. Bekommt aber auch nicht Recht. Boltze nimmt sich den Ball und schießt ihn ins Netz.
Anschließend geht es ein bisschen mehr hin und her als zuvor, aber nur fünf Minuten lang. Danach hat der HFC das Spiel im Griff, Butzmann, Kamalla, Hartmann, Hauk und der eingewechselte Markus Müller haben Chancen, ein, zwei, viele Tore nachzulegen. Doch erst Selim Aydemir, zu Beginn seiner HFC-Laufbahn ein eitler Selbstdarsteller mit Fallsucht und Hang zu ständigen Diskussionen, inwzischen aber fast schon eine Art Führungsspieler, setzt den Schlusspunkt. Eine Minute vor Ultimo nimmt er einen nach einer Ecke abgewehrten Ball, legt ihn sich kurz auf links und haut ihn als Bogenlampe ins Tor. Im Jubel enthalten sind der Lauf in Richtung Fankurve. Der dicke Schmatzer für das HFC-Emblem auf der Brust. Und der langsame Freudenwalzer mit Angelo Hauk. Zwei Engel für Svenni. Wenn sie ihm denn nicht noch einer fortnimmt.