Morgen erscheint ein neues Buch, bei dem ich mir aufgrund des Titels und Klappentextes nicht ganz sicher war, ob es ein Buch für/ über hochsensible Kinder ist und in meinen Rezensionsschwerpunkt passt. Der Werbeflyer des Urachhaus-Verlags sagt aber eindeutig, dass es "ein wichtiges Buch zum aktuellen Thema Hochsensitive Kinder" ist, und ich freue mich, es euch vorstellen zu können. Meine bisherigen Rezensionen von Büchern über und für hochsensible Kinder findet ihr hier.
Es handelt sich um das Buch "Enno Anders. Löwenzahn im Asphalt"* von Astrid Frank. Die Autorin hat 2 Söhne und schreibt schon seit vielen Jahren Geschichten für Kinder und Jugendliche. Das Buch wird ab 9 Jahren empfohlen, besteht aus 12 Kapiteln und enthält einige farbig sparsame Illustrationen. Der Protagonist Enno fühlt sich "anders": anders als seine Familie, anders als seine Schulkameraden, anders als die meisten Menschen. Während einer Klassenarbeit hört er zum Beispiel das Knacken der Heizung, das Schniefen der Mitschüler und denkt an Ameisenvölker und kann sich deshalb nicht ausreichend konzentrieren. Daraufhin wird er nicht rechtzeitig mit seinem Aufsatz fertig und fängt sich einen Brief der Lehrerin ein. Immerhin geht es um die Empfehlung für's Gymnasium!
Für seine Mutter ist Ennos Verträumtheit, Vergesslichkeit, Ungeschicktheit und Überforderung mit einfachsten Dingen nur schwer zu ertragen. Dass er um eine tote Maus trauert, seine Klamotten zu kratzig findet und die Scheinheiligkeit der Tante durchschaut, findet sie merkwürdig und unnormal. Und dass er nur einen einzigen Freund hat, den komischen, eigenbrötlerischen Olsen, bei dem eine Hochbegabung festgestellt wurde, versteht sie ganz und gar nicht. Der Vater dagegen versteht und verteidigt Enno oft gegen den Druck der Mutter und der Lehrerin.
Enno schreibt phantasievolle Geschichten und träumt sich in andere Welten, wo Wesen wie er selbst und sein verstorbener Opa, von dem er sich immer verstanden fühlte, existieren. Er überlegt, dass er sich unter den ihn umgebenden Menschen ähnlich unnormal wie eine schnell kriechende Schnecke unter normalerweise langsamen Schnecken fühlt: "Eine Schnecke, die 100 Meter in 20 Sekunden läuft, würde bestimmt von ihrer Schneckenlehrerin einen Brief mit nach Hause nehmen müssen, in dem stünde, dass die Schneckenmutter sich baldmöglichst mit der Schneckenschule in Verbindung setzen solle, weil das einfach nicht geht, dass eine Schnecke 100 Meter in 20 Sekunden läuft. Das ist ja vollkommen unnormal!" (S. 47) Er will eine Geschichte bei einem Schreibwettbewerb einreichen, glaubt aber nicht an sich und seine Mutter redet ihm das aus. Stattdessen schleift sie ihn zu einem Psychologen, wo Enno diversen Tests unterzogen wird. Der Einzige, der ihn bei seinem Vorhaben unterstützt, ist sein Freund Olsen.
Wie die Geschichte mit dem Schreibwettbewerb ausgeht, das lest ihr lieber selbst im Buch nach. Was der Psychologe herausfindet, könnt ihr euch denken: Enno ist eine Orchidee, ein hochsensibles Kind. Während die meisten Menschen so wie der Löwenzahn sind und auch mit nicht optimal passenden Bedingungen klarkommen, weil sie sich anpassen können, brauchen Orchideen ein optimales Umfeld, um gut zu funktionieren. Ist das nicht gegeben, gehen sie ein bzw. unter, können sich schlecht konzentrieren und Druck und Belastungen schwer aushalten. Für Enno und vor allem für seine Mutter ist diese Erkenntnis befreiend und erleichternd. Die Mutter wird danach zur Löwenmama und regelt die Sache mit der Lehrerin fulminant. Nun könnte man kritisch anmerken: schade, dass die Mutter die Aussage eines Psychologen braucht, um ihren Sohn so anzunehmen, wie er ist. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass es sehr heilsam sein kann, endlich einen Namen für etwas Unerklärliches zu haben, und dass man dann besser mit den Eigenheiten umgehen kann. Gerade, wenn man selbst kein hochsensibler Mensch ist wie Ennos Mutter, bedeutet diese Veranlagung doch wirklich eine große Herausforderung für die Eltern eines solchen Kindes.
"Enno Anders"* ist eine wunderbare Ergänzung der bisher spärlichen Bücher, die speziell für hochsensible Kinder und deren Eltern verfasst wurden. Es liest sich gut und man kann sich bestens in den Protagonisten Enno hineinversetzen. Auch die Konflikte zwischen Unverständnis und Unterstützung für ihren Sohn, die die Eltern austragen, lassen sich wunderbar nachvollziehen und kennt jeder, der ein hochsensibles Kind hat. Ein wenig missverständlich fand ich, dass im Untertitel des Buches von "Löwenzahn" die Rede ist. Denn das ist ja genau das Gegenteil eines hochsensiblen Kindes. Es wird aber ganz am Schluss aufgeklärt.
Ich empfehle euch als Eltern eines hochsensiblen Kindes oder euren hochsensiblen Schulkindern das Buch sehr gern zur Lektüre. Auch Lehrer und Erzieher sollten sich dringend mit diesem Thema befassen. Und ich freue mich schon, wenn mein Sohn alt genug ist und den Enno*, die Betty*, den Philipp* und den Henry* kennenlernen kann. Leseempfehlung!
Die Eckdaten:
Astrid Frank: "Enno Anders. Löwenzahn im Asphalt"*, Urachhaus Verlag, März 2017, 160 Seiten, ISBN 978-3825151225, € 14,90
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Es handelt sich um das Buch "Enno Anders. Löwenzahn im Asphalt"* von Astrid Frank. Die Autorin hat 2 Söhne und schreibt schon seit vielen Jahren Geschichten für Kinder und Jugendliche. Das Buch wird ab 9 Jahren empfohlen, besteht aus 12 Kapiteln und enthält einige farbig sparsame Illustrationen. Der Protagonist Enno fühlt sich "anders": anders als seine Familie, anders als seine Schulkameraden, anders als die meisten Menschen. Während einer Klassenarbeit hört er zum Beispiel das Knacken der Heizung, das Schniefen der Mitschüler und denkt an Ameisenvölker und kann sich deshalb nicht ausreichend konzentrieren. Daraufhin wird er nicht rechtzeitig mit seinem Aufsatz fertig und fängt sich einen Brief der Lehrerin ein. Immerhin geht es um die Empfehlung für's Gymnasium!
Für seine Mutter ist Ennos Verträumtheit, Vergesslichkeit, Ungeschicktheit und Überforderung mit einfachsten Dingen nur schwer zu ertragen. Dass er um eine tote Maus trauert, seine Klamotten zu kratzig findet und die Scheinheiligkeit der Tante durchschaut, findet sie merkwürdig und unnormal. Und dass er nur einen einzigen Freund hat, den komischen, eigenbrötlerischen Olsen, bei dem eine Hochbegabung festgestellt wurde, versteht sie ganz und gar nicht. Der Vater dagegen versteht und verteidigt Enno oft gegen den Druck der Mutter und der Lehrerin.
Enno schreibt phantasievolle Geschichten und träumt sich in andere Welten, wo Wesen wie er selbst und sein verstorbener Opa, von dem er sich immer verstanden fühlte, existieren. Er überlegt, dass er sich unter den ihn umgebenden Menschen ähnlich unnormal wie eine schnell kriechende Schnecke unter normalerweise langsamen Schnecken fühlt: "Eine Schnecke, die 100 Meter in 20 Sekunden läuft, würde bestimmt von ihrer Schneckenlehrerin einen Brief mit nach Hause nehmen müssen, in dem stünde, dass die Schneckenmutter sich baldmöglichst mit der Schneckenschule in Verbindung setzen solle, weil das einfach nicht geht, dass eine Schnecke 100 Meter in 20 Sekunden läuft. Das ist ja vollkommen unnormal!" (S. 47) Er will eine Geschichte bei einem Schreibwettbewerb einreichen, glaubt aber nicht an sich und seine Mutter redet ihm das aus. Stattdessen schleift sie ihn zu einem Psychologen, wo Enno diversen Tests unterzogen wird. Der Einzige, der ihn bei seinem Vorhaben unterstützt, ist sein Freund Olsen.
Wie die Geschichte mit dem Schreibwettbewerb ausgeht, das lest ihr lieber selbst im Buch nach. Was der Psychologe herausfindet, könnt ihr euch denken: Enno ist eine Orchidee, ein hochsensibles Kind. Während die meisten Menschen so wie der Löwenzahn sind und auch mit nicht optimal passenden Bedingungen klarkommen, weil sie sich anpassen können, brauchen Orchideen ein optimales Umfeld, um gut zu funktionieren. Ist das nicht gegeben, gehen sie ein bzw. unter, können sich schlecht konzentrieren und Druck und Belastungen schwer aushalten. Für Enno und vor allem für seine Mutter ist diese Erkenntnis befreiend und erleichternd. Die Mutter wird danach zur Löwenmama und regelt die Sache mit der Lehrerin fulminant. Nun könnte man kritisch anmerken: schade, dass die Mutter die Aussage eines Psychologen braucht, um ihren Sohn so anzunehmen, wie er ist. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass es sehr heilsam sein kann, endlich einen Namen für etwas Unerklärliches zu haben, und dass man dann besser mit den Eigenheiten umgehen kann. Gerade, wenn man selbst kein hochsensibler Mensch ist wie Ennos Mutter, bedeutet diese Veranlagung doch wirklich eine große Herausforderung für die Eltern eines solchen Kindes.
"Enno Anders"* ist eine wunderbare Ergänzung der bisher spärlichen Bücher, die speziell für hochsensible Kinder und deren Eltern verfasst wurden. Es liest sich gut und man kann sich bestens in den Protagonisten Enno hineinversetzen. Auch die Konflikte zwischen Unverständnis und Unterstützung für ihren Sohn, die die Eltern austragen, lassen sich wunderbar nachvollziehen und kennt jeder, der ein hochsensibles Kind hat. Ein wenig missverständlich fand ich, dass im Untertitel des Buches von "Löwenzahn" die Rede ist. Denn das ist ja genau das Gegenteil eines hochsensiblen Kindes. Es wird aber ganz am Schluss aufgeklärt.
Ich empfehle euch als Eltern eines hochsensiblen Kindes oder euren hochsensiblen Schulkindern das Buch sehr gern zur Lektüre. Auch Lehrer und Erzieher sollten sich dringend mit diesem Thema befassen. Und ich freue mich schon, wenn mein Sohn alt genug ist und den Enno*, die Betty*, den Philipp* und den Henry* kennenlernen kann. Leseempfehlung!
Die Eckdaten:
Astrid Frank: "Enno Anders. Löwenzahn im Asphalt"*, Urachhaus Verlag, März 2017, 160 Seiten, ISBN 978-3825151225, € 14,90
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