Es ist ein schönes Gefühl, wenn man über etwas stolz ist. Zum Beispiel über eine Wanderung, eine sportliche Leistung oder darüber, dass man eine Ausbildung, ein Projekt oder eine Arbeit erfolgreich abgeschlossen hat.
Wir Menschen sind gerne stolz. Da ist die junge Frau, die stolz ist über ihre Schönheit (bis diese halt abzublättern beginnt) oder der kräftige Bursche, der stolz ist über seine Ausdauer (bis er plötzlich dick ist), aber auch der General, der stolz ist über seine Siege (bis er verliert).
Keiner ist darüber stolz, dass er sehen kann, oder dass er Haare auf dem Kopf hat. Da scheint es doch zu eindeutig, dass das lediglich ein Geschenk der Natur war. Der Stolz entsteht ja nur richtig doll, wenn man sich vergleichen kann. Andere haben das oder jenes nicht erreicht, sie haben vielleicht sogar in direkter Konkurrenz zu mir verloren, also bin ich stolz. Ich war besser. Dann darf der Hahn seine bunten Federn aufbauschen.
Wenn man aber wirklich genau hinguckt, gibt es leider keinen Erfolg, der nicht von Fortuna und Zeitgeist begünstigt war, bei dem nicht Gene und Erziehung, Wohlstand und Beziehung mit im Spiele waren – und objektiv gesehen, kann der stolze Held gar nichts dafür. Es war immer ein Geschenk, eine Gnade oder ein Zufall.
Ob wohl deshalb die Altväter unsere Kirche vor 1700 Jahren die «superbia» („Hochmut“, seit 1992 „Stolz“) als erste unter den sieben Todsünden nannten? Im sechzehnten Jahrhundert hat der Weihbischof von Trier, Binsfedius (ein Hexenspezialist übrigens), jeder Todsünde noch einen Dämon zugeordnet: der Stolz bekam als Betreuer den Luzifer höchstpersönlich. Nun ja, genau genommen war auch damals ein bisschen superbia nur ein „Hauptlaster“, und erst die volle Ausprägung führte dann zu ewiger Höllenstrafe, nämlich als Todsünde.
Da darf man also doch noch ein bisschen stolz sein – stolz, über all die glücklichen Zufälle, die mir die Natur zuträgt.
Bild oben:
Dies ist der Baum, von dem ich dir erzählt habe / 63cm x 42cm / Gouache auf Aquarellpapier / 2005, Nr.05-005