Ein atemberaubender Moment in der Debatte der Republicans

Gestern Nacht fand die zweite Debatte der Republicans im US-Vorwahlkampf statt, dieses Mal mit 11 Kandidaten (Carly Fiorina war nach ihrer starken Performance bei der letzten "Junior-Debatte" mithinzugezogen worden) und über drei Stunden. Abgesehen von einem leichten Strategiewechsel bei Trump (nicht mehr ganz so aggressiv) war die Debatte vor allem reichlich mäandernd mit merkwürdigen Schwerpunktsetzungen (kaum Steuern, überhaupt kein Obamacare). Eine Frage jedoch sticht so heraus, dass man die Antworten auch einem deutschen Publikum zeigen und sie kommentieren will, denn sie offenbaren eine Sollbruchstelle innerhalb der Partei der Republicans, die unter den Bedingungen der Auseinandersetzung mit Hillary Clinton nur größer werden kann.
Die Frage war, welche Frau die Kandidaten auf den 10-Dollar-Schein drucken würden (Video). Hintergrund der Frage ist die Forderung, das bisher rein männliche Roster der Köpfe auf US-Geldscheinen mit wenigstens einer Frau zu diversifizieren, und das US-Schatzamt hat zugesagt, dafür Alexander Hamilton vom 10-Dollar-Schein zu werfen. Diese Entscheidung ist in sich selbst sehr kontrovers, weil der 10-Dollar-Schein einer der am wenigsten gebrauchten Scheine in den USA ist, während neben dem (mit George Washington besetzten) Ein-Dollar-Schein der Zwanziger am Häufigsten gebraucht wird - was eine Initiative auch zum Anlass nimmt, eine Frau auf diesem Schein zu fordern, auf dem zudem das Konfertei von Jackson prangt. Jackson war nicht nur ein Gegner der US-Zentralbank und des Papiergelds allgemein sondern auch ein Rassist, Sklavenhalter und Massenmörder, weswegen es mehr als überfällig ist, ihn aus dem Geldumlauf zu entfernen.
Aber zurück zu den Kandidaten. Auf die Frage, wen sie auf den Schein packen würden - und sind wir ehrlich, in Wirklichkeit lautete die Frage "Nenne eine historisch berühmte amerikanische Frau" antworteten sie wie folgt:
Rand Paul: "You know, I agree with what Carly said on women suffrage, and so I think that Susan B. Anthony would be my choice."
Susan B. Anthony war eine überzeugte Suffragettin und die erste registrierte Wählerin in den USA. Pauls Wahl erscheint daher angemessen, auch wenn Anthony selbst bisher eher unbekannt sein dürfte. Aber die meisten Deutschen dürften Clara Schumann auch nur vom 100-Mark-Schein gekannt haben, von daher wäre das weniger ein Problem. Paul zeigt hier seine libertäre Seite, für Bürgerrechte.
Mike Huckabee: "That's an easy one, I'll out my wife on there. I've been married to her 41 years, she fought cancer and lived through it, she raised three kids, five great grandkids and she put up with me, I mean, who else could possibly be on that money other than my wive? And that way, she could spend her money with her own face."
Es sind Momente wie diese, die man sich eigentlich gar nicht ausdenken kann. Ernsthaft, Mr. Huckabee? Deine Frau? WEIL SIE MIT DIR VERHEIRATET WAR? Ihre sonstigen Errungenschaften: das Erfüllen des konservativen Wunschtraums, Kinder großgezogen zu haben. Das Einzige, was Huckabee zu einer eigenen Lebensleistung einfällt ist, dass sie überlebt hat, ein Erfolg, der es ihr ermöglicht hat die "großartigen Enkelkinder" zu erziehen. Dafür aber könnte sie immerhin ihr "eigenes Geld" ausgeben, statt wie bisher das ihres viel besseren Ehemanns zu verbrauchen. Auf die Frage nach historisch bedeutsamen Frauen, die man neben Washington, Jackson und Lincoln auf die Geldscheine drucken kann fällt ihm genau niemand ein; stattdessen macht er die Frage zu einem dummen, sexistischen Witz über seine Ehefrau. Wahnsinn.
Marco Rubio: "Rosa Parks. An everyday American that changed the course of history."
Eine sichere Bank. Rosa Parks ist schwarz (was es Rubio gleich ermöglicht, sich von Trump und den anderen hatern abzusetzen) und die wohl berühmteste Frau. Niemand kann ernsthaft etwas gegen sie und ihr Ziel zur Gleichberechtigung der Schwarzen haben.
Ted Cruz: "Well, I wouldn't change the ten-dollar-bill, I'd change the twenty, and I would pull Jackson off and I'd leave Alexander Hamilton right where he is as one of our Founding Fathers. And I very much agree with Marco that it should be Rosa Parks, she was a very principled pioneer that helped this country, helped remedy social injustice, and that would be an honor, that would be enitrely appropriate."
Ted Cruz, der als Feuerfresser sonst nur Trump Konkurrenz macht, überrascht hier, indem er nicht nur den Südstaatenliebling Jackson vom Zwanziger werfen will sondern auch den Rosa-Parks-Vorschlag unterstützt. Gleichzeitig aber weiß er, beide für seine Ideologie zu kooptieren: den ersten wirklich großen Fan von big government, Alexander Hamilton, wirft er hier einfach mit Thomas Jefferson und den anderen Founding Fathers in denselben Tea-Party-Topf, und Rosa Parks wird durch das Adjektiv "prinzipientreu" in die sozialkonservative Richtung gezogen. Well played, Mr. Cruz.
Ben Carson: "I'd put my mother on there. She was one of twenty-four children, got married at age thirteen, had only a third-grade education, had to raise two sons by herself, refused to be a victim, wouldn't let us be victims, and has been an inspiration for many people."
Ohne die persönlichen Qualitäten von Mrs. Carson in Abrede stellen zu wollen, aber nichts davon qualifiziert sie als Symbol der gesamten Nation, besoners weil die "vielen Menschen", die sie inspiriert hat, wohl kaum die Hunderter-Marke überschreiten - was in einem Land von über 300 Millionen nicht gerade viel ist. Carsons Begründung ist eine, die ein absoluter Monarch geben würde, der sich einen feuchten Kehricht um seine Nation kümmert, und die Ignoranz, die er gegenüber der Symbolwirkung einer solchen Tat zur Schau stellt, ist beeindruckend. Sie zeigt auch, wie ungeheuer ungeeignet er für das Amt - jedes Amt - ist. Diesen Menschen an die Macht zu lassen ist ein Rezept für radikale, allein getroffene und desaströse Entscheidungen. Daneben findet sich das für schwarze Republicans typische Muster, die Probleme der Schwarzen in den USA komplett ihnen selbst zuzuschreiben. Kein "Opfer" sein zu wollen sondern sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen - wofür Carson mit seiner Lebensgeschichte eindrücklich steht - ist hier einer der vielen Codes, die dazu verwendet werden.
Donald Trump: "Well, because she's sitting here for three hours, my daughter Ivanka sits right here. Other than that, we'll go with Rosa Parks, I like that."
Donald Trump hat das Pech, erst jetzt zum Zug zu kommen, so dass nach Huckabee und Carson der Gag, einen eigenen Verwandten zu nennen - denn er mit entsprechend Arroganz versehen hätte bringen können - lahm verpufft. Dafür hat er das Glück, sich Rosa Parks abschreiben zu können, auf die er alleine vermutlich nie gekommen wäre.
Jeb Bush: "I would go with Ronald Reagan's partner, Margret Thatcher. Probably illegal, but what the heck. Since it's not gonna happen. A strong leader is what we need in the White House and she certainly was a strong leader who restored the United Kingdom to greatness."
Vermutlich fiel Bush auf, wie ungeschickt seine Antwort war, weswegen er noch weitere Qualifikationen anfügte. Erst "das passiert sowieso nicht", wobei unklar ist, worauf sich das bezieht: eine Frau auf einem Geldschein? Nicht mir dir, Jeb, das hast du klar gemacht. Margret Thatcher? Natürlich nicht, aber warum nennst du sie dann? Ach ja, weil wir einen "starken Anführer" im Weißen Haus brauchen (womit er natürlich sich meint), und sie war ja eine. Und sie hat die "Größe des Vereinigten Königreichs wiederhergestellt", was super zu Jebs Motto "Right to Rise" passt - die Wiederherstellung amerikanischer Größe, die ihn unter den anderen Kandidaten wirklich gar nicht hervorhebt. Die gesamte Antwort und vor allem wie sie vorgebracht wird zeigt die enormen Schwächen Bushs als Wahlkämpfer auf. Er und Hillary Clinton sind sich auch in dieser Hinsicht sehr ähnlich und werden sich im eigentlichen Wahlkampf darin neutralisieren.
Scott Walker: "First, thanks to Huckabee and Carson for making us all look like chumps up here, but I'd put Clara Barton. I once worked for the Red Cross, she was a great founder of the Red Cross."
Barton war die Gründerin des amerikanischen Roten Kreuzes. Sie qualifiziert damit und zeigt gleichzeitig eine Seite an Scott Walker, die dieser gerne hervorheben würde: seinen bodenständigen Konservatismus, der sich in diesem Fall durch Arbeit bei der Charity auszeichnet. Das Ganze kommt auch authentisch herüber, weil er ihren (unbekannten) Namen kennt, er bekommt aber Abzug in der B-Note, weil seine Qualifizierung eines "großartigen Gründers" nicht eben dafür spricht, dass er neben dem Wissen um ihre Existenz viel mehr Details auflisten könnte. Zu seinem Glück musste er das auch nicht.
Carly Fiorina: "I wouldn't change the ten-dollar-bill, or the twenty-dollar-bill. Honestly, I think it's a gesture. I don't think it helps to change our history. What I would think is that we ought to recognize our women aren't a special interest group, they're the majority of this nation, we are half the potential of this nation, and this nation will be better off if she has the opportunity to live the live she chooses."
Fiorina macht hier mit den Frauen - einer Stammwählerschaft der Democrats - was Carson mit den Schwarzen - dito - versuchte: das vorherrschende Narrativ ihrer Benachteiligung zu ändern und die Schuld hierfür der Gruppe selbst zuzuschreiben. Wie Carson auch kann sie das dank ihrer eigenen Lebensgeschichte glaubhaft tun. Beide erklären, dass es keine Symbolpolitik brauche (während sie in der Reagan-Library vor der Air Force One stehen) und dass es eine reine Willensfrage sei, ob man in Amerika eine Chance habe. Das ist natürlich Unfug, aber man muss Fiorina Respekt dafür zollen, wie sie all das in einen Satz verschwurbelt. Ähnlich geht sie auch in Fragen der Klimapolitik vor, wie Jonathan Chait dargestellt hat.
John Kasich: "It probably wouldn't be legal, but I would pick Mother Theresa. The lady that I had the chance to meet, the woman who lived a live so much bigger than our own, an inspiration to everyone when we think about to love our neighbors as we love ourselves."
Kasich, der Gouverneur von Ohio, zeigt ebenfalls seine wahlkämpferischen Fähigkeiten. Obwohl seine Wahl natürlich Unsinn ist wählt er eine weltweit bekannte, unangreifbare Ikone konservativer Fürsorge, belegt seine eigenen Referenzen durch den Hinweis dass er sie selbst getroffen hat und setzt sich von den anderen einmal mehr dadurch ab, dass er die Fremdenhetze nicht mitmacht sondern mit einem Bibelzitat zur Nächstenliebe anmacht. Well played, Mr. Kasich.
Chris Christie: "I think the Adams family has been shorted in the currency business. Our country wouldn't be here without John Adams, and he would not have been able to it without Abigail Adams, so I'd put Abigail Adams on the bill."
Christies Wahl ist solide: Abigail Adams gehört zu den aktivsten Präsidentengattinnen überhaupt, ohne gleich - wie die noch geeignetere Eleanor Roosevelt - zu liberal zu sein und kommt aus dem Nordosten, in dem Christie Gourverneur ist und ohne dessen Unterstützung er keine Chance hat. Insgesamt aber kann er sich damit nicht vom Feld abheben, was kein ernsthaftes Problem wäre wenn er wie Bush ein gutes Netzwerk und eine gut gefüllte Kriegskasse hätte, aber Christie hat miserable Umfragewerte und braucht dringend etwas, mit dem er sich abheben kann.
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Generell zeigen die Antworten auf diese Frage eine große Schwäche vieler Kandidaten der Republicans auf: der Ruf der GOP, eher frauenfeindlich zu sein und in Fragen der Bürgerrechte sogar regressiv wird von der Hälfte der Kandidaten eher unterstützt. Völlig indiskutabel sind Huckabee und Carson, die beide nachdrücklich beweisen, wie ungeeignet sie jenseits der Basis der radikalen Republicans als Präsidentschaftskandidaten sind und sich als Vertreter der ganzen Nation völlig disqualifizieren. Auch der Versuch, Rosa Parks als eine Konservative umzuschreiben läuft bereits seit längerer Zeit und hat bisher wenig Erfolg gezeigt, bietet aber immerhin eine sichere Bank, um diese zentralen Bevölkerungsgruppen nicht noch weiter abzustoßen. Wenn die Republicans es nicht schaffen, hier ihre message zu verändern - und natürlich auf dem Feld der Einwanderung und dem Umgang mit den Illegalen Einwanderen - werden sie keine Chance haben, das Weiße Haus im November 2016 zu erobern. Bis dahin ist natürlich noch über ein Jahr Zeit, in dem Botschaften angepasst und Images aufpoliert werden können. Aber wäre ich ein Anhänger der Republicans würde mir angesichts ihrer bisherigen Perfomance echt das Gruseln kommen.

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