Ein Antifaschismus für Hemden, Blusen und Waschmittel

Von Robertodelapuente @adsinistram
Der bundesrepublikanische Antifaschismus ist nur eine dünne Lackschicht. Nur oberflächlich aufgepinselt, nicht verinnerlicht. Das konnte man zuletzt bei der Reaktion des ZDF sehen. Was da letzte Woche geschah, ist ein recht gutes Beispiel für die allgemeine Haltung zum geschichtlichen Erbe.
Das »Morgenmagazin« entschuldigte sich via Facebook bei seinen Zuschauern. Der Moderator habe nicht mit einem braunen Hemd einen Bericht zu den »Hooligan-Krawallen« angesagt. Es war olivgrün, sehe aber im Fernsehen dummerweise braun aus. Das sei nicht beabsichtigt gewesen. »Wir entschuldigen uns für den entstandenen Eindruck.« Kein Braunhemd also, dass da einen Beitrag anmoderiert. Einfach nur modischer Fehlgriff. Das kann passieren. Deshalb muss man dem ZDF keinen Vorwurf machen. Aber es scheint Zuschauer in diesem Land zu geben, die ein braunes Hemd mit einem Braunhemd verwechseln und es für eine unterschwellige Botschaft halten, wenn jemand in einem braunen Hemd Berichte über Nazi-Aufmärsche ansagt, die noch nicht mal als solche bezeichnet werden. Und vor diesen »Wächtern des Antifaschismus« hat das Zweite Angst, womit wir beim vorauseilendem Gehorsam wären.

Seltsam ist, dass sich dieser Fernsehsender nie dafür entschuldigt hat, dass ein Alpenrocker, der völkische Texte verbreitet, homophob und gegen die Gleichstellung der Geschlechter ist und überdies auf einem seiner Cover als fleischgewordenes Hakenkreuz zu sehen ist, von den Gebühren der Leute als Dauergast in diversen ZDF-Shows firmiert. Auch komisch, dass man kein Wort der Einsicht vernahm, als die »Tagesthemen« falsche Meldungen zur Ukraine verbreiteten. Sie nannten faschistische Gruppen einfach eine »demokratische Bewegung« und bauten Oligarchen und ihre faschistoiden Methoden zu neuen Hoffnungsträgern auf. Und aktuell nennt man Neonazis Hooligans und keiner kommt um die Ecke und sagt: »Wir entschuldigen uns für den falsch entstandenen Eindruck.«
Es ist alles so schrecklich oberflächlich. Diese Gesellschaft regt sich über Nichtigkeiten auf, die man zu braunen Welteroberungsversuchen verklärt. Braune Hemden, eine 88 auf einer Ariel-Verpackung, angebliche Runen auf Blusen, lauter so blühender Unsinn. Und dann ziehen alle den Schwanz ein, weil sie Angst um ihr Image haben. Man kann zwar die faschistischen Freunde des Westens nachrichtlich leugnen, aber ein braunes Hemd geht auf keinen Fall. Man kann ohne Imageschaden Kinderarbeit ausbeuten, Rohstoffe plündern und mit Militärdiktaturen paktieren, so wie Procter & Gamble, dem Hersteller von Ariel, aber eine 88, diesen Code für Neonazis, der den achten Buchstaben des Alphabets andeuten soll, und den die Mehrheit der Menschen gar nicht kennt, führt zur großen Imagekampagne und zu Entschuldigungen. Eine Bluse mit kleinen Zeichen, die wie eine SS-Rune aussehen, ruft den »Antifaschismus« auf den Plan. Aber die Herstellung der Bluse unter Bedingungen, die einem faschistischen Lager entsprechen, kümmert uns schon wieder weniger.
Dieser symbolhafte Antifaschismus, der Hemden, Blusen und Waschmittel-Packungen entschuldigt, aber ansonsten eine flexible Größe bleibt, die ganz nach Lust, Laune und ökonomischen Notwendigkeiten formbar ist, soll die Lehre aus der Geschichte sein? Oder ist es die Leere der Geschichte, die etwas entstehen lässt, das sich Antifaschismus ruft, aber nicht mehr als oberflächliche Aufgebrachtheit ist? Wir sind als Gesellschaft in Feierstunden so stolz auf dieses »Nie wieder!«, aber werktags erschöpft sich dieser Leitgedanke in der Jagd auf Hemden, Blusen und Waschmittel. Und auf der anderen Seite entschuldigen sich dann natürlich auch welche für ihre Hemden, ihre Blusen und ihre Waschmittel. Die Kommunikation dieses kleinbürgerlichen Antifaschismus klappt blendend. Die einen rufen »Das sieht aus wie Faschismus!«, die anderen rufen »Entschuldigung! Falscher Eindruck!« zurück. Profunder wird es allerdings nicht. Dass es sich nämlich nach faschistischen Mitteln anfühle und nicht nur so aussehe, weil auf Ariel nicht nur 88 steht, sondern auch Kinderarbeit stecke, hört man dann schon nicht mehr. Dergleichen rufen vielleicht die Linken. Aber das sind ja eh nur Spinner.
Antifaschismus sollte ja eigentlich auch immer ein Gestaltungsauftrag sein. Was da so aussieht, als sei es das Resultat von historischer Sensibilisierung, dürfte aber das glatte Gegenteil dessen sein. Dieser optische Antifaschismus, der sich am Design und am Outfit aufgeilt, ist ein Surrogat. Der Ersatz dafür, dass man den inhaltlichen Rechtsruck schon lange akzeptiert hat. Heute ist diese Haltung gegen den Faschismus wie alles nur noch äußerliche Empörungskultur. Kurz angebunden. Schnelllebig. Ohne Tiefgang. Das ZDF könnte sich tatsächlich für viel entschuldigen. Es hat Sarrazin hofiert, hat in »Aktenzeichen XY« Dönermorde aufklären wollen, gibt rechten Trommlern immer wieder Sendezeit. Man nahm es hin. Kaum Anklagen, keine vorauseilenden Entschuldigungen. Das Hemd dieses Moderators ist allerdings unser kleinstes Problem.
&button;