Zwei Jahre liegt der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse gekrönte Roman Vor dem Fest von Saša Stanišić zurück. Nun legt der Autor mit Fallensteller ein Band mit zwölf Erzählungen vor. Die Geschichten handeln von den unterschiedlichsten Menschen: Ferdinand Klingenreiter, der den Band mit seiner Zaubershow eröffnet. Nur interessiert sich keiner im Publikum für seine Darbietungen, lediglich sein Neffe Felix erbarmt sich, als Freiwilliger für seine Tricks auf die Bühne zu kommen. Dann wiederum geht es in anderen Geschichten in loser Abfolge um einen jungen Erzähler und seinen Freund Mo. Sie sind in Skandinavien unterwegs, weil Mo in eine Menschenrechtsaktivistin verliebt ist. Später stehlen die beiden das Gemälde einer syrischen Malerin, die mithilfe ihrer Kunst den Krieg verarbeiten will.
In der titelgebenden Geschichte geht Stanišić zurück an den Ort von Vor dem Fest: Fürstenfelde in Uckermark. Der Schriftsteller ist fort, nur „Literatur-Touristen“, die „auf den Spuren des Buchs“ sind, erinnern an ihn. Ansonsten sind alle noch da: Lada, Angela und Ulli. Das Dorf wird zum Schrecken der Bewohner von einem Wolf heimgesucht, der schon das ein oder andere Schaf gerissen hat. Helfen soll ein in Reimen sprechender Fallensteller. Seine Fallen funktionieren nicht, dafür aber bringt er Unruhe ins Dorf.
So unterschiedlich die Erzählungen in Fallensteller sind, und so skurril und teilweise befremdlich ihre Figuren, so haben sie alle dennoch Stanišićs äußerst fantasievollen Umgang mit der deutschen Sprache gemeinsam. Stanišić kam 1992 im Alter von 14 Jahren nach Deutschland, mit seinen Eltern floh er vor dem bosnischen Bürgerkrieg. Dieser Blick aus einer anderen Perspektive erlaubt es dem Autor, mit allen Facetten der Sprache zu spielen. Die Handlung der Geschichten ist fast schon nebensächlich, vielmehr probiert Stanišić neue Wortkombinationen aus oder vertauscht den Sinn eines Wortes, um den Grenzen der Sprache näher zu kommen: Ein Kellner „schwitzt freundlich“, Ohren sind „stolz“ und jemand kreischt „uckermarkerschütternd“.
Auf die Spitze treibt Stanišić es mit den Erzählungen – meine Favoriten im Band – von Georg Horvarth. Der Justiziar befindet sich in einer Sprachkrise, sehnt sich danach, in einer eigenen Sprache sprechen zu können, das Richtige zu sagen und präzise zu sein. Doch immer bleibt er an Bildern oder Redewendungen hängen, bis ihm simple Gedanken fraglich, sinnlos und letztendlich unaussprechlich erscheinen. Stanišićs gewitzter Einfallsreichtum brachte mich in diesen Erzählungen zum Schmunzeln:
„Aus den Dächern wachsen rote Blumen. Auf den Ladeflächen verlebter Pickup-Trucks starren verlebte Leiharbeiter in eine jeweils ausschließlich eigene Richtung. Hunde dösen am Straßenrand in der Morgensonne, in der Hunde am Straßenrand dösen.“ (S. 121)
Und doch stimme ich der Kritik von Zeilensprünge zu, wenn Figuren in Fallensteller als „eher papierne Spielzeuge unter Autorgewalt“ beschrieben sind. Sie sind nicht authentisch und regelrecht unnahbar, was auch am fehlenden Einfühlungsvermögen des Autors liegt. Störend sind zum Teil auch die Plots. Zwar ist es nicht weiter schlimm, wenn Geschichten nicht in einer chronologischen Reihenfolge erzählt werden, doch es fehlen Querverweise, die gerade die Erzählungen in einem anderen Licht erscheinen lassen, in denen die gleichen Figuren vorkommen, wie etwa der Ich-Erzähler und sein Freund Mo, die Hauptfiguren in mehreren Erzählungen sind.
Fallensteller ist ein Erzählband, der voller einfallsreichen Gedanken über die deutsche Sprache steckt und zum Schmunzeln bringt. Jedoch hinken Figuren und Plot Stanišićs Ideen hinterher und ermüden mit ihrem langsamen Tempo auch den Leser.
Saša Stanišić: Fallensteller. Luchterhand. München 2016. 288 Seiten. 19,99 Euro.
Weitere Quelle zur Biographie des Autors: Goethe-Institut