Neokolonialismus? Wie gelingt es der wirtschaftlich-politischen Elite immer wieder, eine Politik zu verfolgen, die den Interessen der Bevölkerungsmehrheit zuwiderläuft?
„…Außer den wirtschaftlichen und politischen Führungsmächten USA und EU samt ihrem militärischen Bündnis NATO hat niemand die Macht, weltweit mit hegemonialem Anspruch zu agieren. Sie allein sind in der Lage, die eigenen Interessen überall durchzusetzen, je nach Lage und Opportunität auch mit militärischer Gewalt.
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Unter Berücksichtigung dieser wirtschaftlich-militärischen Selbstermächtigung mag es naiv klingen, an das sozial-psychologische Prinzip der Reziprozität zu erinnern. Danach kann ein soziales System – seien es zwei Menschen oder ganze Staaten – auf Dauer nur dann bestehen, wenn faire Regeln so wirken, dass kein Partner sich über den andern erheben kann. Asymmetrische Systeme können nur mit Gewalt aufrechterhalten werden, denn ständige Überheblichkeit, Dominanz und Ausbeutung erzeugen Wut, Empörung und Hass. Die Antwort auf den verwunderten Ausruf „Warum hassen sie uns?“ (G.W. Bush) lässt sich hier finden. Die Folgen mangelnder Reziprozität lassen sich in einer Schulklasse genauso beobachten wie in und zwischen ganzen Staaten.
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Gerade in Fragen von nationaler Bedeutung hat die politische Führung (und die ihr verbundenen Medien) große Mühe darauf verwendet, mögliche Widerstände in der Bevölkerung gegen die Wirtschafts- und Militärpolitik durch immer wiederkehrende suggestive Formeln abzubiegen. Viele aufmerksame Beobachter der Politik in Deutschland stellen sich die Frage: Wie gelingt es der wirtschaftlich-politischen Elite immer wieder, eine Politik zu verfolgen, die den Interessen der Bevölkerungsmehrheit zuwiderläuft? Bei allen Umfragen lehnt eine breite Zwei-Drittel-Mehrheit die Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Umso wichtiger ist den Befürwortern der Auslandseinsätze und der dahinter stehenden Interessen nicht nur die militärische Kapazität eines einsatzbereiten Berufsheeres mit modernsten Waffensystemen, sondern auch die Definitionsmacht.
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Die Fähigkeit, sich in andere Menschen gedanklich und gefühlsmäßig hineinzuversetzen, erwerben bereits Kleinkinder. Genau diese Fähigkeit soll den erwachsenen Menschen durch eine `Gehirnwäsche´ ausgetrieben werden. Sie könnten sonst auf den Gedanken kommen, die Perspektive anderer Menschen zu übernehmen und Fragen zu stellen: Haben wir das Recht zu militärischen Eingriffen weltweit? Haben wir mehr Rechte, ist unser Wohlstand mehr wert als das Überlebensinteresse einer Familie in Niger? Wie sehen, wie erleben uns Menschen in Afghanistan oder Palästina, in nigerianischen Dörfern oder indischen Slums? Wie würden wir denken, was würden wir tun, wenn wir in einem besetzten Land lebten? Wie wirkt die kapitalistische Dominanz und Ausbeutung angesichts verhungernder Kinder, wie die waffenstarrenden robotergleichen Soldaten in den Straßen von Kabul, wie unsere vorherrschende Kultur, unser Lebensstil? Manch eine und einer könnte dabei Verständnis entwickeln für Menschen dort, die Widerstand leisten gegen diese Arroganz und Gewalt der „Führungsmächte“; vielleicht würden sie selbst Hass empfinden gegenüber den als verlogen empfundenen Parolen von Demokratie und Menschenrechten, die so offensichtlich von einer menschenverachtenden Ideologie der Verwertbarkeit von allem und jedem konterkariert werden. Sie könnten gar Zweifel bekommen über die Urheber des weltweiten Terrors…“
Quelle und gesamter Text: http://www.freitag.de/autoren/grammer/eigentum-verpflichtet-zu-praeventivkriegen-1
Siehe auch “Krieg als Sachzwang”: http://www.jungewelt.de/2013/05-29/045.php
Kapitalismus ist Konkurrenz ist Krieg! Erwähnten wir das schon?