Manchmal denke ich an die Zeit zurück, als ich vor rund 12 Jahren eine ziemlich fiese Diagnose bekam: unheilbar krank. Jetzt sitze ich hier, mit meinen zwei Jungs im Arm, kerngesund und kann nur den Kopf schütteln. Wenn ich gewusst hätte wie mir es heute geht, wäre ich damals nicht so traurig und verzweifelt gewesen. Ich hätte damals schon gewusst, dass die Aussage eines Arztes noch lange kein endgültiges Urteil ist. Und alles anders kommt als man denkt. Aber von vorne.
Ich war mitten im Studium, hatte eine neue Beziehung und mein Herz hüpfte, weil mein Leben einfach so wunderbar war. Ich genoss mein Studentenleben in vollen Zügen. Und wunderte mich irgendwann über meine blauen Flecken, die überall waren. Stieß ich mich – buuum – bekam ich ein riesiges Hämatom. Fasste mich jemand fest am Arm an, sah man die Finger. Bindegewebsschwäche oder so? Bis ich dann auch öfter Zahnfleisch- und Nasenbluten bekam. Komisch…
Ein kurzer Check beim Onkel Doc sollte Klarheit bringen. Der rief mich einen Tag später an und teilte mir mit, ich hätte nur 29 Tausend Thrombozyten (Blutblättchen), normal wären zwischen 140 und 400 Tausend. Ein Messfehler, ansonsten „wären Sie schon längst tot“. Wie beruhigend. Ich ging noch zwei weitere Male zum Blutabnehmen, immer mit dem gleichen Ergebnis, bis mich mein Arzt zum Onkologen schickte.
Dieser Onkologe ließ mich erstmal halbnackt vor sich rumspringen, um zu schauen, ob ich Petechien – also Einblutungen in die Haut hätte. Und nahm mir schließlich total empathielos Knochenmark ab. Da lag ich nun alleine in einem dunkeln Behandlungszimmer. Grübeln. Weinend. Mit schmerzendem Becken…. Es war kein Krebs, sondern ITP (Ideophatische Throbozythische Purpura). Mein Körper hatte Antikörper gegen die eigenen Blutblättchen gebildet und machte diese kaputt.
Der Onkologe gab mir auf den Weg, dass ich nun leicht einen Schlaganfall bekommen könne. Heilungschancen wären in meinem Alter ungewöhnlich. Auf meine Fragen reagierte er mit Schulterzucken und faselte was von Milzentfernung. Aber auch damit kaum eine Heilungs in Aussicht. Beim reden sah er mir nicht in die Augen, sondern schaute aus dem Fenster. So als ob ihm alles egal wäre. Und dann kam der Knaller:
Ach ja – by the Way – Kinder bekommen könne ich wahrscheinlich nicht.
Wenn ich nicht sowieso eine Fehlgeburt haben würde, würde ich womöglich bei einer Geburt verbluten. BÄM. Das hatte gesessen. Ich stolperte aus der Arztpraxis halb blind vor Tränen. Noch nie zuvor wie in diesem Moment war mir mein Kinderwunsch so bewusst gewesen. Nicht jetzt sofort, das war klar, aber irgendwann wollte ich schon Kinder. Und zwar ohne zu verbluten.
Ich konnte das alles gar nicht realisieren. Trotz meiner Perspektivlosigkeit nahm ich brav meine Cortisontabletten. Machte mir täglich Gedanken zum Kinderkriegen und wie alles weitergehen soll. Warum ich? Meine Gedanken fraßen mich auf und brachten mir schlaflose Nächte. Die Cortisontherapie war erfolglos und die Werte noch etwas schlechter als am Anfang. Und dann waren sie sogar so schlecht, dass ich im Krankenhaus landete. Ich hatte Petechien, innere Blutungen – Lebensgefahr. Ich konnte gar nicht aufhören zu heulen. Noch nie war mir so bewusst gewesen, dass ich durch diese Krankheit sterben kann.
Ich war ein verheultes Elend auf der onkologischen Station.
Und dabei ging es mir im Vergleich zu meinen Zimmernachbarinnen richtig gut. Die Ärzte im Krankenhaus waren wirklich sehr nett und versuchten mir Mut zu machen. Erzählten mir von Immunglobulinen, die man auch während einer Schwangerschaft nehmen könne, und Medikamentenstudien. Vor allem der Chefarzt war sehr betroffen von meiner Geschichte, bot mir einen Platz in seiner Ambulanz an.
Hier versuchte ich eine zweite Cortisontherapie. Mit Fingerspitzengefühl und positiven Gedanken. Der Arzt nahm sich Zeit, beantwortete all meine Fragen. Wenn er durch das Wartezimmer ging, hatte er für jeden Patienten ein Lächeln übrig, schüttelt Hände und fragt, wie es einem geht.
Zwei Jahre nahm ich Cortison, ging alle zwei Wochen zum Blutabnehmen. Und war danach geheilt. Ich hatte nie einen Schlaganfall, meine Milz ist noch dort wo sie hingehört und ich bin Mutter zweier Kinder.
Kürzlich war meine Mutter im Krankenhaus. Der Chefarzt ließ mir einen schönen Gruß ausrichten und freute sich sehr, dass ich nun eine Familie habe. Nach 10 Jahren konnte er sich an mich erinnern.
Egal was euch ein Arzt sagt, hört auf euer Bauchgefühl, denn nur mit Vertrauen und einer positiven Einstellung hat eine Therapie auch gute Erfolge. Die Psyche spielt bei der Heilung eine riesige Rolle. Verzweifelt nicht, sondern holt euch eine zweite Meinung.