Eigene Solaranlagen lohnen sich immer mehr, und es ist auch weniger kompliziert als manche denken. Trotzdem gibt es noch sehr viele Hausbesitzer, die keine Solaranlagen haben. Warum eigentlich? Das Berliner Tech-Startup Eigensonne hat sich das Ziel gesetzt, dies zu verändern und den Einstieg zu vereinfachen. Die Gründer haben den Prozess neu erdacht und bieten den gesamten Service für eigene Solarenergie aus einer Hand. Sie bieten dabei weit mehr als ein Online-Tool, haben auch ein großes technisches Team und schicken ihre eigenen Handwerker vor Ort. Genau diese Verbindung zwischen Tech-Unternehmen und Handwerksbetrieb macht das Unternehmen sympathisch und transparent.
Lilli Green traf sich mit Moritz Hau, Mitgründer und CEO von Eigensonne, in dem Eigensonne-Büro an der Grenze von Berlin Kreuzberg und Mitte. Ein altes Gebäude mit Gründer-Stimmung in den Räumen: noch halb leer, aber gefüllt mit vielen jungen, engagierten Mitarbeitern, viele davon mit technischem Studium und gleichzeitig überzeugte Weltverbesserer, die für die Sache brennen.
Lilli Green: Wie seid ihr dazu gekommen, Eigensonne zu gründen?
Zu der Zeit, als unser Mitgründer Christoph gerade in der Idee-Entwicklungsphase von Eigensonne war, arbeitete ich noch bei Zalando. Ich war zu dem Zeitpunkt 14 Jahre lang im Mode-E-Commerce tätig. Ich habe viele Unternehmen und viele Städte und Kulturen mitbekommen, aber trotzdem ging es immer nur darum, dass man Mode im Internet verkauft. Da habe ich mir gedacht: “Naja, das kann’s auch nicht für immer sein. Ich möchte gerne etwas Richtiges tun, etwas Eigenes und Nachhaltiges machen.“ Das ist immer so ein Schlagwort, das heute schon so überbenutzt ist, aber ich glaube, man kann es trotzdem nachvollziehen, wenn man immer nur Schuhe und Klamotten verkauft hat.
Dann habe ich Christoph kennengelernt und wir haben uns gleich super gut verstanden. Ich habe erst gedacht: “Ich habe die Idee halt nicht selber gehabt.“ Aber zählt das überhaupt? Die Idee ist sozusagen die Spitze des Eisberges, aber der entscheidende Faktor kommt erst danach: wie man die Dinge gut umsetzt. Die Idee bestand zuerst aus 15 Slides mit Stichwörtern, und jetzt haben wir hier 21 Leute sitzen und schon viele Solaranlagen installiert!
Naja, das kann’s auch nicht für immer sein. Ich möchte gerne etwas Richtiges tun, etwas Eigenes und Nachhaltiges machen.
Wir haben ziemlich viel Biere und Pizzen verzehrt, bevor wir gesagt haben, wir wollen das machen. Das ist halt ein bisschen Klischee, aber wenn man wirklich drei Leute hat, bei denen die Chemie stimmt und die gerne viel Zeit miteinander verbringen, dann bringt es das total. Vor allem, weil wir alle total unterschiedliche Qualifikationen haben und vom Typ her auch verschieden sind. Es gibt einen Norddeutschen, einen Süddeutschen und einen Österreicher, das ist nicht unbedingt ein Beispiel für extreme Diversität, aber von den Charakteren und der Vorbildung her sind wir halt komplementär. Wir haben sehr verschiedene Ansichten – und trotzdem so eine generelle Grundmotivation, Grundvertrauen und die Lust, ständig miteinander Zeit zu verbringen.
Lilli Green: Schön, ihr habt euch also lieb. Und was ist die Vision von Eigensonne?
Unsere Vision ist, dass wir smarte und saubere Energie allen Leuten zugänglich machen wollen. Warum? Darüber muss man eigentlich nicht mehr reden, warum es wichtig ist, eine Energiewende zu schaffen. Jeder kennt ja die Gründe: Erderwärmung, Klimawandel und Treibhauseffekt. Wer weiß, ob wir das alles noch stoppen können, aber sicherlich können wir es verlangsamen. Der Energiemix muss sich radikal ändern, vor allem die Art, wie wir die Energie erzeugen und verteilen. Photovoltaik ist dabei ein Teil der Lösung.
Das Schöne an Photovoltaik ist einfach die Tatsache, dass es aus der Sonne kommt und die Sonne noch mehrere Milliarden Jahre existiert. Die Energie, die ständig jede Minute auf die Erde einprasselt, genügt, um die gesamte Erde jahrelang mit Energie zu versorgen. Es gibt halt unendlich viel von der Energie. Sie ist kostenlos – “kostenlos” in Anführungszeichen, und clean. Es spricht nichts dagegen.
Ich finde es auch total interessant, dass es eben diesen dezentralen Aspekt gibt. Dass es nicht nur diesen einen Großen gibt, der für ganz viele Leute Energie produziert, sondern dass man die Leute wirklich in die Verantwortung nimmt und sagt: “Guck mal, du machst jetzt deine eigene Energie!” Diese Unabhängigkeit bei der eigenen Stromerzeugung finde ich total schön. Das ist so wie: Ich baue meine eigenen Tomaten an oder ich gehe zelten anstatt ins Hotel. Es ist so eine Art von Unabhängigkeit, die man wirklich miterlebt.
Lilli Green: Wie unabhängig wird die eigene Stromversorgung dann tatsächlich in der Praxis?
Eine eigene PV-Anlage wird im Schnitt zwischen 30 und 40 % Unabhängigkeit erreichen. Und mit einem Speicher verdoppelt sich das etwa. Also bei einem normalen Lebensstil kann man zu 80 % unabhängig sein. Wer sich extrem darauf einstellt und den Lebensstil nach der Sonne ausrichtet, kann auch auf 100 % kommen, aber das möchten ja die wenigsten. Wer in der Wildnis wohnt, kann das machen, aber wer in Deutschland ein normales Leben führt, hat wahrscheinlich nicht diese Motivation.
Lilli Green: Und wie funktioniert das, was ihr anbietet? Also, wenn ich das will, was soll ich machen?
Wer das möchte, geht einfach auf unsere Website, hinterlässt die Kontaktdaten und dann rufen wir zurück, oder ruft uns direkt an. Wir fragen so ein paar Dinge ab, die wir wissen müssen für die Planung. Normalerweise fragen wir nach Fotos von der Wohnung, um zu schauen, ob es da irgendwelche Sachen gibt, die wir nicht auf Satelliten und 3D-Bildern erkennen können. Dann beraten wir den Interessenten eine halbe Stunde lang zu dem Thema und schicken 2 bis 4 Tage später ein Angebot. Wir schicken nicht einfach eine E-Mail, sondern wir präsentieren ein individuelles Angebot und beantworten alle Fragen persönlich, weil es halt schon ein schwierigeres Thema ist für die meisten Leute.
Lilli Green: Ist das auch eine Hürde für viele, um es überhaupt anzugehen? Ich frage mich immer: Warum ist das eigentlich immer noch ein Nischen-Ding, obwohl es sich für die meisten Eigenheimbesitzer finanziell lohnt?
Da gibt es ein paar Aspekte. Das erste ist einfach der Mangel an Informationen in der generellen Bevölkerung. Als ich meinen Freunden erzählt habe, was ich jetzt mache, haben die gesagt: „Sag mal, das ist doch eine tote Industrie. Wer möchte heute noch Solaranlagen bauen?” Und so denken ganz viele Leute. Ich mache da auch keine Vorwürfe, man kann ja nicht ständig in allen Sektoren perfekt informiert sein. Aber die meisten Leute sehen halt: “Aha! Die Förderungen sind ganz stark runtergegangen.” Die wissen nicht, dass die Kosten für das System drastisch gefallen sind – viel mehr als die Förderung. Wenn ich den Leuten sage: “Ihr könnt bei uns eine Solaranlage für 5000 € haben”, dann fallen die aus allen Wolken. Also das ist der eine Aspekt: einfach ein Mangel an Informationen.
Das Zweite ist, es ist eben eine Investition und es gibt Leute, die investieren gerne und andere nicht. Es gibt Leute, die sind eher konsumorientiert und andere sind wiederum investitionsorientiert. Bei einer Investition muss man ja erst mal – in unserem Fall mindestens 5000 € bis zu 20.000 oder 25.000 € ausgeben und 9 Jahre später hat es sich abgezahlt und gelohnt, dann hat man für die nächsten Jahre einen Großteil seines Stroms kostenlos. Da müssen wir schauen, wie wir es noch einfacher machen können, über eine schlaue Art der Finanzierung.
Es gibt viele Anbieter auf dem Markt, die es auch so machen, aber da gibt es auch viele, die es – unserer Ansicht nach – so ein bisschen bauernfängerisch angehen. Vor allem, wenn man eine Solarstromanlage mietet. Da sind die Raten monatlich zwar sehr niedrig, aber aufsummiert wird es fast doppelt so teuer, als wenn man die Photovoltaikanlage kaufen würde und dann ist halt die Rendite im Eimer. Ich bin auch eher der Konsumtyp, deswegen finde ich eine Miete von 70 € im Monat für Solarstrom sympathischer als jetzt 6000 € einmal zu zahlen. Man soll aber nicht glauben, dass man die Leute umerziehen kann, und muss es respektieren, wenn Leute sagen: “Ich möchte nicht so viel Geld ausgeben”, oder: “Ich kann nicht so viel Geld ausgeben”.
Die meisten Leute wissen nicht, dass die Kosten für das System drastisch gefallen sind – viel mehr als die Förderung.
Ich glaube, das sind die zwei großen Hürden, warum viele noch keine eigenen Solarstromanlagen haben. Eine, die man noch erwähnen könnte, wäre außerdem: Der Markt ist sehr fragmentiert. Es gibt nicht 50 Anbieter von Solaranlagen, sondern 5000, wobei ganz viele Elektriker oder Dachdecker das noch zusätzlich anbieten. Eigentlich ist es für den Konsumenten gut, wenn er viel Auswahl hat. Aber es gibt halt eine Schwelle, wo sehr, sehr viel Auswahl auch bedeutet, dass es wenig einheitliche Kommunikation gibt. Meiner Meinung nach würde es reichen, wenn es 50 verschiedene Module gäbe und nicht 4000 – oder wie viele es auch gibt heutzutage.
Die Module für Photovoltaik sind zum Teil fast baugleich, da ist sehr viel unnötige Komplexität drin. Deswegen verstehen die Leute nicht genau, dass Solar sich lohnt. Wenn Sie zum Kleinhandwerker gehen, dann erzählen die Ihnen irgendwas. Dann gehen Sie zum nächsten und der erzählt dann wieder irgendwas und dann haben Sie irgendwie zwei Angebote. Das eine für 7000 € und das andere für 9000 €. Dann wissen Sie auch nicht: Kann man die irgendwie überhaupt vergleichen? Ein komplexes Thema und wenig Transparenz. Das versuchen wir zu ändern, so gut wie wir es können als kleines Berliner Startup.
Wir versuchen zu erklären: Gucken Sie mal hier, dieser Wechselrichter ist super solide, der kostet Sie 800 € und wird 15 Jahre halten. Wenn Sie noch die Notstrom-Funktionalität wollen, dann empfehlen wir Ihnen den hier, der kostet ungefähr 1200 €. Da versuchen wir echt viele Informationen preiszugeben und Transparenz zu schaffen. Bisher glauben wir, dass das die richtige Strategie ist, weil das die Kunden wertschätzen.
Lilli Green: Und ihr seid auch mehr als nur eine App, ihr schickt auch die Handwerker vor Ort.
Genau, wir sind so eine komische Kombination, aber ich glaube, genau das kann erfolgreich sein. Wir sind auf der einen Seite ein traditionelles Handwerksunternehmen, weil wir jetzt unsere Vans haben, mit denen wir durch Deutschland fahren und Solaranlagen montieren, und auf der anderen Seite sind wir halt Techies, die ständig den ganzen Prozess schlanker und besser gestalten wollen. Außerdem sind wir ein Unternehmen von Vertrieblern, die techno-hippie-mäßig drauf sind. Wir sind kapitalistische Techno-Hippie-Handwerker.
Lilli Green: Und wie seht ihr das jetzt langfristig? Wird es so sein, dass die Mehrheit irgendwann Solaranlagen auf den Dächern hat?
Ja, davon bin ich sehr überzeugt. Zum einem: Es ist ja klar, dass die Elektromobilität kommt. Das ist nicht so ein “Ob”, sondern sozusagen ein “Wann”, denn der Diesel – da hat keiner mehr Bock drauf. Auf Benzin ohnehin nicht. Alle Autohersteller investieren wie blöde in Elektromobilität. Das heißt, man wird also in relativ naher Zukunft deutlich weniger Benzin verbrauchen und deutlich mehr Strom. Der Strom ist nun mal teurer, wenn man ihn nicht selbst herstellt. Wesentlich teurer. Und wenn ich mir so ein Elektroauto kaufe und meine Stromrechnung verdoppelt oder verdreifacht sich, je nachdem was ich für ein Auto kaufe – spätestens dann wäre eine Photovoltaikanlage die supersinnvolle Lösung.
Es gibt ja kein anderes System, was ähnlich preisgünstig und einfach und langlebig ist wie eine Photovoltaikanlage. Also das wird es werden, vor allem wegen dem anderen Trend, dem rapiden Kostenverfall. Selbst bei den Solarmodulen ist das so. Die sind, seitdem ich jetzt dabei bin, in 9 Monaten um etwa 20 % günstiger geworden. Von den Speichern gar nicht zu reden. Die Speicher – auch dadurch, weil jetzt ganz viele Elektroautos gebaut werden – werden bald sehr ähnliche, fast dieselben Batterien haben, dann werden die Speicher deutlich günstiger. Also, da die Elektromobilität kommt und PV-Anlagen billiger werden, liegt es auf der Hand, es zu machen.
Man wird in relativ naher Zukunft deutlich weniger Benzin verbrauchen und deutlich mehr Strom.
Bitte unterbrich mich, wenn ich anfange, mich zu sehr zu begeistern – aber was ich total spannend finde, ist Mieterstrom. Es ist jetzt noch nicht wirklich ökonomisch sinnvoll für Vermieter, Solarpanelen aufs Dach zu legen, weil es einen krassen Aufwand bedeutet. Aber für ganz große Vermieter mit hunderten von Wohnungen ist es sinnvoll. Und wenn die Regierung es mal möchte, dass der Mieterstrom einfacher wird, dann ist der Markt auf einmal doppelt so groß – die Hälfte der Leute in Deutschland sind ja Mieter.
Bald, wahrscheinlich nächstes oder übernächstes Jahr, wird es sich sogar lohnen, die Solarmodule auf der Nordseite des Daches anzubringen, also da, wo die Sonne nie direkt scheint, und es wird sich trotzdem lohnen. Also kann man dann theoretisch einfach überall Module drauflegen.
Lilli Green: Und welche Rolle spielt dabei die Ästhetik?
Das ist auch eine spannende Sache: Wie macht man das so ästhetisch schön, dass man es überhaupt nicht merkt, dass da ein Solarmodul auf dem Dach liegt? Da könnte man sich fragen, was macht man mit irgendwelchen tollen denkmalgeschützten Dächern? Auch da wird es irgendwann mal eine Lösung geben. Wobei ich sagen muss, dass halt 99 % aller Dächer nicht denkmalgeschützt und schön sind, sondern meistens langweilig und Standard. Und ob da jetzt ein Modul drauf liegt oder nicht – aus meiner Sicht -, macht das von der Schönheit her keinen Unterschied. Und Schönheit ist ja auch nur sekundär, wenn man sich die anderen Gründe anschaut.
Lilli Green: Für die Menschen kann es aber mit ein Grund sein, um zu entscheiden, ob man es macht, wie man’s macht, wo man’s macht. Die Entwicklung, dass man Dachziegel hat, wo ein Solarmodul drin integriert ist, könnte auch dazu beitragen, dass es attraktiver wird.
Ja, das stimmt. Die sind jetzt nicht so perfekt ausgereift, die Dinger, aber das wird auch alles noch kommen.
Bilder: (c) Eigensonne