Ehrensold und dubiose Rechtspflege

Von Eckhardschulze

An und für sich war es bereits ein Skandal der Rechtspflege, dass Ex-Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) staatsanwaltschaftlich anders behandelt wurde als jeder Student, der in weit geringerem Umfang “geistigen Diebstahl” begangen hatte. Der Student geht normalerweise, jedenfalls nach den bekannten Gerichtsverfahren, als Vorbestrafter aus dem Gerichtssaal.

Jüngst (gestrige Jauch-Sendung bei ARD, Das Erste) verteidigte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Peter Altmaier, den Ehrensold, der von einem ihm nahestehenden Beamten im Bundespräsidialamt zuteil wurde.

Ganz anders Bodo Ramelow, Abgeordneter in Thüringen (Die Linke), der die Entscheidung dem neuen Bundespräsidenten in spe, Gauck, überantworten wollte.

Der Fall zu Guttenberg hatte gezeigt wie die Staatsanwaltschaft reagiert, wenn der “politische” Druck aus dem Regierungslager groß ist. Zusätzlich wirkt die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft auf die “Beurteilung”, daran kann es eigentlich keinen Zweifel geben.

Seit Jahren wird von juristischen Vereinigungen (Richterbund nach meiner Erinnerung) die Unabhängigkeit der Staatsanwälte gefordert, die bis heute nicht vollständig gegeben ist.

Im Fall zu Guttenberg “verzichtete” die Staatsanwaltschaft gegen “Geldzahlung” auf die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens. Jeder Student mit ähnlichen Vorwürfen wäre vor dem Gericht gelandet und würde danach als VORBESTRAFTER den Gerichtssaal verlassen.

Nach meiner Erinnerung (Hörfunk) war die staatsanwaltliche Begründung für den Verzicht auf den Rechtszug vor Gericht, dass das Öffentliche Interesse nicht gegeben sei!?

Sofern das die tragende Begründung für die Entscheidung war, stellte das einen Schlag ins Gesicht der Bevölkerung dar, denn das Öffentliche Interesse war unübersehbar hoch.

Ganz im Gegenteil, die Beteiligung an der Diskussion von breiten Bevölkerungsteilen, auch im Internet, war unübersehbar und unüberhörbar. Viele Benutzer des Internets beteiligten sich an der Recherche um nachzuweisen, wie umfangreich der “geistige Diebstahl” in der Doktorarbeit des Plagiators war. Auf mehr als 90 % der Textseiten wurden Plagiate nachgewiesen. Im Ergebnis war unabweisbar, dass der “geistige Diebstahl” Legion war. Damit war auch klar, dass NIEMAND ungenannte Zitate oder falsch gekennzeichnete Zitate im Umfang von mehr als 90 % auf den Textseiten übersehen oder vergessen konnte.

Der Betrug bzw. der geistige Diebstahl war damit evident und öffentlich nachgewiesen!

Ähnlich ist der Fall WULFF einzuordnen.

Aus einem SPIEGEL-Interview mit dem Unternehmer Geerkens ergab sich eindeutig, dass der Unternehmer Geerkens selbst nicht in den Vordergrund geraten wollte und deshalb seine Ehefrau den Vertrag abgeschlossen hatte. Nach herkömmlicher Interpretation der Rechtslage sind Verträge so auszulegen, wie sie in Wirklichkeit GEWOLLT waren (sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise). Danach ist der Vertrag dem Unternehmer Geerkens selbst zuzuordnen; es kommt nicht darauf an, wer letztlich unterschrieben hatte oder wer als Vertragspartner – den wirklichen Sachverhalt verschleiernd – auftritt!

Das gilt zumindest dann, wenn das “SPIEGEL-Interview” korrekt den Gesprächsinhalt mit Geerkens korrekt wiedergegeben hatte. Da gibt es an und für sich c.p. auch keine andere Auslegung.

Die danach einsetzende Begleitung des Unternehmers Geerkens mit Christian Wulff (CDU) stellte eine klar “verbotene” Begünstigung dar, so wie es in der Verfassung des Landes Niedersachsen bzw. in nachrangigen Gesetzen kodifiziert wurde. Die Regelungen galten und gelten auch für die Ministerpräsidenten, da eigentlich ganz besonders.

Wenn nun die Staatsanwaltschaft erneut in dem Fall “Geerkens” (Darlehen und Mitnahme auf Dienstreisen) und bezogen auf die weiteren Vorwürfe und Verdachtsmomente von einer Gerichtsverhandlung mangels öffentlichem Interesse absieht, wie bereits teilweise geschehen, weist das allenfalls auf die Problematik hin, dass die Gleichheit vor dem Gesetz bei Ministerpräsidenten, Ministern der Bundesregierung oder gar dem Bundespräsiden-ten offensichtlich nicht greift!

Vor dem Hintergrund der Offenkundigkeit der Vorgänge, ihrer üblichen Behandlung bei Normalbürgern oder Beamten, zeigt das eine fatale Entwicklung in der gelebten Rechtsordnung! Die Gleichheit vor dem Gesetz erscheint geradezu bei abgehobenen Positionen außer Kraft gesetzt. Da gelten offensichtlich ganz andere Rechtsnormen.

Es gibt viele Beispiele dafür, wie “milde” auch UNTERNEHMER und Banker in der Vergangenheit behandelt wurden bzw. seit Anbeginn der Finanzkrise behandelt werden. Die Verantwortlichen weigern sich bis heute geradezu, die riskanten Milliardenspekulationen vor den Gerichten zu verfolgen. Der Tatbestand der Untreue dürfte vielfältig gegeben sein, allerdings verweigern sich die zuständigen möglichen Kläger (Aufsichtsrat, Aktionäre) Klagen anzustrengen, womöglich weil sie ihre “organschaftliche Aufsichtspflicht” selbst verletzt hatten.

Prof. Dr. Dres. h.c. Markus Lutter hatte im manager magazin folgendes ausgeführt:

Die Finanzkrise kam nicht wie eine biblische Plage über deutsche Banken. Vielmehr haben die Vorstände mit riskanten Milliardenspekulationen ihre Sorgfaltspflichten verletzt, stellt der Wirtschaftsrechtler Marcus Lutter im Interview mit manager-magazin.de fest. Klagen wären Erfolg versprechend.

Das Beispiel aus der Wirtschaft macht deutlich, dass die  konstitutive Rechtsordnung, ohne die eine DEMOKRATIE geradezu wertlos ist, nicht mehr so in Deutschland eingehalten wird, wie es die Gesetzeslage postuliert! Und das ist keineswegs nur ein “Gefühl” aufmüpfiger Wutbürger, sondern leider Realität.

Im Fall “Emmely” sprachen die Erstinstanzen “Höchststrafen” w/ Unterschlagung aus, nämlich die Bestätigung der “fristlosen Kündigung”, obwohl die Wegnahme der Pfandscheine (1,30 Euro) von der Beweislage her mehr als zweifelhaft war. Auch die für die Betroffenen strengere “Beweiswürdigung / Interpretation” scheint bei den “Normalbürgern” flotter/einfacher von der Hand zu gehen, als beispielsweise in den Fällen zu Guttenberg oder Wulff.

Erst das Bundesarbeitsgericht hob die absurde Rechtsprechung der Vorinstanzen auf, wie beispielsweise FOCUS berichtete:

Die umstrittene Kündigung der als „Emmely“ bekanntgewordenen Kassiererin wegen der Unterschlagung von 1,30 Euro wurde vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben. Das von „Emmely“ über 31 Jahre aufgebaute Vertrauen könne nicht durch die Unterschlagung von zwei Pfand-Bons zerstört werden, so das Arbeitsgericht.

Nach meinem Kenntnisstand wurde allerdings nur die fristlose Kündigung aufgehoben, die in eine “fristgerechte” Kündigung gewandelt wurde, die höchstrichterlich nicht gegenständlich war.

Auch der Fall mit der Wegnahme von “Maultaschen”, die für den Abfall vorgesehen waren, führte zu einer fristlosen Kündigung; ein ähnlicher Fall betraf den Verzehr einer Bulette (Sekretärin, Buffet). Nur nebenbei sei darauf hingewiesen, dass findige “Personalberater” Unternehmen schulen, wie sie mit windigen Tricks “Normalarbeitsplätze” beseitigen können oder unliebsames Personal (z.B. Befürworter von Gewerkschaften oder gar Gewerkschaftsmitglieder) aus dem Unternehmen drängen. Diesen “Trend” haben die Arbeitsgerichte offenbar noch nicht wahrgenommen.

Hier zeigt sich die Schieflage, die die Bürger in Wirklichkeit umtreibt und die Bodo Ramelow (Die Linke) zu Recht bei Jauch angesprochen hatte.

Während eindeutige Fehlleistungen von Politikern in hohen Ämtern aus den eigenen Reihen von den Taugenichtsen der UNION verniedlicht werden, richtet sich deren weitere Konzentration darauf, die “ehrenhafte” Wiederkehr zu organisieren. Die “wahlwirksamen” Lichtgestalten, die Ersatz-Könige und Ersatz-Prinzen, die vor allem an die weibliche Seele appellieren, dürfen nicht als dauerhaft gescheitert gelten. Der neoliberale Zeitgeist braucht solche Lichtgestalten, umschwärmt von der bunten Presse mit den bunten Bilder in prächtigen Gewändern und “adeliger”, märchenhafter Idylle, um die Wähler von der Realität abzulenken und die gewünschten Wahlergebnisse herbeizuführen bzw. zu beeinflussen.

Es gilt, den längst gescheiterten neoliberalen Zeitgeist mit der Politik der Umverteilung von unten nach oben zu erhalten, selbst nach der Offenkundigkeit der gescheiterten unethischen Finanzwelt! Auch deshalb müssen die ELITEN verteidigt werden, auch bei Fehlgriffen. Denn ansonsten würde offenkundig, dass der neoliberale Zeitgeist, verteidigt von UNION und FDP, der “leistungslose” (Zins) und “unethische” Einkünfte (toxische Spekulationen, Schneeball-Geschäfte, Vorteilsnahmen) ursächlich für die Finanz- und Wirtschaftskrisen ist.

Die FINANZTÄTER (Banken usw.) werden verschont, auch vor der Strafverfolgung, während die Bürger die Zeche zu bezahlen haben, teilweise mit rückläufiger Lebenserwartung aus der neoliberalen Politik des Sozialabbaus. Denn auch bei der Finanzierung der “Straftaten” werden besonders die unteren Schichten in der Gesellschaft in Mitleidenschaft gezogen; die Eliten werden nach der Ideologie des neoliberalen Zeitgeistes selbstverständlich auch zukünftig weitgehend geschont, jedenfalls solange UNION und FDP regieren.

UNION und FDP wollen dem Normalbürger beibringen, dass das Recht und  das Gesetz für abgehobene Amtsträger und Politiker nicht so gelten und ausgelegt werden darf, wie es für “Normalbürger” geradezu selbstverständlich ist.

Man setzt darauf bzw. wird dafür sorgen, dass die ermittelnden Staatsanwälte im Fall Wulff “Öffentliches Interesse” an einem Gerichtsverfahren nicht erkennen, ähnlich wie im Fall zu Guttenberg, sofern nicht sogar die “offenkundigen Tatbestände” so uminterpretiert werden, dass das laufende Verfahren vorzeitig beendet wird.

Das hat eine große Wahrscheinlichkeit, weil bereits im Fall “Geerkens” (Darlehen des Unternehmers, siehe oben) die Staatsanwaltschaft der herkömmlichen Rechtsauslegung offensichtlich nicht folgen wollte (Stichwort: wirtschaftliche Betrachtungsweise bezogen auf Vertragszeichnende).

Hier wird sich zeigen, wie die “politische Machtausübung”, auch über die weisungsgebundenen Staatsanwälte, die in die Behörden-Hierarchie eingebunden sind, ganz anders als z.B. in den USA, wirken wird.

Denn nach den beinahe “gutachtlichen” Stellungnahmen in der Öffentlichkeit von Hochschullehrern und Anwälten auf Basis der vorliegenden Informationen über die verwirklichten Tatbestände, beispielsweise nach der Beurteilung von Prof. von Arnim, wurde bereits deutlich, dass die Verstöße gegen die bestehenden Rechtslagen unübersehbar sind.

Dennoch ist damit zu rechnen, dass wie im Fall zu Guttenberg ein Gerichtsverfahren und eine Verurteilung ausbleiben wird. Denn vor der nächsten Bundestagswahl soll sich niemand daran erinnern, dass die Bundeskanzlerin mit der Stützung von zu Guttenberg und der Personalie Wulff mit Verantwortung für die “Politiker-Verdrossenheit” in der Bevölkerung trägt.

Und UNION und FDP werden dann die Unschuld der “Täter” landauf landab verkünden.

Um nicht missverstanden zu werden: Mir geht es nicht um die Person WULFF oder gar ZU GUTTENBERG. Mir geht es vielmehr darum, dass die Gleichheit vor dem Gesetz offenkundig missachtet wird und dies politisch von der UNION und der FDP gestützt wird.

Es ist an die Aussage der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu erinnern, die im Fall zu Guttenberg sinngemäß äußerte, “dass sie ja nicht einen Wissenschaftler eingestellt hätte”.

Offensichtlich war der Bundeskanzlerin der unübersehbare “geistige Diebstahl” völlig egal. Pikant ist, dass nach knapp einem Jahr der Kandidat für das Kanzleramt (Springer, Bild) sogar in der EU zum “Datenschutz” angedient werden konnte. Und ob da nicht in Berlin vorab die Haltung zu der Personalie abgefragt wurde?!

Wulff wird m.E. allerdings mit einer anderen Behandlung zu rechnen haben, da sowohl seine angemahnte  Integrationspolitik sowie der Widerstand gegen die EU(RO)-Politik der Bundesregierung in UNIONS- und FDP-Kreisen nicht auf Wohlgefallen stieß, schon gar nicht in den rechtskonservativen Kreisen, die sich jüngst innerhalb der UNION sogar neu formieren wollen.

Da dienen die “Lippenbekenntnisse” einiger UNIONS-Politiker eher dazu, die weitgehende rechtliche Unantastbarkeit abgehobener Politiker dem Wahlvolk beizubringen.

Damit wird der unethische neoliberale Zeitgeist mit verteidigt, der für die sich ausbreitende Armut, kriminelle Spekulationen, Teilnahme an Kriegen usw. mitverantwortlich ist. Auch deshalb müssen die “eigenen Reihen” geschützt werden, auch wenn im Einzelfall gar Ex-Bundespräsidenten (Köhler, Wulff) aufgrund ihrer Gegnerschaft zum EU(RO)-Kurs der Bundesregierung längst in Ungnade gefallen waren.

Die “Stückwerk-Technologie” (sinngemäß nach Prof. Dr. Erich Staudt) in den Talk-Shows brachte es auch bei JAUCH nicht auf den Punkt: Es geht um die klar durchzusetzende “Gleichheit vor dem Gesetz” und die Offenlegung der WAHRHEIT, dass der neoliberale Zeitgeist auch für die Verwerfungen in der Rechtspflege verantwortlich ist.

Und den gescheiterten “neoliberalen Zeitgeist” sollte der Wähler durch Abwahl der UNION und der FDP aus der Regierungsverantwortung beenden. Wir brauchen dringend einen “ethischen” Neuanfang in der Wirtschaft.

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