eFootball PES 2020 im Test – Neuer Name, alter Glanz

Erstellt am 1. Oktober 2019 von Gamingnerd

Alle Jahre wieder kommt es Ende September auch dieses Mal zum Kampf der Giganten im Fußballsegment: Während EA mit FIFA 20 kommt, will Konami mit dem neuesten Ableger seiner PES-Serie punkten. Der heißt mit vollem Namen übrigens eFootball PES 2020 - ob man damit wirklich nur vor der Konkurrenz im alphabetisch sortierten Ladenlokal landen wollte oder tatsächlich einen Schwerpunkt aufs Online-Gaming setzt, haben wir uns mal näher angeschaut.

Worum geht's?

Um Fußball! Das ist schon alles. Jahr für Jahr hat der Konsument die Wahl zwischen PES und FIFA, wobei sich beide Lager überhaupt nicht verstehen - auch das hat Tradition. Während Konamis PES-Spiele sich als möglichst exakte Simulation des Sports verstehen, liegt der Schwerpunkt bei EAs FIFA seit jeher auf Vollgas, viele Tore und unkomplizierter Steuerung und ist damit der Arcade-Bolzer. Traditionell ist aber auch, dass FIFA mit einem absolut gigantischem Lizenzpaket ausgestattet ist und die Originaldaten von fast 40 Wettbewerben (inklusive Champions League) mitbringt. Konami konnte bei PES immerhin ein bisschen aufrüsten (u.a. durch den Exklusivdeal mit Juventus Turin), muss unterm Strich aber größtenteils Phantasienamen anbieten. Wer allerdings einen USB-Stick besitzt, lädt sich die passenden Editierdateien aus dem Netz, importiert sie im umfangreichen Edit-Modus und hat auch diesen Schönheitsfehler aus der Welt geschafft.

Konami hat zudem zum zweiten Mal nach 2016 eine Partnerschaft mit der UEFA geschlossen, gemäß der „PES 2020" offizielles Videospiel der Europameisterschaft im kommenden Jahr wird. Ein kostenloser DLC wird nächstes Jahr über fünfzig Nationalmannschaften hinzufügen - inklusive realer Spieler, Trikots und Verbandslogos.

Iniesta hilft

Um die spielerisch ohnehin anspruchsvolle Simulation noch einmal ein bisschen aufzuwerten, hat sich Konami die spanische Mittelfeldlegende Andres Iniesta ins Boot geholt. Der ist mittlerweile 35 und kickt mit einem gewissen Lukas Podolski zusammen bei Vissel Kobe in Japan, hat in seiner Vita aber immerhin 674 Spiele für den FC Barcelona stehen (57 Tore, 140 Vorlagen). Der Bursche weiß also, wie es geht - und hat die Entwickler erstmal ausführlich zum Thema Dribbeln beraten. Resultat sind die neuen Finesse-Dribblings durch den rechten Analogstick sowie angetäuschte Pässe in den freien Raum. Eine neue Fähigkeit namens Inspiration in Bereichen wie kurze Pässe oder Dribblings bewirkt, dass die Mitspieler sich an diesem Spieler orientieren und sich vollautomatisch entsprechend positionieren. Sie weichen aus, blocken Gegner oder laufen in die Gasse. So ist das also eigentlich nur eine andere Routine für Laufwege im Umkreis eines speziellen Spielers. Trotzdem ist die Idee gut. Doch weder die Inspiration noch die damit verbundenen Spielzüge werden im Training geübt. Überhaupt hat sich der Trainingsmodus kaum geändert und lässt Neueinsteiger total im Regen stehen.

PES wird zum Twin-Stick-Shooter

Im Ballbesitz kommt der rechte Stick jetzt voll zum Tragen. In eine Richtung gedrückt gehalten hat der Spieler bei sehr enger Ballführung maximale Ballkontrolle. Jetzt mit dem linken Stick die Seite wechseln, schon ist man elegant am Gegner vorbei. Eine Art No-Touch-Finte rundet das Finesse-Dribbling ab: wenn man den rechten Analogstick nur einmal in eine Richtung antippt, dann folgt der Ball dem Spieler, ohne dass der den Fuß daran hat. Dann gibt es auch noch die neuen angetäuschten Pässe: Nachdem man Schuss oder Pass gedrückt hat, muss man danach schnell Dreieck drücken und den Analogstick in die gewünschte Richtung bringen, um einen flachen Pass durch die Abwehrkette zu spielen.

Klingt alles kompliziert? Ist es auch. Trainingsmodi zu den neuen Moves gibt es keine, und insgesamt bleibt im Spielgeschehen überhaupt keine Zeit dafür, die Sperenzchen sauber einzusetzen. Und das, obwohl die Spielgeschwindigkeit mal wieder eine Idee heruntergesetzt wurde.

Modi-Tristesse

Kommen wir nun zum neuen Namen - eFootball. Bedeutet das, dass wir ein völlig überarbeitetes Online- und Wettbewerbserlebnis erwarten können? Leider nein. Abgesehen von einem neuen Match-Day-Event ist buchstäblich alles genau das Gleiche wie zuvor. Online-Ranglisten-Match, Divisionen und Koop sind alles, was man bekommt. Gleiche Menüs und gleiche Probleme beim Matchmaking aufgrund der sehr geringen Anzahl von Spielern in Nordamerika. Koop bleibt wohl die unterhaltsamste Option, die PES zu bieten hat. Und selbst das einzige neue Element, Match Day, ist eine verwirrende Implementierung einer Community-Wochenendliga, die nur zu bestimmten Zeiten läuft und daher die meiste Zeit nicht existiert. Der neue eSports-Fokus ist nicht mehr als ein Marketing-Gag.

Der andere wichtige Online-Modus myClub hat sich kaum verändert. Während FIFA immer weiter expandiert und ganz neue Untermodi und Möglichkeiten zum Spielen mit dem selbst zusammengestellten Kader einführt, kann myClub nicht mithalten. Das Zusammenstellen eines Teams aus Spielerkarten bleibt eine zeitaufwändige Aufgabe, und obwohl das agentenbasierte System in PES einzigartig und weniger entgeltlich ist als die FIFA-Lootbox-Lotterie von FUT, gibt es nichts Aufregendes.

Änderungen, wie das Hochleveln von Spielerkarten ab Stufe 1 kommen nur dann zum Tragen, wenn man ein Superstar-Team zusammen haben. Niemand levelt Spieler mit 70er Bewertungen auf, er wartet darauf, sie zu ersetzen. Das Matchmaking funktioniert auch hier nicht, da sich anscheinend nur sehr wenige Spieler die Mühe machen, in diesem Modus online zu spielen, zumindest bei schwächeren Teams. Keine neuen Modi, keine Möglichkeit, dein Fantasy-Team oder Spieler, die du nicht brauchst, zu benutzen. Es fühlt sich sehr abgestanden an, obwohl es erst vor ein paar Jahren eingeführt wurde. In der gleichen Zeit erweiterte die Konkurrenzserie die FUT-Vielfalt erheblich.

Offline sieht es wenig besser aus. Become a Legend, in dem man einen ausgewählten Spieler durch seine persönliche Karriere führt, hat sich nicht geändert. Die Meister Liga, bei der es darum geht, die Kontrolle über eine Mannschaft zu übernehmen und sie zu Trophäen zu führen, hat nur wenige Änderungen erfahren, und keine von ihnen treibt den Modus mit irgendeiner Bedeutung voran. Bei der Unterzeichnung neuer Spieler scheinen die meisten jetzt Ausstiegsklauseln zu verlangen, was für Fans der Premiere League, wo dies extrem selten vorkommt, eher seltsam anmutet. Man kann jetzt einen Manager-Avatar auswählen (Maradona! Matthäus!) und ihn in Zwischensequenzen für einige Schlüsselereignisse wie Presseinterviews und Spielerunterschriften anzeigen lassen. Die Zwischensequenzen sind ziemlich grob animiert und bringen nicht viel Immersion. Der Vorgesetzte trinkt Kaffee und läuft am Transfer-Deadline Day durch den Raum.

Wichtig ist auf'm Platz

Doch das alles ist eigentlich Makulatur, wenn es ans Eingemachte geht. Technisch ist PES 2020 ohnehin eine Wucht, die Grafik ist großartig und punktet sehr gegenüber FIFA 20. Die Musikstücke in den Menüs sind unaufdringlich, ohne langweilig zu werden - wieder ein Pluspunkt gegenüber den Nervtöter-Playlists von EA. Lediglich die Kommentatoren sind eine Zumutung, aber da tut sich PES nichts mit seinem Konkurrenten.

Seinem grundsätzlichen Spielstil bleibt die Serie nämlich treu. Hier muss Fußball gearbeitet werden - hier fallen einem die Tore nicht einfach so vor den Fuß, hier sind sie das Produkt von harter Arbeit, von butterweichen Flanken, punktgenauem Kurzpassspiel und effizienter Zweikampfführung. Beim Gameplay ist nach wie vor viel in Bewegung - das System wertet laufend die Spielerposition zum Ball aus und setzt diese dann physikalisch nachvollziehbar in Aktionen um. Ein fantastisches Gefühl, den Ball aus 25m zu versenken (dafür gibt es tatsächlich eine Trophäe). Demzufolge bleibt PES nichts für Gelegenheitsspieler, sondern richtet sich an Nerds.

Denn nach wie vor werden die taktischen Vorgaben, die in FIFA nur Staffage sind, von PES genau umgesetzt. Wenn also alle falsch laufen, der Gegner immer Überzahl hat und immer ein Mann zu wenig im Sturm steht, kann man davon ausgehen, dass man die Taktikschrauben zu weit gedreht und falsch eingesetzt hat.

Fazit

Konami macht vieles richtig. Denn unterm Strich ist PES immer noch das bessere Fußballspiel. Gameplay, Ballphysik und KI sind der von FIFA nach wie vor überlegen. Auch an der Präsentation wurde geschraubt. Leider sind die bekannten Schwächen immer noch vorhanden; und auch die neuen Finesse-Dribblings spind mehr ein Gag als im Spiel nützlich. Dass online so gut wie gar nichts geht, kann man auch nicht mehr als zeitgemäß bezeichnen. Wer überwiegend offline zockt, bekommt allerdings mit PES einfach die bessere Fußballsimulation.