Thore D. Hansen / Fotoquelle: silentcontrol.de
Zur Zeit machen die Enthüllungen von Edward Snowden um das Ausspähen privater Daten durch den US-Geheimdienst NSA viele Schlagzeilen. Dabei war das dahinterstehende Programm PRISM bereits seit längerem bekannt. Thore D. Hansen hat das bereits in seinem Buch “Silent Control” verarbeitet. hpd sprach mit dem Autoren des Romans.hpd: Sie haben sich in Ihrem Roman “Silent Control” ja bereits vor einem halben Jahr mit der Überwachungszentrale der NSA befasst. Diese spielt eine große Rolle in dem Roman. Sind Sie trotzdem überrascht über die Reaktionen der Medien auf die Enthüllungen des Whistleblower Edward Snowden?
T.D. Hansen: Ich war nicht wirklich überrascht. Ins Rollen hat das bereits ein Bericht aus dem Jahre 2012 vom Magazin “Wired” gebracht, wo über den Bau des Spionagezentrums in Utah berichtet wurde. Das hat zwar Experten hellhörig werden lassen, aber noch nicht die klassischen Medien in Deutschland, die zudem bisher überwiegend nur aus nationalen Medien der USA oder Agenturen abgeschrieben haben.
Durch meine langjährigen Beziehungen zu einem ehemaligen Agenten der CIA war ich geschult genug, um in die Zukunft zu denken und genau da habe ich wohl mit “Silent Control” den Nagel richtig getroffen. Die plötzliche Reaktion der Medien in Deutschland ist insofern überraschend, als das sie schon vorher genügend Informationen hatten, sie aber nicht weiter recherchiert oder in seiner Konsequenz zu Ende gedacht haben. Das wollte ich zügig mit “Silent Control” machen. Als zuletzt bekannt wurde, dass die europäische Union plant, Facebook zu nutzen, um mögliche Aufstände vorhersagen zu können, war bereits ein wesentlicher Teil des “fiktiven” Romans, der aber auf faktischen Recherchen basiert, bestätigt.
hpd: Weshalb gab es auf Ihren Roman, der ja über die gleichen Tatsachen berichtet, kaum eine Reaktion? Hat man das als reine Fiction angesehen? Oder sehen Sie politische Gründe dafür? So etwas wie ein “Schweige-Gebot”?
T.D. Hansen: Ehrlich gesagt kann ich es mir nicht wirklich erklären, zudem ich bereits von meinen Informanten Ende April erneut kontaktiert wurde und Anfang Mai mit einer Pressemeldung raus gegangen bin, die erneut auf die Dimension des Utah Data Centers aufmerksam machte. Reaktion Null.
Allerdings spricht sich der Titel im Netz sehr gut herum. Bei den Medien hingegen gilt immer: “Wir brauchen einen aktuellen Aufhänger” und nun darf ich gespannt sein, was auf mich zukommt. Aber man darf bei den aktuellen Enthüllungen nicht vergessen, das es sich überwiegend auf Dinge bezieht, die bereits geschehen sind und weniger um die Dinge die noch geplant oder denkbar sind und damit beschäftigt sich “Silent Control” überwiegend. Dass dabei auch technologische Entwicklungen ins Spiel kommen, von denen wir uns noch nicht vorstellen können, dass diese einmal zu Einsatz kommen, war Anlass, einen Roman und kein Sachbuch zu schreiben. So kann es gehen.
Hätte ich ein Sachbuch geschrieben, wäre es kaum möglich gewesen einmal hermeneutisch eins und eins zusammen zu zählen, all meine Erfahrungen mit den aktuellen Ereignissen in eine zwar fiktive aber realitätsnahe Geschichte zu kleiden. Die ersten Rezensionen zeigen, dass das kein Fehler war.
Aber vor allem müssen wir die aktuelle Phase nutzen, um über das totalitäre Potential der neuen Technologien zu sprechen. Tun wir das nicht, ist die Demokratie in ernster Gefahr. Aber ich kann nach zwanzig Jahren Journalismus auch sagen, das es einerseits Belletristik-Autoren schwerer haben, sich als Experten zu positionieren und andererseits gibt es bei dem Thema große Hürden in den Chefetagen deutscher Medien zu nehmen.
Doch nun kann man an dem Thema nicht vorbei und wir müssen nun über die massive Verletzung von Bürger- und Freiheitsrechten sprechen und dabei spielt auch die Europäische Union oder die Bundesrepublik keine rühmliche Rolle. Ganz im Gegenteil. Die Bundesregierung sieht zu, wie die USA unter Umgehung aller Gesetze und internationalen Standards unter dem Deckmantel des Antiterrorkampfes spioniert und wir können uns sicher sein, das auch der BND hier Anstalten macht, die Daten zu nutzen. Auch um politische Strömungen und Denkprofile von Bürgern anzulegen, um diese im Falle von sozialen Unruhen präventiv nutzen zu können.
Das ist möglich und spätestens hier versteht jeder, warum dies in einem demokratischen Staat nicht sein darf und da helfen auch keine oberflächlichen Lippenbekenntnisse wie zuletzt von Frau Aigner aus Bayern. Wir haben ja gesehen wie ein Anschlag in Boston sofort verwertet wird, um hier die Videoüberwachung zu verstärken.
hpd: Hatten Sie bei der Recherche für Ihr Buch auch mit Edward Snowden Kontakt? Können Sie einschätzen, weshalb sich Snowden selbst enttarnt? Kann es sein, dass er so sein eigenes Leben schützen möchte?
T.D. Hansen: Wer in den USA einen solchen Verrat begeht, müsste eigentlich als Patriot gefeiert werden, da er die Bürgerrechte verteidigt, die die Bush-Administration und auch Obama bis heute aussetzen.
Snowden hat, übrigens wie auch mein inzwischen verstorbener Freund und Ex-Agent Philip Agee ganz klar gesehen, das seine einzige Chance in Freiheit zu bleiben oder gar zu überleben, die Flucht nach vorne, das politische Asyl und die Öffentlichkeit ist. Die CIA ist zu gut, als das Ihnen solche Maulwürfe entgehen.
Ich hatte keinen Kontakt zu ihm und ich habe auch alle anderen Kontakte zu Agenten der NSA kurz vor der Veröffentlichung abgebrochen und es wird diese vermutlich auch nie wieder in der Form geben, um deren Identität zu schützen, zumal sie noch im aktiven Dienst sind.
hpd: Was glauben Sie werden die Konsequenzen aus diesem Skandal sein?
T.D. Hansen: Nun zunächst sehe ich dass unsere Regierungen irrational und paranoid den Bürgerrechten ins Gesicht treten. Die Piratenpartei hätte in Deutschland die Chance gehabt das Thema dauerhaft auf die Tagesordnung zu bringen. Aber wir sehen ja wo sie stehen. Ohne Gesichter und starke Zupferde, die sich mit dem Thema breit auskennen, besteht da keine Chance.
Wir Bürger müssen uns entscheiden, wer uns Angebote macht wie wir den Kontrollwahnsinn eindämmen und wie die Kontrolleure kontrolliert werden. Ein parlamentarischer Ausschuss reicht dafür jedenfalls nicht. Auch auf internationaler Ebene müssen den USA Grenzen gesetzt werden bzw. neue Abkommen – ja geradezu Rüstungsabkommen – über Cyberspionage abgeschlossen werden, die ebenfalls eine überprüfbare Transparenz bieten.
Was in der Debatte auch noch gar nicht erwähnt wird, ist der wirtschaftliche Schaden durch massive Spionage, beispielsweise gegen deutsche Unternehmen. Also Konsequenzen wird es nur geben, wenn das Thema nicht wieder so schnell von der Tagesordnung verschwindet und hier haben die Medien nun eine Verpflichtung.
hpd: Ich habe mir in meiner Rezension ja bereits einen zweiten Teil des Buches gewünscht. Kommt der nun aufgrund der aktuellen Ereignisse?
T.D. Hansen: Sie können sich sicher sein, das ich an dem Thema dran bleibe und die Dimensionen für uns alle weiter ergründe, aber auch ein Sachbuch sollte angesichts der Dramatik nach dem nächsten Roman, der sehr intensive Recherchen erfordert, folgen.
Das Gespräch führte Frank Nicolai für den hpd.
[Erstveröffentlichung: hpd]