Edgar Allan Poes Toaster ¶

Von Martin Wortlieb @wortlieb
Poe fundierte den Symbolismus & die moderne Dichtung, inspirierte Jules Verne, Charles Baudelaire, H.P.Lovecraft und so manch anderen.

Hundert Jahre nach dem Tod von Edgar Allan Poe, also 1949, erschien an seinem Geburtstag, also dem 19.Januar, eine mysteriöse Gestalt am Gedenkstein des originalen Poe-Grabes in Baltimore, Maryland, USA; außer einem weißen Schal ganz in schwarz gekleidet, mit Mantel, Hut und einem verschleierten Gesicht. Sie legte drei rote Rosen nieder und eine angetrunkene Flasche Cognac, bevor sie im Nachttau des anbrechenden Tages wieder von dannen zog. In den darauffolgenden Jahren, jeweils an Poes Geburtstag, wiederholte sich diese schaurig-schöne Begebenheit...

Die Legende des „Poe Toaster"s war geboren.

Seinen Namen „Poe Toaster" erhielt er von Einwohnern und Passanten, die aussagten, ihn dabei gesehen zu haben, wie er Poe prostend zugetrunken und einen Toast auf ihn ausgesprochen, bzw. ausgegossen haben soll. Einige berichteten auch, er habe Gedichtzeilen rezitiert und andere behaupteten, er habe musiziert oder getanzt. Jemand schilderte sogar, er habe den Geist des Meisters Poe persönlich erkannt, der in der Totenstille stumm dagestanden, auf den Gedenkstein gestarrt habe und dann gespenstisch in der nebelbeladenen Dämmerung des Morgens wieder verschwand.

Wer ist der Poe Toaster? Niemand weiss.

So rankten sich viele Anekdoten um ihn, sodass sich die Legende des Poe Toasters rasch herumsprach, was viele Skeptiker veranlasste, ihm aufzulauern oder ihn demaskieren zu wollen, sogar Fernsehteams waren vor Ort, um eine Aufnahme von ihm erhaschen zu können. Einmal kam es sogar zu einer scheinbar grausigen „Toasterjagd", aber nie konnte man ihn erwischen, nie wurde er geschnappt oder gar auf frischer Tat ertappt. Doch immer blieben drei Rosen auf seinem Ursprungsgrab zurück, Jahr für Jahr. Man munkelt, dass eine Rose für Poe selbst gedacht war, eine für seine Frau Virginia, die links neben ihm beerdigt wurde und die dritte Rose für seine Stiefmutter Maria Clemm zu seiner Rechten. Dieses von vielen als orphisches Phänomen angesehene Ereignis wiederholte sich 60 Jahre lang, zum letzten Mal an Poes 200. Geburtstag im Jahre 2009. Danach sah man den Poe Toaster... nimmermehr!

¶In diesem Sinne:

Das Mysterium jedoch lebt weiter. Nicht nur durch die jungen Anhänger von Gothic- und Horror-Literatur oder Fantasy-Fans, die sich kultig zu Poes Geburtstag um die heutige, offizielle Grabstätte versammeln: Mittlerweile soll ein von Baltimore extra dafür angestellter (anonym bleibender) Schauspieler die Rolle des ursprünglichen Poe Toasters übernommen haben. Wegen der Tradition und auch für die Legende wird dieser heute wieder traditionsgemäß drei Rosen niederlegen, um Edgar Allan Poe und vielleicht auch ein wenig seinem Toaster einen alljährlichen Tribut zu zollen.