Ist ein nachhaltiger Lebensstil eigentlich eine Sache des Privilegiertheit unserer heutigen Gesellschaftsstrukturen? Können wir erst dann einen Blick über den Tellerrand dieser Welt werfen, wenn es uns gut geht und ein gewisser Status sicher ist?
Eine Frage, die ich mir in letzter Zeit des Öfteren mal gestellt habe. Dass ich hier schreibe, Rezepte und Fotos posten kann… Im Grunde ein Privileg. Ermöglicht durch die moderne Gesellschaft, durch das heutige Internet und Social Media. Die Möglichkeit andere, vielleicht Gleichgesinnte zu erreichen und mitunter auch Denkanstöße zu liefern.
Und dennoch…
Bereits seit Jahrzehnten beschäftigen uns Klima- und Umweltfragen. Schon vor zwangzig, auch dreißig Jahren sprachen sich manche unter uns für mehr Umweltschutz aus. Auch, damit einhergehend, für einen stärkeren politischen Rahmen in der Sache. Trotzdem hat sich, trotz des Wissens wie es um unsere Umwelt bestellt ist, bislang nicht viel in der Richtung getan. Dabei wäre so manches dringend nötig.
Schließlich geht es um mehr, als nur um die Existenz des Einzelnen. Denn von der Welt, in welcher wir leben, sind wir alle abhängig. Berichte über Bienensterben, Brandrodungen des Amazonas-Regenwaldes, Klimastreiks… Es wird Zeit.
Und doch frage ich mich manchmal, wie es wohl wäre, wenn andere Dinge unsere primäre Aufmerksamkeit hätten? Wenn Krieg herrschen würde. Vielleicht auch eine Hungersnot und es um unser Überleben, ja, auch unseren Frieden ginge?
Hätten wir dann überhaupt die Kapazitäten uns über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen?
Eigentlich haben wir es gut.
Ja, eigentlich. Dann, wenn wir ein Dach über dem Kopf haben, ein Bett, in welchem wir schlafen können, genug Geld um unseren Lebensunterhalt zu finanzieren. Wenn wir Essen auf dem Tisch haben und auch der einen oder anderen Freizeitaktivität nachgehen können. Dann, wenn wir in Frieden leben. Vielleicht mit den ganz normalen Problemen des Alltags, mit jenen, die eben jeder von uns hat. Dann könnte man wohl sagen, dass wir es eigentlich gut haben.
Generationen vor uns haben zwei Weltkriege hinter sich gebracht. Miterlebt wie ihr Zuhause in Trümmern vor ihnen lag. Umstände, die uns, geschildert aus Erzählungen, vielleicht auch nicht mehr als solche erscheinen – Geschichten eben, wie es einmal war. Unvorstellbar in einer Zeit wie der heutigen. Denn heute geht es uns gut.
Den meisten zumindest.
Nicht jeder lebt im sogenannten Mittelstand. Armut ist auch hier und heute kein Fremdwort. Daher geht es auch heute noch für manche primär ums Überleben. Darum vielleicht jeden Cent zwei Mal umzudrehen. Wenn das monatliche Budget begrenzt ist, und gerade einmal für die Deckung aller gängiger Kosten reicht. Dies kann mehrere Gesellschaftsschichten betreffen. Nicht nur Menschen, die von Hartz 4 leben. Vielleicht auch Azubis oder Studenten, die versuchen mit dem wenigen Geld, das ihnen zur Verfügung steht über die Runden zu kommen.
Dennoch bedeutet das nicht, dass es nicht auch unter diesen Personengruppen Menschen gibt, die sich Gedanken um Nachhaltigkeit machen. Die Frage, die ich mir stelle ist vielmehr, ab wann wir uns eigentlich überhaupt Gedanken um diese Themen machen können? Was ist dafür nötig unser Bewusstsein für diese Thematik zu wecken?
Während ich heute das Privileg habe, mir um mein finanzielles Überleben keine Sorgen machen zu müssen, sieht das für andere ganz anders aus. Insofern genieße ich ein gewisses Privileg einen festen Job zu haben. Auch einen, der mir sehr viel Freude bereitet und mir das Gefühl gibt etwas Sinnvolles zu tun. Andere Menschen zu pflegen. Auch wenn der Beruf der Altenpflegerin manchmal körperlich sowie psychisch herausfordernd und, ja, auch anstrengend sein kann, ist es doch ein Privileg, das nicht jeder hat.
Nochmals drei Jahre eine zweite Ausbildung zu beginnen… unter anderen Umständen wäre das mitunter nicht möglich gewesen. Insofern weiß ich was es heißt, vierzig Stunden die Woche zu arbeiten und dafür einen geringfügigen Lohn zu erhalten. Genauso wie gegen Arbeitslosigkeit anzukämpfen, 40 Bewerbungen und mehr zu schreiben, alles für die Chance auf ein Vorstellungsgespräch.
Ist Nachhaltigkeit also eine Sache des Privilegs?
Ich denke teilweise ja. Denn es kommt mitunter auf unsere Lebensumstände an und, damit verbunden, auch darauf, wie unsere Prioritäten gelagert sind. Muss ich als Mensch um mein Überleben kämpfen, werde ich wohl kaum Kapazitäten haben mir Gedanken um mehr Nachhaltigkeit im Alltag oder verpackungsfreies Einkaufen im Supermarkt machen zu können.
Dass der Klimawandel als mediales Thema immer präsenter wird, ist wichtig. Doch basiert auch auf dem Umstand, dass wir heute, hier in unserer sogenannten Wohlstandsgesellschaft, die Kapazitäten haben uns darüber Gedanken machen zu können.
Der Wohlstand und seine Möglichkeiten
Wenn man von Nachhaltigkeit spricht, dann geht es um mehr als nur um einen selbst. Es geht um das Große Ganze. Die Kausalitätskette einzelner Entscheidungen und Faktoren, die alle folgenden Auswirkungen dieser mit einander in Zusammenhang setzt.
Technik ermöglicht es uns, dass vieles leichter geworden ist. Ist man früher noch in den Laden gegangen, wenn man eine neue Hose oder Jacke benötigte, geht das heute ganz einfach online. Die richtige Größe und Farbe ausgewählt, ein Knopfdruck, und schon wird der bestellte Artikel bequem zu uns Nachhause geliefert. Haben wir mal keine Lust zu kochen, kein Problem, wir können einfach den Lieferservice kontaktieren und warmes Essen wird uns an die Haustür gebracht. Benötigen wir Informationen, so können wir sie einfach via Internet recherchieren.
Genau diese gesellschaftlichen Strukturen ermöglichen uns diverse Privilegien. Und damit auch die Möglichkeit gewisse Dinge zu hinterfragen.
Gerne möchte ich daran glauben, dass wir genau diese Umstände dazu nutzen können um in dieser Welt etwas zu verändern. Dass das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch politisch mehr Fuß fassen wird, als nur ein Nischenthema auf der Agenda mancher Politparteien zu sein. Dass es nicht zu spät ist sich eine bessere Welt zu wünschen.
Und zugleich bin ich auch dankbar für das Privileg meine Zeit dazu nutzen zu können über Themen, die mir am Herzen liegen schreiben zu können. Immer mitschwingend das Bewusstsein, dass ein solches Privileg nicht jeder genießt.