Cassis, Weihrauch, Cashmeran und eine ganz kleine Menge Bohnenkraut, das war die ursprüngliche Idee zum dritten und letzten Duft der Serie Eau de Froehliche. Angefangen hatte alles mit einem sehr milden Weihrauchöl, was einen altersbedingten, für Weihrauchöle sicher auch untypisch niedrigen α-Pinen-Gehalt aufwies (der sollte bei einem frischen Öl bei ca. 40% liegen) und mich augenblicklich dufttechnisch verzauberte. Ich war hin und weg und fing sofort mit der Arbeit an – Weihrauch ist ein ganz klassisches Thema der Parfumerie – und stellte mir selbst die Aufgabe, zuerst einen orientalisch-lieblichen Duft und dann einen blumig-kühlen mit Anis geschmückten zu kreieren, bevor es zum Schluß eine Weihrauch-Cassis-Mischung geben sollte. Und weil Weihrauch wie kaum ein anderer Riechstoff in den Orient gehört und daher die gedankliche Verbindung zu Opulenz und Süße mehr als naheliegend ist, entstand Eau de Froehliche No. 1 – Der Mops.
Kardamom zur Begrüßung, eine leichte, süße Schokonote aus Tolu, Coumarin, Vanille, Benzoe und Patchouli, reichlich Irisbutter und jede Menge Weihrauch. Jo Zarth, mein Künstlerfreund aus Leipzig, zeichnete den Mops – es sollte was Süßes auf die Flasche – und kolorierte anschließend bei allen 77 Flaschen die Zungen mit einem roten, chinesischen Lack von Hand.
Eau de Froehliche No. 2 folgte so ziemlich genau ein Jahr später. Ein kühler Hauch Minze und Bergamotte in der Kopfnote, ein blumiges Herz mit Rosenöl aus Bulgarien und eine ganz kleine Menge Anis. Im Fond reichlich Musk, Weihrauch und eine Spur Guajak. Das Ergebnis war ein frischer, leicht kühl wirkender Duft und etwas kratzbürstig daher das Titelbild: Ein frecher, schwarzer Kater, den ich natürlich auch wieder Jo verdanke.
Und nun ist es an der Zeit, den letzten Duft aus der Serie Eau de Froehliche vorzustellen – Eau de Froehliche No. 3 (der Rabe). Warum ich schon vor mehr als drei Jahren auf die Weihrauch und Cassis Idee gekommen war, vermag ich gar nicht zu sagen. Vielleicht war mir damals das Buccoblätter-Öl in die Hände gefallen. Cashmeran und Bohnenkraut jedenfalls kamen deutlich später hinzu.
Doch nicht nur ich hatte den Duft Schwarzer Johannisbeeren im Kopf und in der Nase. Der Riechstoffchemiker Dr. Philip Kraft (Givaudan) saß eines schönen Tages im Zug von Luzern nach Zürich und dachte über den natürlichen Riechstoff der Schwarzen Johannesbeere – das Theaspiran – nach.
Cassyran, also im Deutschen ohne ‘e’ am Ende, entstand durch die Übertragung des seco-Konzeptes das von den Damasc(en)onen zu Pomarose geführt auf den natürlichen Riechstoff der schwarzen Johannesbeere, das Theaspiran. Die Ausgangsidee zum Pomarose, was ja in ’1 Million’ und ‘Montblanc Legend’ die prägende Trockenfrüchte-Note ergibt, war dass die beiden Enantiomere des alpha-Damascons nicht so unterschiedlich rochen, wie man das erwarten sollte. Ich sass im Zug von Luzern nach Zürich, nach einem Vortrag von Charles Fehr, und dachte, wenn wie bei Handschuhen die rechte Hand und linke Hand gleich gut reinpassen, war der Handschuh eben nicht perfekt komplementär, sprich das natürliche Damascon noch nicht perfekt für den menschlichen Riechrezeptor. Es musste als was “abgeschnitten” oder “rangebastelt” werden, damit es perfekt in den entsprechenden Duftrezeptor passte. Das führte zun Pomarose, was ein riesen Trendsetter wurde, zuerst im ‘DKNY Be Delicious’. Tja, und der schönste Duftstoff der Johannesbeere, das Theaspiran, ist wunderbar saftig und fruchtig, aber leider so schwach, dass es im natürlichen Cassis-Duft durch katzenurinartige und andere Nebenkomponenten überdeckt wird. Ich fand also, man müsste das auch irgendwie verstärken, schnipselte also auf der einen Seite was ab, und bastelte es auf der anderen ran und plötzlich wurde diese Charakterverbindung viel intensiver, blieb aber natürlich, nur eben ohne die Katzenurin-Noten, den metallischen Unterton und die Schwefelnoten echter Johannisbeeren. Es ist quasi die reinste Fruchtnote aus der Johannisbeere herauskristallisiert, das natürliche Prinzip übernatürlich verstärkt.
(Dr. P. Kraft)
(Foto: Wikipedia/ Wikimedia Commons)
An dieser Stelle merke ich natürlich, wie schwierig es für Laien ist, sich derart komplizierte, chemische Verbindungen und Prozesse vorzustellen. Doch ich frage mich grad, ob man nicht auch dem Himbeer-Keton an passenden Stelle mal eine kleine Duftverstärkung ranbasteln könnte. Jedenfalls verdankt die Parfumwelt dem Einfallsreichtum von Philip Kraft neben Chemicals wie Super Muget, Serenolid, Sylkolide und Azuron auch den Riechstoff Cassyran.
Später dann wurde Dr. Philip Kraft auf meine Parfumserie Eau de Froehliche aufmerksam, hörte von der Weihrauch-Cassis-Idee und konnte die richtigen Leute seine Firma (Givaudan) überzeugen, daß es vielleicht eine schöne Sache wäre, wenn der recht neue Riechstoff Cassyran mal in Form einer kräftigen Dosis in ein Parfum kommt. Für solche Sachen – die natürlich auch ein Test sind – eignet sich eine Kleinserie besonders gut. Das ich dabei auf einen Großteil der kreativen Arbeit des Mischens verzichten mußte war für mich nicht ganz leicht. Einfach finde ich es nicht, eine Idee aus der Hand geben zu müssen. Doch anders wäre die Zusammenarbeit nicht möglich gewesen, weil ein neues, wichtiges Chemical wie Cassyran (ein Captive) nicht die Firma verlassen darf. Da gibt es strenge Vorschriften und genau an dieser Stelle kommt Alain Alchenberger ins Spiel. Meine Duftvorstellungen für die Basis wanderten als Muster mit der Post in die Schweiz und alle weiteren Wünsche mußten via E-Mail und Telefon besprochen werden.
Alain Alchenberger arbeitet als Forschungsparfümeur für Givaudan und hat z.B. das Ralf für Ralf Lauren gemacht. Ein richtig berühmter Parfumeur nahm sich jetzt meiner Idee an – ohne die Grundkomposition zu verwerfen – und komponierte um die ursprüngliche Duftvorstellung herum einen wundervollen Cassisduft. So eine geniale Cassisnote hätte ich niemals selber mischen können. Wie denn auch? Ich wäre schon mit der Cassis Base 345 B von Firmenich glücklich gewesen, hätte etwas Buccoblätter, Berryflor und Paradisamide dazugegeben; alles in der Hoffnung, damit irgendwie in Richtung einer brauchbaren Cassisnote zu kommen. Sicher war und bin ich mir eigentlich nur mit der Basis gewesen. Das Weihrauch und Cassis gut zueinander passen, war mir einfach so klar. Für manche Dinge brauche ich keinen Test und auch mit Cashmeran und Bohnenkraut – was in höchster Verdünnung einer Mischung sehr viel Natürlichkeit geben kann – war ich absolut sicher. Doch wie hätte ich denn eine Cassisnote mischen können, die so wunderbar fruchtig ist und dabei keine Spur säuerlich wirkt? Ohne Cassyran. Unmöglich. Eine Cassisnote, die klar die Kopfnote dominiert und die dann ganz sanft und langanhaltend bis weit in das Herz des Duftes hinein ausläuft. Allein für diese Cassis bin ich unendlich dankbar. Bliebe die Frage an Alain, wie man sich ohne Cassyran eine schöne Cassisnote mischt. Das muß ich ihn mal noch fragen.
Allen Hobbymischern und Hobbymischerinnen sei an dieser Stelle aber wirklich die Cassisbase 345 B von Firmenich empfohlen. Dazu Weihrauch und Cashmeran, in höchster Verdünnung passen Rosmarin, Fenchel oder Bohnenkraut perfekt dazu, etwas Limette für die Kopfnote und vergessen sie das Herz nicht – Rose, Geranie (ganz vorsichtig) und z.B. Hedione. Man muß gar nicht so viel hineinstopfen, wenn man sich ein eigenes Parfum mischen will.Und denken sie an die Buccoblätter. Die muß man einfach kennen.
Und jetzt ist er endlich fertig, der dritte und damit letzte Duft aus der Serie EAU DE FROEHLICHE. Jo Zarth hat einen wundervollen schwarzen Raben dafür gezeichnet und jedesmal, wenn ich meine Parfumflaschen anschaue, bin ich durchaus stolz über die sorgfältig gestalteten und bedruckten Flaschen. Zumal die Eau de Froehliche Reihe inzwischen wohl sogar Sammlerwert besitzen.
Ich bedanke mich bei Alain Alchenberger für die ausgesprochen sensible Umsetzung meiner Idee, bei Dr. Philip Kraft für das Chemical Cassyran und die Überzeugungsarbeit innerhalb seiner riesigen Firma, bei Jo für den schönen Raben und auf jeden Fall bei Georg Wuchsa von Aus Liebe zum Duft, der einfach den Mut hatte (und hat), meine völlig unbekannten Düfte in seinem Shop vorzustellen und anzubieten.
Auf einen Blick:
Eau de Froehliche No. 3
50ml Eau de Toilette Spray
INGREDIENTS: INGREDIENTS: ALKOHOL, AQUA (WATER), PERFUM (FRAGRANCE), CITRAL, CITRONELLOL, LIMONENE, FARNESOL, GERANIOL, LINALOOL.
Parfumeure: Alain Alchenberger und Erik Kormann
Cassyran: Entwickelt von Dr. Philip Kraft
Gestaltung: Jo Zarth
Kopfnote: Eine natürliche, zart gewürzige Cassisnote (Überdosis Cassyran), spritzig (Zitrone), ganz leicht pfeffrig/ fruchtig (Rosa Pfeffer-Akkord mit leicht pudriger Himbeer-Nuance).
Mittelnote: Grüne Blätter, fruchtige, leicht wässrige Noten (Litschi/ Melone), Rosmarin (eine Note, die auch das Cassyran mitbringt). Geschmückt mit Geranien und Rosen.
Basis: Weihrauch, Carvacrol (Bohnenkraut), Cashmeran (Musk), ambrierte Noten, Ceder und Sandelholz.