"Easy": Netflix haut den nächsten Comedy-Drama-Hit raus

2016 / US / 8 Folgen á 45 Minuten / Genre: Comedy, Drama / FSK: 16

Ist "Easy" wirklich das nächste Comedy-Drama aus dem Hause Netflix, das sich von realitätsnahen Beziehungsgeschichten und den damit verknüpften Alltagsproblemen ernährt? Nach eigenproduzierten Serien wie "Love", "Master of None", "Lady Dynamite", "Flaked" und in gewisser Weise sogar "Bojack Horseman", dürfte das Sättigungsgefühl in diesem Genre so langsam aber sicher erreicht sein. "Easy" hat es deswegen alles andere als easy, legen eben genannte Vorbilder die Latte doch hoch - und die sollte selbst für ein neutrales Urteil eben besser nicht unterschritten werden. Eigentlich muss sogar ein Hit her, damit diese Genreüberschwemmung verschmerzt werden kann. Denjenigen, die sich von meiner Skeptik angesprochen fühlen, sei bereits jetzt gesagt: Haltet durch!
Joe Swanberg spielt anfangs nämlich mit einer Menge altbackener Sexdiskussionen, präsentiert Gruppenkonstellationen von Freunden, wie sie typischer nicht sein könnten und möchte dabei wichtiger sein, als es sein Projekt im Endeffekt ist – was dafür sorgt, dass ich flott damit begonnen habe, Netflix durchaus beachtliches Serien/Qualität-Verhältnis in Zweifel zu ziehen. Aber Halt! Nicht umsonst hat der SVoD-Anbieter erst vorgestern eine hauseigene Studie veröffentlicht, die klar und deutlich zeigt, dass die meisten (großartigen) Serien etwas Anlaufzeit benötigen, bis sie den Zuschauer packen. Bei "Master of None" sind es nach eigenen Aussagen somit vier Episoden, bis man der verschrobenen Liebes- und Lebensgeschichte sein Herz schenkt. Das gleiche Phänomen schreibe ich nun "Easy" zu.
Sollte Netflix ebenfalls das Dilemma erkennen, dass man in den vergangenen Jahren das auch hier behandelte Thema beinahe zu oft behandelt hat, könnte die in Chicago gedrehte Serie die vielleicht - vorerst - letzte ihrer Art sein. Das wäre nicht nur deswegen wünschenswert, weil Netflix sich gerne mal anderen spannenden Genres widmen dürfte, sondern weil mit Joe Swanberg im Grunde ein perfektes vorläufiges Finale gedreht wurde. Der Mann ist nämlich ein Experte auf diesem Themengebiet und hat seine ganze Karriere lang gezeigt, dass er genau dafür hinter die Kamera gehört. Durch Filme wie "Digging for Fire" und "Drinking Buddies" hat er explizit das trainiert, was in "Easy" ab spätestens der dritten Folge in Höchstform zu sehen ist: Minimalistische Kameraeinstellungen mit dem Auge für das feine Detail und Dialoge, die sich auch mit kleinem Budget und ohne großes Tamtam wunderbar inszenieren lassen.

Dazu kommt der Fakt, dass wir hier von einer Anthologie-Serie reden. Jede der acht Folgen hat also eine in sich abgeschlossene Erzählung, Minifilme sozusagen. Hier spielt Swanberg seine wohl größte Stärke aus. Innerhalb einer halben Stunde lernen wir Charaktere und eine neue Umgebung kennen, reisen durch eine Hand voll von persönlichen Geschichten und sagen dann wieder Tschüss. Was so simpel klingt, ist nur schwer mit Emotionalität anzureichern. Emotionalität, die wir als Zuschauer sehr schnell vermittelt bekommen müssen, damit uns das Ganze nicht egal ist. Man merkt Swanberg in den ersten Folgen zwar an, dass er diese Kunst nicht konstant abrufen kann, doch durch Episoden, wie beispielsweise die Fünfte, entschuldigt er sich immerhin dafür. Und wie.
Für die besagt Folge "Art and Life" versetzt er Schauspieler Marc Maron ("Louie") in eine Person, die auf einer Metabene Maron selber sein könnte. In dieser spielt er einen Künstler, der in seinem Privatleben nach Geschichten für seinen Job sucht und dabei keine Rücksicht auf die Gefühle seiner Mitmenschen nimmt. Dass seine Karriere aus genau diesem Grund keinen Schritt vorwärts geht, bemerkt er nicht – bis ihm eine girliemäßige Studentin über den Weg läuft und ihm endlich eine Richtung vorgibt. "Easy" verwandelt hier kurze 30 Minuten in ein Spektakel der Netflix-Geschichte und zeigt im Golden Age of Television, dass auch (Kurz-)Filme nach wie vor die Macht haben, Serien auszustechen. Hätte diese Serie an sich durchgehend auf diesem Niveau gearbeitet, wäre eine wahres Meisterwerk entstanden.
Doch dann gibt es da eben auch Folgen wie die Erste. "The fucking Study" beschäftigt sich die gleiche Laufzeit lang mit einem eingerosteten Ehepärchen (Michael Chernus & Rebecca Spence), das explizit damit beschäftigt ist, ihr abhanden gekommenes Sexleben wiederzufinden. Im Grunde ein Thema, das mit einer gewissen Frische gerne wieder und wieder bearbeitet werden darf – hier aber alleine mit dem aufkeimenden Gedanken, dass die beiden sich bitte doch einfach scheiden und mich in Ruhe lassen sollen. So ungefähr fühlte sich auch die Folge "Utopia" an, die einen Star in sich trägt, mit dem man im Vorfeld immerhin sehr gut werben konnte: Orlando Bloom ("Der Herr der Ringe") und Malin Åkerman ("Billions") sind in ihren Serien-Ichs auf der Suchen nach einem flotten Dreier und bereiten dem Zuschauer dabei eine peinliche Beklommenheit, die sie bei der fertigen Episode selbst nicht ganz verstecken konnten. Wer aber einfach nur auf Nacktszenen mit Legolas aus ist, kann bestimmt darüber hinweg schauen.
Obwohl sich "Easy" an Stellen, wie auch diese eine ist, lose und ohne nötigen Feinschliff anfühlt, würde es Swanberg und seinen Zuschauern gut tun, wenn er von Netflix das 'Go!' für eine zweite Staffel bekommen würde. Denn wenn ihm die Bestätigung entgegengebracht wird und dazu noch etwas mehr Zeit versprochen wird, um durchweg Folgen auf dem Niveau von "Art and Life" produzieren zu können, ist Großes zu erwarten. Swanberg ist außerdem einer der ersten Filmregisseure, der sich als Pionier in die Serienwelt stürzt und zeigt auf, was da eigentlich alles gemacht werden kann. "Easy" ist deshalb nicht nur eine kurzweilig genießbare Produktion, sondern könnte auch der Startschuss zu einer noch größeren Verschmelzung von Kino- und Fernsehwelt sein.
7.0/10

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