Der letzte Tag in den Bergen beginnt für Jan und mich wie all die anderen Tage. Die Mitwanderer in unserem Zimmer sind wieder einmal „vor uns dran“, werkeln schon um halb Sechs im Zimmer herum und stellen so sicher, dass auch wir gegen halb Sieben auf dem Weg zum morgendlichen Frühstücksbuffett sind. Das dieses Mal aber recht überschaubar aus 2-3 Scheiben Brot, Butter und Marmelade besteht. Uns schmeckt es trotzdem. Ob es schon die Vorfreude auf italienisches „dolcé vita“ ist oder einfach die Macht der Gewohnheit?
Nach dem mittlerweile routinemäßigen Zusammenpacken unserer (leider) mehr als 7 Sachen, gibt es doch noch einen kleinen morgendlichen Aufreger: meine Wanderstiefel sind weg!
Im Schuhraum finde ich zwar meine gut „eingelaufenen“ Socken. Doch wo sind die passenden Stiefel dazu? War da etwa ein Mitwanderer zu verschlafen und hat sich das falsche Paar Stiefel angezogen? Oder haben wir einen Schuh-Dieb unter uns? Sofort höre ich von der einen oder anderen Bergstiefel-Geschichte, wird mir empfohlen meine Bergstiefel das nächste Mal besser zu markieren, ernte ich Schulterzucken. Ich sehe mich schon in Flip-Flops die letzten Meter unserer Alpenüberquerung bewältigen (die Träger in Nepal können dies schließlich auch), aber dann kann ich doch Entwarnung geben. Ich finde meine Stiefel säuberlich aufreiht in dem zweiten Schuhraum, und ohne die Frage nach dem „Warum“ weiter aufklären zu wollen, machen Jan und ich uns auf in Richtung Similaun-Hütte.
Die wir dieses Mal fast schon von Anfang an am Horizont über uns entdecken. Zu Beginn noch klein und gut versteckt hinter dem einen oder anderen Felsen. Im Laufe der nächsten zwei Stunden aber immer greifbarer und verlockender. Der doch recht steile Aufstieg kann uns nicht schocken. Es sind schließlich die letzten Höhemeter, die wir auf dem Weg nach Italien aufsteigen müssen und so genießen wir jeden Schritt. Bei strahlend blauem Himmel und einer wunderbar frischen morgendlichen Brise.
Links von uns zeigt sich der Similaun-Gletscher in seiner ganzen Pracht und wir beobachten die eine oder andere Bergsteiger-Gruppe, die sich wie gut organisierte Ameisen „in Reih und Glied“ über den Gletscher Richtung Similaun-Spitze emporarbeiten. Mit Steigeisen und Eispickel ist das wohl auch für den „gewöhnlichen“ Bergwanderer zu bewältigen. Wer weiß, welche Gipfel und alpinen Herausforderungen Jan und ich in Zukunft noch erstürmen werden.
Pünktlich zum späten Frühstück sind wir auf der Similaun-Hütte und genießen zusammen mit etlichen E5-lern den sonnigen Blick auf Gletscher und Bergwelt. Das schon obligatorische Johannisbeere-Schorle darf da natürlich nicht fehlen und Jan und ich lassen uns ein letztes Mal „mit Hütte“ im Hintergrund ablichten.
Dann heißt es Abschied nehmen von der Hüttenterrasenromantik und zusammen mit anderen E5-Mitstreitern machen wir uns auf den letzten Abstieg hinab zum Vernagt-Stausee.
Den wir tatsächlich schon von der Hütte aus erblicken. Tiefblaugrün liegt er im Tal vor uns und ruft uns sein italienisches „Ciao“ zu. Mittlerweile sind wir nämlich in Italien angekommen. Allerdings wieder ganz ohne sichtbaren Grenzübergang. Einzig an den Schildern, die nun in Deutsch und Italienisch gehalten sind, merken wir, dass wir nun fast am Ziel unserer Alpenüberquerung sind.
Jan legt zusammen mit Christiane, Thomas und Jochen ein bemerkenswertes Abstiegstempo an den Tag, dem ich heute nicht mehr folgen kann. Zusammen mit Katrin lasse ich es gemütlicher angehen. Spätestens bei den regelmäßigen Pausen treffen wir uns aber wieder.
Gegen 13:00 Uhr ist es geschafft. Und wir sind es zugegebenermaßen auch. Wir stehen am Ufer des Stausees und haben die Alpen doch tatsächlich überquert. Zu großen Teilen zu Fuß. Ein wenig mit dem Bus. Aber auf jeden Fall ganz ohne Elefanten.
Ich gönne mir daraufhin erst einmal ein – richtig geraten! – Johannisbeere-Schorle. Dann lockt aber der See und im eiskalten Wasser waschen wir uns den Schweiß des heutigen Tages ab.
Und dann heißt es Abschied nehmen von den Bergen. Pünktlich um 14:22 Uhr kommt der Postbus, der uns und etliche unserer Mit-E5-lern durch das wunderschöne Schnalztal hinunter nach Meran bringt.
Dort herrscht Hochsommer und bei weit über 30 Grad nehme ich gerne noch die Annehmlichkeit an, die wir in unserem Hotel vorfinden. Denn der kleine Pool im Garten macht müde Bergwanderergeister schnell wieder munter. Und Dank der aktuellen „FAZ am Sonntag“ bin ich auch nach einer Stunde Lektüre wieder gut informiert was sich „drunten auf der Erde“ in den letzten Tage so abgespielt habt. Inklusive schwäbischer Heimpleite bei der wichtigsten Nebensache der Welt.
Für den Abend haben wir uns mit Christiane, Thomas, Jochen und Katrin zum E5-Abschlussessen verabredet. Jan und ich freuen uns schon auf Pizza. Die finden wir dann aber doch nicht auf der Karte, aber das Wiener Schnitzel XXL belohnt uns trotzdem auf sehr schmackhafte Weise für unsere erfolgreiche Alpenüberquerung.
Das abschließende Schmankerl des Abends ist dann natürlich das schon lange herbeigesehnte original italienische Eis, das wir plaudernd und „schlotzend“ in der Meraner Fußgängerzone entlang der Etsch genießen.
Am nächsten Tag werden wir uns auf den Rückweg machen. Dieses Mal nicht zu Fuß, sondern über Bozen, München und Stuttgart bis nach Karlsruhe. In 9 Stunden im EC, ICE, IC und die letzten Meter mit der Karlsruher Tram. Wieder keine Elefanten!
Aber mit genügend Gelegenheiten unsere gemeinsame Alpenüberquerung Revue passieren zu lassen. 6 Tage, in denen wir viel geschwitzt, auch ein wenig gelitten aber vor allem die Zeit miteinander genossen haben. Und ihm Kopf haben wir schon die nächsten Touren: der Rheinsteig, der Heilbronner Weg. Und auf jeden Fall ein paar Gipfelkreuze. Denn die hatten auf dem E5 keinen Platz mehr. Und irgendwann werde ich Jan auch mit nach Nepal nehmen. Dann wohl auch gerne mit der Hilfe eines Trägers. Aber Elefanten werden wir auch dann nicht benötigen.