E10 oder die Biosprit-Lüge

Ich habe zwar kein Auto, aber die Berichterstattung über das Chaos mit der Einführung von E10 nimmt so viel Raum ein, dass man ihr selbst beim größten Desinteresse kaum entgehen kann – und ich bin gar nicht ausgesprochen desinteressiert, weil das nicht meine Art ist. Außerdem hat die Erhöhung des Anteils an so genannten Biokraftstoffen bei uns in Deutschland bzw. in Europa globale Auswirkungen. Die Menschen im Rest der Welt bemerken das vor allem an Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln.

Denn nichts an diesen „Bio“-Kraftstoffen ist tatsächlich „bio“ im Sinne von naturnah oder menschenfreundlich. Wenn die Mineralölkonzerne nun seit Anfang des Jahres ihrem Superbenzin 10 Prozent Ethanol (beschönigend eben „Bio“-Alkohol genannt), statt bisher 5 Prozent Alk beimischen, dann heißt das in erster Linie, dass ein beträchtlicher Teil der Ernte an Getreide, Mais und Zuckerrüben nicht zur Produktion von Lebens- oder wenigstens halbwegs gesundheitsverträglichen Futtermitteln genutzt wird, sondern im Tank landet.

Angesichts der Tatsache, dass weltweit eine Milliarde Menschen hungern, zeigt das Beispiel Biosprit einmal mehr wie zynisch das System ist: Die Gefahr einer Überproduktion, die die Preise sinken lässt, ist damit elegant vom Tisch. Denn das Schlimmste, was kapitalistischen Geschäftemachern passieren kann, sind sinkende Preise für die Güter, mit denen sie handeln. Durch dem Biosprit wird die Nachfrage nach Agrarprodukten gesteigert – und zwar bei einer Zielgruppe, die auch höhere Preise verträgt. Da lässt man die Leute in den armen Ländern halt über die Kante fallen, die sind ja ohnehin keine besonders kaufkräftige Zielgruppe und daher nicht systemrelevant.

Und noch etwas anderes hatte System, nämlich die Hätschelei der Despoten, die in den Ölländern das Sagen hatten. Um an den Schmierstoff für Industrie und Handel zu kommen, wurden die Scheichs und Könige hofiert, die Sauds und al Sabas und Lichtgestalten wie Saddam Hussein, Ayatollah Khomeini oder eben Muammar al Gadaffi. Und auch mit den Typen in Russland würde man anders umspringen, wenn da nicht diese Pipelines wären, an denen die europäische Wirtschaft hängt wie der Junkie an der Nadel.

Dass der Agrosprit nicht so umweltverträglich ist, wie gern behauptet wird, haben natürlich auch andere schon festgestellt, etwa der BUND. Natürlich würde es die Umwelt sehr viel mehr schonen, wenn weniger Auto gefahren würde und wenn dann sparsamere Modelle. Aber das passt ja nicht mit dem Wachstumbedürfnis des herrschenden Wirtschaftsmodells zusammen. Denn die Leute sollen Autos kaufen, Benzin tanken und auch sonst jede Menge Geld für Unsinn ausgeben, damit sie auch morgen noch welches verdienen können.



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