2008 erntete Regisseur und Schauspieler Clint Eastwood viel Lob für seine Darstellung und Inszenierung eines alten, grantigen Rentners, der den Vorstadtkampf gegen eine rassistische Jugendgang aufnahm. Der britische Regisseur Daniel Barber braucht sich mit seinem Debutfilm ‘Harry Brown’ nicht vor der Hollywood-Legende zu verstecken. In der Hauptrolle schlägt sich hier Michael Caine durch eine Plattenbausiedlung in Süd-London.
Harry Brown ist Witwer und hat nichts mehr zu verlieren. Seine Tochter ist an einer Lungenentzündung gestorben, seine Frau an Krebs und sein einziger Freund wird von einer Gang brutal erschlagen. Ihm ist nichts geblieben. Deshalb nimmt er sich dem zunehmenden Kriminalitätsproblem in seiner Gegend an. Statt resigniert sein stilles Rentner-Dasein zu führen, packt der ehemalige Royal Marine noch einmal die Knarre aus und lehrt den gewalttätigen Abschaum in seinem Viertel gründlich das Fürchten. Den harten Jungs bleibt das überhebliche Gelächter schnell im Hals stecken.
‘Harry Brown’ darf gerne als eine Perle des britischen Films angesehen werden. Es ist unverständlich warum solche Werke hierzulande nur über die DVD ihren Weg zum Endverbraucher finden. Vor allem Michael Caine darf hier noch einmal sein schauspielerisches Repertoire präsentieren. Von Verzweiflung und Trauer bis hin zum kaltblütigen Rachefeldzug überzeugt der zum Ritter geschlagene 77jährige Charakterdarsteller in jeder Szene. Erst noch ein zurückgezogen lebender Beobachter, entwickelt sich seine Figur zu einem gnadenlosen Mann, der durch Selbstjustiz sein Viertel wieder auf Vordermann bringen möchte.
Seine Umgebung könnte unfreundlicher nicht sein. Die Plattenbauten erzeugen eine triste Monotonie. Regisseur Daniel Barber zeigt graue Bilder. Es sind karg eingerichtete Wohnungen und spärliche Parkanlagen die zunächst eine dreckige aber auch ruhige Atmosphäre erschaffen. Durchbrochen werden diese Bilder durch verstörende Gewaltakte. Jugendliche die Menschen zusammenschlagen, Blut das spritzt, Waffen werden auf Passanten gerichtet. Nur so zum Spaß. Bereits die ersten Minuten des Filmes arbeiten mit einer verwackelten Handkamera, zeigen solche jugendlichen Draufgänger bei einer Aktion, die für eine Frau tödlich enden wird. Man kennt keine Skrupel, hat sogar noch Rückendeckung von den eigenen Vätern, die ihre Söhne in Schutz nehmen. Die Polizei scheint machtlos. Sie zeigt sich sogar ignorant gegenüber der außer Kontrolle geratenen Situation.
In dem Ort herrscht eine Respektlosigkeit gegenüber dem Tod die kaum begreifbar erscheint. Nicht nur die jugendlichen Hobby-Raufbolde nehmen die Konsequenzen ihrer Taten nicht allzu ernst, auch der ermittelnde Polizist Hicock überbringt Todesnachrichten als ‘Totogramm’, versteht die Lage der betroffenen Personen eher als Scherz. Nur seine Kollegin Alice Frampton, dargestellt von Emily Mortimer, nimmt die Probleme ernst, ermahnt ihren Kollegen für seine Form der Dienstausübung. Mortimers Figur stellt die entscheidende Frage des Filmes wenn sie vor Harry Brown steht und ihn fragt, wo die ganze Gewalt noch hinführen solle. Denn auch er ist nicht gerade zimperlich im Umgang mit der Waffe.
Wenn man den Vergleich ziehen möchte, besitzt ‘Harry Brown’ nicht den Humor von Eastwoods ‘Gran Torino’, wodurch die Gewaltakte allerdings umso eindringlicher werden. Michael Caine zeigt sich mal wieder in einer Hauptrolle und schafft es die Zuschauer von der Notwendigkeit zu überzeugen, auch in Zukunft vermehrt als Hauptakteur aufzutreten. ‘Harry Brown’ ist nicht nur ein Rachefeldzug gegen brutale Jugendkriminalität, vielmehr zeigt es die Handlungsunfähigkeit der Polizei und das Unvermögen der Eltern ihre Kinder vernünftig zu erziehen. Der Film endet erst dann, wenn alle am Boden liegen.
Fernab vom einem unterhaltsamen Actionthriller bietet die DVD zu ‘Harry Brown’ einen englischen als auch deutschen Trailer zum Film sowie zu ‘Buried’, ‘Kopfgeld’, ‘Dead Man Running’ und ‘Staten Island’. Es gibt sechs entfallene Szenen, Interviews mit den Hauptdarstellern und dem Regisseur und mehrere Szenen vom Dreh, die unkommentiert einen Blick hinter die Kamera werfen. Am unterhaltsamsten ist allerdings dann der Audiokommentar, den Hauptdarsteller Sir Michael Caine höchstpersönlich übernommen hat.
Die DVD zu ‘Harry Brown’ ist seit dem 21. Oktober im Handel erhältlich.
Originaltitel: Harry Brown
Label: Ascot Elite Home Entertainment
Veröffentlichung: 21.10.2010
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Genre: Actionthriller
Produktionsland, Jahr: UK, 2009
Länge: ca. 98 Minuten
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Specials: Audiokommentar von Sir Michael Caine, Trailershow, Entfallene Szenen, Interviews mit Darstellern und Regisseur, Szenen vom Dreh
Regie: Daniel Barber
Darsteller: Sir Michael Caine, Emily Mortimer, Iain Glen, Liam Cunningham, Ben Drew