Kritik ist immer so eine Sache. Im privaten Bereich führt sie häufig zu Unstimmigkeiten, und auch im beruflichen Umfeldern ist sie häufig Ursache unliebsamer Gefühle. Es geht hier aber nicht um Kritik unterhalb der Gürtellinie, sondern um fachliche Kritik. Fachliche Kritik ist das A und O der wissenschaftlichen Methodik. Ohne sie gäbe es faktisch keine Wissenschaft. Kritik bedeutet dabei nicht einmal nur negative Kritik. Die Rezeption von Artikeln kann ja durchaus auch positiv sein. Ohne Kritik gäbe es aber keine Diskussion in der Wissenschaft und auch somit gäbe es keinen Fortschritt. Problematisch wird es eigentlich immer nur dann, wenn unberechtigt Kritikresistenz existiert.
Umso erstaunter war ich, dass ich beim Durchstöbern des Internets (=modernes Neusprech Surfen) über einen Artikel in VietnamNet gestoßen bin, der quasi aussagt, dass aus- wie inländische Wissenschaftler doch weniger Kritik an der vietnamesischen Wissenschaft üben sollten. Das erscheint mir erst einmal ziemlich erstaunlich, denn wie ich schon schrieb, Wissenschaft lebt von Kritik. Und wenn die Wissenschaft formal oder inhaltlich schlecht ist, muss eben mit Kritik gerechnet werden. Wie soll ich so etwas bewerten? Viele der wissenschaftlichen Leistungen, BA-Arbeiten, MA-Arbeiten oder gar Doktorarbeiten, viele Fachbücher und Zeitschriftenaufsätze haben nicht nur haarsträubende inhaltliche Fehler, sondern auch formale. Es geht mir hier nicht um die paar Englischfehler, die sich auch bei mir als Nicht-Muttersprachler finden. Viele der vietnamesischen Arbeiten sind allein schon formal, d.h. von der äußeren Ansicht so haarsträubend, dass sie in Deutschland nicht einmal bei einer Erstsemesterveranstaltung durchgehen würden. Ist es aber nicht meine Pflicht als Akademiker, auf diesen Missstand hinzuweisen?
Ich schweife nun ein wenig von dem Artikel ab, der ja letztendlich richtig liegt. Vietnam hat einfach nicht die Ressourcen, um global wissenschaftlich mitzuspielen. Aber gute Wissenschaft muss nicht immer nur an Geld scheitern. Das gilt auch für die Bildung an sich. Es ist ja gerade dieses Klischee, das in Deutschland auch wichtige Bildungsreformen blockiert: Wenn man nur genug Geld in Schulen und Unis pumpte, dann würde sich das Problem von selbst lösen, so der Ansatz. Aber mich ärgert dieser Artikel schon ein wenig. Kritik muss zu jeder Zeit in der Wissenschaft erlaubt sein. In Vietnam will man sein Gesicht nicht verlieren. Im Alltag bedeutet das, dass man sich so klein und unauffällig gibt, wie es nur geht. Auch in meiner Schule sehe ich das. Stelle ich eine Frage in die Runde, sei sie auch nur so einfach, ich bekomme keine Antwort. Niemand will sich die Blöße geben. Aber auch hier stehe ich vor dem „Bitte nicht kritisieren“- Problem. Als ich vor Kurzem einmal ein Diktat schreiben lassen wollte, hielt mich meine Assistentin zurück. Das sei zu schwer, das ginge nicht. Ich habe es trotzdem schreiben lassen – die Korrektur hat mich eine Woche gekostet. Von insgesamt 120 Wörtern waren im Schnitt 60 falsch geschrieben. Ja, einer hatte es sogar geschafft 109 falsche Wörter einzubauen! Kritik zeigt mir, wo ich entweder auf dem richtigen oder auf dem falschen Weg bin. Ich bin mir sicher, alle meine Studenten sind intelligent. Aber sie werden regelrecht verhätschelt. Bitte hier nicht dies machen, bitte dort. Und dann wundern sich Vietnamesen, dass sie kein Englisch können?
Und wie soll ich das Ganze „Es ist zu schwer“-Zeug verstehen? Deutsche Kinder schreiben kurz nach Beginn ihrer Schulkarriere erste Diktate. Ich habe Englisch ab der 5.Klasse gehabt. Und ich kann mich erinnern, dass mein damaliger Lehrer auch diktiert hat. Wie sonst soll ich lernen, die fremden englischen Laute mit den mir noch fremder erscheinenden Schriftbildern in Einklang zu bringen. Sind vietnamesische Kinder dümmer als deutsche? Wohl kaum. Aber sie werden für dumm gehalten und letztendlich durch diese Hätschelerziehung auch dumm gemacht. Denken gehört nicht zu den Kompetenzfeldern, die in vietnamesischen Schulen oder sogar Universitäten gelehrt werden. Und hier liegt eben das Problem der vietnamesischen Wissenschaft, warum sie eben nicht mit der anderer asiatischer Länder oder gar der westlichen mithalten kann. Denken wurde uns in der Schule immer beigebracht. Dinge zu erfragen, Dinge zu hinterfragen. Denn hier liegt das wahre Problem. Nicht zu wenig Geld, zu wenig Ressourcen sind an der Situation schuld, sondern der Mangel an der Neugier. Statt Kritik zu unterbinden, sollte die vietnamesische Wissenschaft, allen voran das Ministerium für Erziehung, Sport und Tourismus diese aufgreifen und den Mut zu Reformen aufbringen.
Umso erstaunter war ich, dass ich beim Durchstöbern des Internets (=modernes Neusprech Surfen) über einen Artikel in VietnamNet gestoßen bin, der quasi aussagt, dass aus- wie inländische Wissenschaftler doch weniger Kritik an der vietnamesischen Wissenschaft üben sollten. Das erscheint mir erst einmal ziemlich erstaunlich, denn wie ich schon schrieb, Wissenschaft lebt von Kritik. Und wenn die Wissenschaft formal oder inhaltlich schlecht ist, muss eben mit Kritik gerechnet werden. Wie soll ich so etwas bewerten? Viele der wissenschaftlichen Leistungen, BA-Arbeiten, MA-Arbeiten oder gar Doktorarbeiten, viele Fachbücher und Zeitschriftenaufsätze haben nicht nur haarsträubende inhaltliche Fehler, sondern auch formale. Es geht mir hier nicht um die paar Englischfehler, die sich auch bei mir als Nicht-Muttersprachler finden. Viele der vietnamesischen Arbeiten sind allein schon formal, d.h. von der äußeren Ansicht so haarsträubend, dass sie in Deutschland nicht einmal bei einer Erstsemesterveranstaltung durchgehen würden. Ist es aber nicht meine Pflicht als Akademiker, auf diesen Missstand hinzuweisen?
Ich schweife nun ein wenig von dem Artikel ab, der ja letztendlich richtig liegt. Vietnam hat einfach nicht die Ressourcen, um global wissenschaftlich mitzuspielen. Aber gute Wissenschaft muss nicht immer nur an Geld scheitern. Das gilt auch für die Bildung an sich. Es ist ja gerade dieses Klischee, das in Deutschland auch wichtige Bildungsreformen blockiert: Wenn man nur genug Geld in Schulen und Unis pumpte, dann würde sich das Problem von selbst lösen, so der Ansatz. Aber mich ärgert dieser Artikel schon ein wenig. Kritik muss zu jeder Zeit in der Wissenschaft erlaubt sein. In Vietnam will man sein Gesicht nicht verlieren. Im Alltag bedeutet das, dass man sich so klein und unauffällig gibt, wie es nur geht. Auch in meiner Schule sehe ich das. Stelle ich eine Frage in die Runde, sei sie auch nur so einfach, ich bekomme keine Antwort. Niemand will sich die Blöße geben. Aber auch hier stehe ich vor dem „Bitte nicht kritisieren“- Problem. Als ich vor Kurzem einmal ein Diktat schreiben lassen wollte, hielt mich meine Assistentin zurück. Das sei zu schwer, das ginge nicht. Ich habe es trotzdem schreiben lassen – die Korrektur hat mich eine Woche gekostet. Von insgesamt 120 Wörtern waren im Schnitt 60 falsch geschrieben. Ja, einer hatte es sogar geschafft 109 falsche Wörter einzubauen! Kritik zeigt mir, wo ich entweder auf dem richtigen oder auf dem falschen Weg bin. Ich bin mir sicher, alle meine Studenten sind intelligent. Aber sie werden regelrecht verhätschelt. Bitte hier nicht dies machen, bitte dort. Und dann wundern sich Vietnamesen, dass sie kein Englisch können?
Und wie soll ich das Ganze „Es ist zu schwer“-Zeug verstehen? Deutsche Kinder schreiben kurz nach Beginn ihrer Schulkarriere erste Diktate. Ich habe Englisch ab der 5.Klasse gehabt. Und ich kann mich erinnern, dass mein damaliger Lehrer auch diktiert hat. Wie sonst soll ich lernen, die fremden englischen Laute mit den mir noch fremder erscheinenden Schriftbildern in Einklang zu bringen. Sind vietnamesische Kinder dümmer als deutsche? Wohl kaum. Aber sie werden für dumm gehalten und letztendlich durch diese Hätschelerziehung auch dumm gemacht. Denken gehört nicht zu den Kompetenzfeldern, die in vietnamesischen Schulen oder sogar Universitäten gelehrt werden. Und hier liegt eben das Problem der vietnamesischen Wissenschaft, warum sie eben nicht mit der anderer asiatischer Länder oder gar der westlichen mithalten kann. Denken wurde uns in der Schule immer beigebracht. Dinge zu erfragen, Dinge zu hinterfragen. Denn hier liegt das wahre Problem. Nicht zu wenig Geld, zu wenig Ressourcen sind an der Situation schuld, sondern der Mangel an der Neugier. Statt Kritik zu unterbinden, sollte die vietnamesische Wissenschaft, allen voran das Ministerium für Erziehung, Sport und Tourismus diese aufgreifen und den Mut zu Reformen aufbringen.