AB 13. NOVEMBER IM KINO! ©Concorde Filmverleih
Die Kamera stets vor sich haltend, bahnt sich Lou Reed seinen Weg. Durch die Nacht. Grelle Reklametafeln, rote Ampeln, Schüsse in der Dunkelheit, Blut auf weißem Teppich – alles gehört ihm. Er ist zuerst zur Stelle, hält immer drauf, kommt ganz dicht ran. Regeln interessieren ihn nicht, er scheißt drauf. Alles, was er möchte, ist ein Bild. Das Bild. Das ihn in die Morgennachrichten katapultiert, ihn wichtig macht. Damit die Welt weiß, wer am Drücker ist, wer hier das Sagen hat! Das Filmen ist seine Obsession, sein multipler Orgasmus, sein Gott. Wenn er den „On“-Knopf drückt gibt es kein Richtig oder Falsch, kein Gut oder Böse. Dann gibt es nur noch ihn und das Motiv. Sei es ein zerfleischter Körper in einem Auto oder eine Schießerei in einem Diner. Ihm gehört das Bild, ihm gehört die Sendezeit, ihm gehört die Welt!
Darf ich vorstellen? Lou Reed, „Nightcrawler“. Jede Nacht sitzt er in seinem Auto und hört den Polizeifunk ab. Immer auf der Suche nach dem nächsten Hit, den er bebildern kann. Dabei scheren ihn moralische Grundgedanken eben so wenig, wie das Riskieren seines eigenen Lebens. Jake Gyllenhaal spielt Reed, nein, er ist Reed. Wie er – deutlich abgemagert –seiner Chefin und den Zuschauern einen Vortrag über seine Träume und Ziele hält, ist beeindruckend. Noch beeindruckender ist es jedoch, wie leichtfüßig er die soziopathischen Anflüge Reeds in sein Spiel einbaut und nicht nur einmal an Patrick Bateman in „American Psycho“ erinnert.
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Kaum zu glauben, dass „Nightcrawler“ ein Regiedebüt darstellt. Derart hintersinnig, bitterböse und druckvoll baute selten zuvor ein Frischling hinter der Kamera einen Thriller auf. Dabei mutiert Reeds Kamera zur Pistole, mit der er Jagd auf andere Menschen und deren Schicksale macht. Regisseur Dan Gilroy macht alles richtig, lässt Reed immer weiter von der Leine, bis das Geschehen völlig aus dem Ruder läuft und der Zuschauer in seinem Kinosessel beinahe vergisst zu atmen. Figuren, wie Lou Reed sind eben doch das Lebenselixier für das Kino. In der Tradition eines Gordon Gecko oder Jordan Belfort stehend, ist er gleichwohl hassenswert als auch faszinierend. Es ist einfach beeindruckend ihm dabei zuzusehen, wie er jegliches moralisches Handeln über Bord wirft um seine Ziele zu erreichen und damit durchkommt. In ihm paaren sich Intelligenz als auch Eloquenz, die sich immer weiter in Wahnsinn steigern. Jenes ambivalente Verhalten sorgt nun mal für die interessantesten Geschichten und es verwundert dementsprechend nicht, wie groß die Faszination für „Nightcrawler“ ist.Selbstverständlich entwickelt der Film einen gehörigen Zug hin zur Mediensatire. Die TV-Sender, die Reed aus der Hand fressen um ihre Zuschauer mit immer weiteren Skandalen zu füttern, sind Beweis genug. „If it bleeds, it leads“, sagt ein Kollege Reeds einmal und fürwahr, anders ist es nicht. Im Kampf um die Quote ist jedes Mittel recht um Zuschauer zum Einschalten zu bewegen, ethische Grundregeln haben in diesem Krieg nichts zu suchen. Das System gebiert Menschen wie Lou Reed, fördert sie und ist doch nur ein Sinnbild für die Verdummung und Verrohung des Publikums. Es bekommt was es verdient und was es offensichtlich nachfragt. Zur Hölle mit richtigem Journalismus. Lasst ihn bluten! If it bleeds, it leads!
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BEWERTUNG: 09/10Titel: NightcrawlerFSK: ab 16 freigegebenLaufzeit: 119 MinutenGenre: ThrillerErscheinungsjahr: 2014Regisseur/Drehbuchautor: Dan GilroyDarsteller: Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Bill Paxton, Riz Ahmed, Ann Cusack, Kathleen York, Eric Lange