Dunkelste Depressionen und federleichte, emotionale Höhenflüge

Dunkelste Depressionen und federleichte, emotionale Höhenflüge kann man seit wenigen Tagen bei sich zuhause musikalisch nachvollziehen. Gebannt sind diese Gefühle auf der neuen Klassik-CD „Fantasiebilder“ der georgischen Pianistin Ketevan Sepashvili. Die in Wien lebende Musikerin, die wir vor einem knappen Jahr als Ausnahmekünstlerin bei einem Konzert in Wien entdeckten, veröffentlichte damit bereits ihre zweite Einspielung. In der mit „Faust“ betitelten, ersten CD widmete sie sich der Sonate in h-Moll von Franz Liszt und der Sonate in d-Moll von Sergej Rachmaninoff. Nun sind seine neun „Études- tableaux“ op. 39, schwierig zu interpretierende Werke, sowie Robert Schumanns Kreisleriana  auf dem neuen Tonträger vereint.

Etüden, die keine Etüden sind

„Eigentlich dürfte man zu Rachmaninoffs Etüden gar nicht Etüden sagen. Denn Etüden sind für gewöhnlich Übungsstücke. Was er hier aber komponiert hat, sind komplette, fertige Werke“. Sepashvili hat ein Faible für den russischen Komponisten, dessen Klavierwerke in deutschsprachigen Konzertsälen bei Recitalen nicht oft zu hören sind. „Dabei sind sie voll von wunderbaren Melodien, Einfällen und Emotionen“, erklärte sie bei der CD-Präsentation im Bank Austria Salon des Alten Rathauses.

„In dieser Aufnahme stecken 17 Jahre Arbeit. Sie verändern sich immer noch, ich bin mir sicher, dass ich sie in einigen Jahren zum Teil wieder anders interpretieren werde. Aber sie sind für mich selbst nun so ausgereift, dass ich auch später noch eine Freude haben werde, wenn ich sie mir anhöre. Das ist meine Anforderung, die ich an mich stelle, wenn ich neue Werke aufnehme. Bevor sie für mich selbst nicht perfekt sind, spiele ich sie auch nicht ein.“

Entgegen der üblichen Usancen, bei Konzertabenden neben anderen ein Hauptstück mit hohem Schwierigkeitsgrad zu präsentieren, lässt sich die Musikerin auf so eine Unterforderung gar nicht ein. So waren sowohl die Rachmaninoff-Etüden als auch die 8-sätzige Kreisleriana bei einem Wiener Konzert vor wenigen Monaten hintereinander zu hören, gefolgt von einer ebenso fordernden Zugabe. Einer der Besucher meinte im Anschluss an das Konzert: „Ich gehe jetzt nach Hause und klappe meinen Klavierdeckel zu.“ Eine Reaktion, die typisch für Menschen ist, die sie das erste Mal live hören.

CD Fantasiebilder (c) Andrej GrilcCD Fantasiebilder (c) Andrej Grilc

Erinnerungen an Clara

Dass zu Beginn einer musikalischen Auseinandersetzung die technische Erarbeitung steht, ist klar. Dass aber eine technische Perfektion auch in den schwierigsten Klavierpartituren alleine zu wenig ist, den Stücken erst Seele eingehaucht werden muss, damit die Klänge nicht nur in den Verstand, sondern auch in die Herzen der Hörerinnen und Hörer dringen können, schon weniger. Die acht Sätze der Kreisleriana spiegeln Schumanns schwierige, emotionale Bindung zu seiner Frau Clara wider. „Ich kann im vierten Satz wunderbar nachvollziehen, dass sich Schumann dabei an seine ersten Begegnungen mit der noch jugendlichen Clara zurückerinnert. Darin sind fröhliche Momente, aber zugleich auch ganz viel Trauer.“

Die Pianistin, die ihre künstlerische Ausbildung zuerst in der Paliashvili Musikschule für hochbegabte Kinder erhielt, wechselte danach auf das staatliche Konservatorium in Tiflis. Ihren Feinschliff holte sie sich schließlich durch ein Stipendium bei Hans-Jörg Strub in der Schweiz. „Ich dachte, ich hätte technisch schon alles gelernt, was möglich ist“, erklärte Sepashvili bei der CD-Präsentation, „aber erst bei Prof. Strub in der Schweiz habe ich erfahren, dass das Herz einen wichtigen Beitrag zu einer gelungenen Interpretation leisten muss.“

Es ist genau diese Paarung, der Zusammenschluss von Herz und einer überragenden Technik, besonders auch der linken Hand, die ihr Spiel so einzigartig macht. Der hohe Grad an Perfektion erlaubt ihr, kompositorische Stränge bei Rachmaninoff hörbar zu machen, die nur bei der Beherrschung aller technischen Raffinessen erkennbar werden. Ihr starker, innerer Bezug zu den einzelnen Sätzen lässt sie zugleich tief in die Gedankenwelt der Komponisten eintauchen. Dabei hat man das Gefühl, dass sie sich während ihres Spieles ganz nah an deren ursprünglichen Ideen befindet, die ausschlaggebend für die jeweiligen Kompositionen waren. Wenngleich diese auch nicht objektiv nachvollzogen werden können, erweckt die Künstlerin den Eindruck, ähnlich wie ein Medium, einen direkten Draht zu Rachmaninoff, oder in diesem Fall auch Schumann aufbauen zu können.

Es sind weder trockene, distanzierte Auslegungen, noch vor lauter Romantik triefende Wiedergaben, die in den „Fantasiebildern“ hörbare Gestalt annehmen. Vielmehr gelingt es ihr, tief empfundene, intensiv nachgespürte Gefühlswelten klanglich zu veranschaulichen.  Sepashvili hat in Österreich ihre Wahlheimat gefunden. Sie beherrscht große Teile der Klavierliteratur des Barock, der Klassik und Romantik, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, doch die musikalischen Wurzeln ihrer Heimat, die sie in ihrer Ausbildung enorm geprägt haben, hallen bis heute in ihrer Arbeit nach. Neben Sergej Rachmaninoff hat sie auch Sergei Prokofjew, Sofia Gubaidulina oder den bei uns unbekannten, georgischen Komponisten Revadz Ladidze in ihrem Repertoire.

Erst ein perfektes Team macht eine Glanzleistung möglich

Durch die außergewöhnliche Aufnahmetechnik, die vom Schweizer Klangspezialisten Sven Bönicke zur Verfügung gestellt wurde, hat die CD klangliche Eigenschaften, die jenen, die direkt im Konzertsaal live erlebt werden, um nichts nachstehen. Dafür verantwortlich ist auch die Qualität des von ihr so heiß geliebten Fazioli-Flügels, auf dem sie meist sommers im Franz Lisztzentrum in Raiding Konzerte gibt. David Merö ist jener Tonmeister, dem die überaus kommunikative und weltoffene Virtuosin schon seit einigen Jahren blind vertraut. Er bespricht mit ihr für die Finalisierung jedes noch so kleine Detail, jede Idee, die hinter einer Phrase steht, um die letzte, klangliche Abstimmung nach ihren Wünschen durchführen zu können. „Eine solch herausragende Aufnahme ist nur möglich, wenn alle Komponenten perfekt zusammenpassen.“ Ingmar Flashaar, Konzerttechniker und Sepashvilis Ehemann weiß, wovon er spricht. Wann immer er kann, begleitet er seine Frau auf ihre Konzerte und natürlich auch zu ihren Einspielungen, um davor und auch dazwischen, Hand an die jeweiligen Flügel anzulegen. Seine Spezialität, die Instrumente mit besonderen Energien aufzuladen, die eine dramatisch hörbare Klangverbesserung bewirken, hat sich in Musikerkreisen schon herumgesprochen.

Für Ketevan Sepashvili ist auf dieser CD ein Optimalzustand festgehalten. Erreicht durch die Sicherheit, nicht nur selbst musikalisch eine perfekte Arbeit abgeliefert zu haben, sondern auch von Menschen umgeben zu sein, die ihrerseits die höchst mögliche Qualitätsleistung auf ihrem Gebiet beisteuerten. Das Rätsel von überragenden, künstlerischen Leistungen wird nie bis in die letzten Ecken zu erkunden sein und wird auch auf dieser CD nicht gelüftet. Vielleicht ist es aber gerade das, was das Hören dieser Meisterwerke so derart spannend macht.

Die CD ist bei Gramola erschienen und kann unter folgenden Links direkt bestellt werden:
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