Dubai und die Welt

Von Lacommunica

Von Gaby Feile

Dubai ist in aller Munde - weltweit! Nichts neues, mag mancher sagen. Oh doch, sage ich, dieses Mal ist alles anders: Am Mittwoch Nachmittag hat die Regierung von Dubai Zahlungsaufschub für im Dezember fällige Anleihen in Höhe von USD 3.5 Milliarden beantragt - bis Mai 2010. Schuldner ist Dubai World, die mit ihrer Tochter Nakheel u.a. die künstlichen Palmeninseln geplant und erschaffen hat. Innerhalb der nächsten Stunden und Tage wird diese Nachricht von Medien um den Globus aufgegriffen und veröffentlicht. Und mit fortschreitender Stunde werden mehr Details und mehr Spekulationen dazu geschrieben, je weiter gen Westen sich die Sonne bewegt. Blogger berichten darüber und auf Twitter und Facebook wird heftig diskutiert. Viele scheinen überrascht über die Tatsache, dass die Stadt, die als niemals versiegende Quelle des Geldes gilt, quasi pleite ist. 
Auch auf die Gefahr hin, dass mich manche als arrogant oder angeberisch bezeichnen: mich hat die Nachricht nicht überrascht. Ich betrachte die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln und komme jeweils zum gleichen Ergebnis. Lesen Sie selbst, wie meine verschiedenen Rollen das sehen:
Die Einwohnerin von Dubai:
Ich kam hierher Ende 2007, ein Jahr, das als eines der bis dato erfolgreichsten in der Geschichte Dubai gilt. Immer neuere und größere Projekte wurden bekannt gegeben, jede Woche eröffnete ein noch luxuriöseres Hotel, und die Straßen waren voll mit Autos, die ich vorher noch nie gesehen hatte, so groß und glänzend kamen sie daher. Die Mieten waren hoch und wurden jährlich im Voraus bezahlt, ein weltweites Unikum. Schnell wurde ich in den Bann der Stadt gezogen und bald redete ich mit über all die Aktivitäten und die strahlende Zukunft der Stadt. 
In ruhigen Momenten fragte ich mich selbst, wie das alles hinter den Kulissen aussieht, und wer die Zügel in der Hand hält, damit alle Einzelteile zusammen passen. Wenn ich diese Fragen anderen stellte, erntete ich meist ein Schulterzucken und eine kurze Antwort, die von blindem Vertrauen entweder in die Regierung oder in die Geldgeber zeugte. So fantastisch ich die Projekte fand, so kritisch sah ich deren Notwendigkeit und Nachhaltigkeit. Die Klimaerwärmung hatte schließlich schon einige wesentlich bescheidenere Länder „bestraft“, warum sollte also Dubai so einfach davon kommen? Glücklicher Weise hat sich Mutter Natur bisher vornehm zurück gehalten, abgesehen von heftigen Regenschauern im letzten Winter. Oder wissen wir einfach nicht mehr? Jedenfalls hatte ich persönlich immer auf das Ab gewartet, das jedem Auf folgt, nicht hauptsächlich finanziell, sondern auch gesellschaftlich.
Die Bankerin:
Steigende Aktienkurse freuen alle, zumindest die, die Aktien haben oder mit dem Handel derselben Geld verdienen. Wer Börsengewinne macht, erzählt allen darüber. Verluste hingegen werden diskret verschwiegen oder als Ausnahme abgetan. Während des letzten Börsenbooms samt der Abstürze wegen Asienkrise und Internetblase gehörte ich zu denen, die Geld verloren haben, trotz (oder wegen?) meiner Tätigkeit bei der Deutschen Bank zu dieser Zeit. Spekulieren an der Börse ist wie Spielen im Casino: manchmal verliert man, manchmal gewinnen die anderen. Kurzum, selbst wenn langfristig die Kurse nach oben gehen, gibt es zwischendurch Dämpfer, Korrekturen oder Abstürze. Das ist normal, weil Anleger ihre Gewinne mitnehmen, wie es im Börsenjargon heißt. Da dies zuerst immer die großen institutionellen Anleger sind, bleiben die Kleinen auf ihren Verlusten sitzen. Es ist fast unnötig zu erwähnen, dass es die institutionellen Anleger sind, die die Kurse zuerst nach oben treiben und somit alle Kleinanleger erst auf die Idee bringen, einzusteigen. Viel zu spät meist. Gier ist die Macht, die alles treibt!
Kurzum, ob Aktien oder Immobilien, irgendwann platzt die Blase. Wir haben das schon in vielen Märkten erlebt, warum sollte also Dubai verschont bleiben? Ich erinnere mich an die Nachrichten, auch von internationalen Medien, als Lehmann Brothers mit seiner Pleite die globale Finanzkrise auslöste: Der Nahe Osten würde am ehesten unversehrt aus der Krise kommen, zu viel Geld sei vorhanden und zu viel Optimismus. Bald wurden diese Stimmen von den andern abgelöst, die von sinkenden Börsen und Immobilienpreisen berichteten. Den Rest kennen wir: Banken in Dubai sperrten Kreditkarten, verschärften die Bedingungen zur Kreditvergabe und blieben auf vielen Krediten sitzen, weil die Schuldner fluchtartig das Land verlassen haben. 
Die Bekanntgabe des „Stillstandes“ für die Schuldenrückzahlung jedenfalls hat auf den Aktienmärkten rund um den Globus zu sinkenden Kursen geführt. Banken sind extrem betroffen, weil man Angst hat, Dubai bezahlt ihnen ihre Kredite auch nicht zurück. Europäische Großunternehmen sind betroffen, die sich vor Monaten noch damit gebrüstet haben, arabische Investoren gefunden zu haben. Dass diese Investoren aus Abu Dhabi oder Katar kommen und nicht aus Dubai ist den Börsenspielern egal. Risiko ist Risiko, und das gilt es zu minimieren. Wegen Thanksgiving ist die Wall Street  geschlossen, sodass man bis nach den Feiertagen  warten muss, ob und wie die US-Anleger reagieren. Das gleiche gilt für die Märkte in der Golf-Region: Von Donnerstag bis Samstag wird hier Eid al Adha gefeiert, ein Handel findet nicht statt.
Die Kommunikations-Expertin:
Oft wurde vom Marketing-Talent Dubais, oder der Verantwortlichen, gesprochen. Dubai ist  weltweit bekannt, sogar die Amerikaner kennen das Burj Al Arab oder das Atlantis Hotel. All das hat eine umfassende Kampagne angerichtet, die Dubai als reiche Oase in der Wüste, Stadt der Superlative und aufregendes Urlaubsziel der Welt vorgestellt hat. Man erwartet eine Metropole, deren Unterhaltungswert mit Las Vegas zu vergleichen ist, deren Finanzmärkte mit denen von London konkurrieren, deren Architektur es mit der von Schanghai aufnehmen kann und deren Lebensqualität an die von Paris heranreicht. Es gab keine negativen Seiten, zumindest wurde darüber nicht gesprochen. Jeder, der nach Dubai kommt, macht sich sein eigenes Bild, und die meisten bleiben bei ihrer Meinung, dass Dubai toll ist. Und das ist es ja auch, aber es ist nicht perfekt! Genauso wenig wie Las Vegas, London, Schanghai und Paris perfekt sind. Warum also ist man nicht ehrlich? Warum vermeidet man alles, was der Stadt schaden könnte? Hat man Angst, dass die Touristen ausbleiben oder die Investoren oder die Arbeitskräfte? All das kann passieren, ja. Es passiert aber auch, wenn andere die negativen Nachrichten verbreiten, oder wenn es gar eine globale Krise gibt. Genau das ist passiert, auch wenn man in Dubai nicht viel davon gehört oder gelesen hat. Internationale Medien haben mit reißerischen Storys über flüchtige Expatriats, schlechte Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse und Geschichten über die Gefangennahme von Ausländern  versucht, den Mythos Dubai zu zerstören. Es hat nicht wirklich geklappt, die Nachrichten haben sich nur schleppend verbreitet und wurden schnell wieder vergessen, weil es galt, von der Metroeröffnung oder den Social Media Aktivitäten der regierenden Familie  zu berichten. Bis, ja bis der 25. November 2009 kam und man öffentlich um Zahlungsaufschub bitten musste. Solche Nachrichten müssen, auch in Dubai, öffentlich gemacht werden, um die Märkte vor Extrem-Reaktionen zu schützen. Das hat irgendwie nicht funktioniert, wie wir sehen. Zeitungen aus Stockholm und Amsterdam, Moskau und München, Sao Paolo und Hong Kong berichten über dramatische Kursverluste ihrer jeweiligen Heimatbörsen. Dubai ist in aller Munde und wird sogar Trendthema bei Twitter, neben Google Wave und New Moon. Das ist doch mal eine Leistung! Dubai hat endlich die Publicity, die es sich immer gewünscht hat. Und womöglich hat man das genauso geplant, oder warum hätte man sonst so lange gewartet anstatt regelmäßig der Welt ein paar Brocken Informationen über die Lage der Nation zu geben? Klar, hätte man lieber gute Nachrichten verbreitet. Aber wie heißt es so schön: Schlechte Presse ist besser als keine Presse.
Und das können wir daraus lernen:
Quantität im Ergebnis kann man erreichen, wenn man eine Nachricht überraschend und erst im letzten Moment veröffentlicht.
Qualität in der Kommunikation hingegen wird durch eine transparente und kontinuierliche Berichterstattung erreicht.

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