Du schaffst das – nicht

Früher sagte man zu den Kindern: “Vergiss es, das schaffst du nie. Sowas können nur Genies. Aber du? Dazu bist du schlicht zu dumm, zu unbegabt. Lerne etwas Vernünftiges, mach doch Verkäuferin, damit kannst du nicht falsch liegen.”

Unzählige Träume zerbrachen wegen solcher Worte, Talente wurden nie oder nur sehr spät entdeckt, manch einer mühte sich in einem Beruf ab, der nicht zu ihm passte und landete irgendwann beim Psychiater, wo der ganze Frust aus ihm herausbrach: “Keiner glaubte an mich. Wenn nur einer mich ermutigt hätte…”

Viele in unserer Generation haben gelitten unter den harten Urteilen, die jeglichen Mut raubten, Träume real werden zu lassen. Und weil wir nicht wollen, dass es unseren Kindern gleich ergeht, sagen wir heute zu ihnen: “Glaub an dich, in dir steckt so unglaublich viel drin. Wenn du etwas nur genug willst, dann kannst du es auch erreichen. Die Welt steht dir offen, zeige was du kannst.”

Natürlich gedeihen in diesem Klima die grossen Träume prächtig. Fussballstar, Musikgenie, Nobelpreisträger – nichts scheint unmöglich. Bis eines Tages eine Aufnahmeprüfung kommt, bei der mehr gefragt ist als nur Glauben an sich selbst. Bis einer daherkommt, dem nicht nur der gute Wille, sondern auch das Talent dazu in die Wiege gelegt worden ist. Der Traum zerbricht, der Schmerz darüber, dass eben doch nicht jede Türe offen steht, ist immens.

Beim Psychiater wird es dann wohl in einigen Jahren heissen: “Warum hat mir keiner gesagt, dass ich gar nicht das Talent zum Star habe? Hätte man mir doch gesagt, ich solle mir realistische Ziele setzen…”

Vielleicht redet die kommende Generation deshalb so mit ihren Kindern: “Du hast eindeutig eine grosse Fähigkeit in diesem Bereich, ich glaube, da liesse sich einiges draus machen. Wenn du dein Ziel aber auch wirklich erreichen willst, sollten wir hier noch ein wenig arbeiten, denn das hier liegt dir weniger.”

Eine kleine Chance besteht, dass sie so mit ihren Kindern reden werden, vermutlich werden sie aber eine ganz neue Methode finden, um dafür zu sorgen, dass die Wartezimmer der Psychiater nie leer werden.

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