Ich verbinde mit Dir ein Kindheitstrauma, dann eine Renaissance inniger Gefühle, vielmehr als nur ein Flirt. Heute ist es eine Liebesbeziehung, die täglich an Größe gewinnt, mit jeder neuen Erfahrung wächst und mein Leben bereichert. Immer wieder überraschst Du mich, nur selten enttäuschst Du mich und Du wirst immer bei mir bleiben. In meinem Kühlschrank. Liebe Butter, dieser Liebesbrief gilt Dir alleine. Von David Seitz
Als wir uns kennen lernten wusste ich noch nicht was Liebe ist, doch Abscheu konnte ich empfinden – dank Dir. Ich war acht und meine Mutter missbrauchte dich als zentimeterdicke Wurst-Unterlage. Du machtest dich breit, in den tiefen Furchen des Butterbrotes. Du warst scheußlich zu mir. Kalt, fettig, schmierig – Tag für Tag und ich begann dich zu hassen, abgrundtief, bis ich schließlich beschloss, dass unsere sowieso schon schwierige Beziehung keine Zukunft mehr haben sollte. Ich strich Dich von meinem Brot, aus meinem Speiseplan, aus meinem Leben.
Man versuchte verzweifelt Dich zu ersetzen – irgendwie musste die Wurst auf dem Brot ja kleben. Doch Margarine, Frischkäse, Schmalz und ihre schmierigen Artgenossen – sie alle litten unter unserer Vorgeschichte. Ich gab ihnen nie eine Chance auf meinem Pausenbrot. Du, liebe Butter, hattest es versaut.
Ich redete schlecht über Dich, verdrängte Dich und tatsächlich vergaß ich Dich auch irgendwann. Ein Leben ohne Dich, liebe Butter, war ein besseres Leben. Ich ahnte nicht, dass du mich weiterhin verfolgtest, im Stillen. Im flüssigen Gewand, im Schleier Deines zweiten Aggregatzustandes. Geschickt hülltest Du Dich um Fleisch und Fisch, Du warst die Meisterin des Untertauchens in einer Armada von Zutaten. Vielleicht wollte ich Dich nicht erkennen. Vielleicht akzeptierte ich Dich tief in meinem Inneren.
Akzeptanz wich vorsichtiger Zuneigung, als meine Mutter, die Deinen Ruf ruiniert hatte, eines Tages mit einer kühnen Aktion eine gewagte Annäherung zwischen uns beiden provozierte. Vor meinen Augen schmolz sie Dich, liebe Butter, und benetzte meinen Grießbrei mit Deinen goldgelben Tröpfchen. Ein Affront mit Kalkül, wie ich später herausfand.
Entsetzten Blickes ließ ich meine Mutter gewähren. Dieser Dreistheit konnte ich nichts entgegensetzen, paralysiert wie ich war. Auge in Auge mit Dir, liebe Butter, saß ich am Küchentisch und meine Sinne prügelten aufeinander ein. Die Augen schlugen Alarm. Die Nase jedoch schickte leise Signale an mein Gehirn, die mich unerwartet milde stimmten. Ein nussiger Duft erklomm mein Geruchsorgan und ich tat es: Ich setzte den Löffel an und wir berührten uns, wie zwei Teenager auf der Parkbank. Voller Anspannung, ohne Option auf einen Rückzieher, bereit alles um mich herum zu vergessen.
Aber wie im echten Leben auch, war das erste Mal dann doch nicht der Gipfel der Lust. Aber es machte Lust auf mehr. Angst, Hass und Abscheu wichen, aber sie wichen langsam. Wir trafen uns häufiger. Meist ging die Initiative nicht von mir aus, doch ich beschloss, Dir eine Chance zu geben. Diese Chance hast du genutzt, liebe Butter. Heute sind wir ein Paar. Täglich sieht man uns zusammen. Meine Freundin akzeptiert das, sie sagt, ich sei fröhlicher wenn wir zusammen sind. Mittlerweile sind wir zu dritt sehr glücklich, denn sie hat Dich in ihr Herz geschlossen.
Ich benutze Dich – in großen Mengen. Lachsfilet badet in dir, wird goldbraun wenn du leise brodelst. Du schäumst vor Freude, wenn ein Rinderfilet sanft durch Deine Wogen gleitet. Ich liebe deinen Duft, wenn du dich um Zwiebeln und Knoblauch schmiegst und meine Küche mit zwiebelmildem Dunst verhüllst. Du bist mein Star im Kartoffelbrei, ein Duett zu gleichen Teilen. Du mischst dich selbst unter Suppen und krönst sie mit deiner Eleganz.
Ich paare dich mit Nüssen, Tomatenmark, Basilikum, Knoblauch, Senf, Kräutern. Wie schaffst du es, dass in deinem Glanz einfach alles und jeder mitglänzen kann? Du weißt, dass dein Auftreten Begehrlichkeiten weckt. Im Ölregal hat man deine Dominanz wahrgenommen, ein leichtes Räuspern ist zu vernehmen. Wir sind auch noch da. Doch ich verspreche Dir, liebe Butter, ich bleibe Dir treu! Und solltest du mich einmal verlassen, dann warte ich auf Dich. Du wirst wiederkommen, ich weiß es genau. Spätestens Montag früh um 8 Uhr sehen wir uns wieder. Treffpunkt: Kühlregal.
Bild: Wikimedia Commons
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